Linzerin klärt über Armut auf: "Man kann etwas verändern"
"Mir geht es genauso." "Endlich spricht das einmal jemand an." Es waren Sätze wie diese, die das Leben von Daniela Brodesser nachhaltig veränderten. Nach einer "demütigenden Situation" hat die gebürtige Linzerin sich einen anonymen Twitter-Account angelegt. "Ich habe etwas gebraucht, um mir den Frust rauszuschreiben. Die Rückmeldungen waren überwältigend. Es gibt so viele von Armut Betroffene."
Seither ist Brodesser nicht mehr aus Österreichs Twitterszene – dort als Frau Sonnenschein unterwegs – wegzudenken. Als früher von Armut Betroffene, gibt sie dort jenen eine Stimme, denen sie sonst verwehrt wird, klärt über Armut auf und vernetzt Menschen miteinander, damit direkte Hilfe möglich wird. Nun hat sie darüber auch das Buch "Armut" (Kremayr & Scheriau) geschrieben.
Teuerungen
Dass Brodesser unter die Autorinnen geht, hätte sie selbst nicht für möglich gehalten. Der Verlag sei auf sie zugekommen. „Ich hätte mir das gar nicht zugetraut. Aber es passt vom Zeitpunkt her.“ Durch die Teuerungen würde sich die Mittelschicht immer weiter verschieben.
Brodesser kam 1975 in Linz auf die Welt, absolvierte später die Ausbildung zur Bürokauffrau. Sie ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Durch eine Erkrankung des Jüngsten und des Ehemanns geriet die Familie in Armut. Ihr Beispiel zeigt auch: Es kann schnell gehen, dass man in Not gerät. Viele würden sich dann aber wegen der Beschämung in Isolation zurückziehen, sagt Brodesser. "In Österreich ist es viel wahrscheinlicher, dass du in die Armut abrutschst, als dass du einen sozialen Aufstieg hast."
Die häufigsten Gründe dafür seien Betreuungspflichten - etwa jemanden pflegen zu müssen - Erkrankungen oder Jobverlust. Es reiche, die falsche Ausbildung zu haben. Dass sie seit 2019 nicht mehr von Armut betroffen ist, bezeichnet Brodesser als Glück.
Oft hört sie Sätze wie "Du bist in Wirklichkeit gar nicht so böse, wie auf Twitter", erzählt Brodesser lachend. Spricht man mit der Neo-Autorin merkt man schnell, da ist eben echte Emotion bei dem Thema Armut, dass sie "eigentlich 24/7 beschäftigt". Es sei belastend, dass es noch immer so viele Ignoranten gibt. Die Vorwürfe kennt sie mittlerweile alle.
Mut gibt es ihr, dass sie eine Verschiebung im Diskurs wahrnimmt. Die Wörter „sozial schwach“ würden etwa in Medien kaum noch verwendet werden. Die Rede ist nun von „Armutsbetroffenen“. „Denn wir haben angefangen, den Begriff zu erklären und zu sagen, was er mit uns macht. Das sind vielleicht nur Kleinigkeiten, das macht aber viel aus. Man merkt, man kann etwas verändern.“
Auch ein praktischeres Beispiel führt Brodesser in Bezug auf Veränderungen an. Sie habe mittlerweile ein großes Netzwerk. "Ein Großteil meiner Arbeit ist jetzt, wen kann ich wohin weiter leiten. Aber das sind alles keine offiziellen Stellen." Etwa, wenn sich jemand an sie wendet, weil sie oder er nicht mehr weiß, wie man die Stromrechnungen bezahlen kann.
Zuhören und keine gut gemeinten "Ratschläge"
Viele Menschen wollen von Brodesser auch wissen, wie man Armutsbetroffenen „richtig“ helfen könne. Dabei gehe es in erster Linie gar nicht um finanzielle Unterstützung, sagt die Oberösterreicherin. Sie habe sich jemanden gewünscht, mit dem sie reden kann, wenn es ihr nicht gut ging. „Und bitte nicht mit Ratschlägen kommen, wie man es besser machen könnte.“ Dass Erdäpfel zum Essen etwa billig sind, sei nicht hilfreich. Brodesser appelliert, einfach zuzuhören. „Was bräuchte es, damit es der Person besser geht und wo kann man helfen.“
Für Brodessers Werk wird es übrigens wieder Buch-Patenschaften auf Twitter geben. Das bedeutet, Armutsbetroffene, die das Buch gerne hätten, können sich melden und werden von Brodesser mit anderen vernetzt, die es ihnen dann schicken.
Für die Autorin ist klar, dass es nicht sein muss, dass so viele Menschen (im Jahr 2021 waren es in Deutschland und Österreich etwa 15 bis 17% der Bevölkerung) armutsgefährdet sind. Man solle in Österreich nicht die Sozialhilfe niedrig halten, sondern erhöhen, lautet die Forderung. Und die Löhne ebenso, sagt Brodesser. Im Buch schildert sie viele Situationen, die erklären, warum so viele Betroffene schweigen. Einer der vielen Gründe sei die Beschämung in der Gesellschaft.
Doch sie gibt auch Mut: "Ich habe mir damals eingebildet, ich bin zu sensibel oder nur ich schaffe das nicht. Mir hat das Gefühl geholfen, dass ich nicht alleine damit bin."
Ihr Wunsch für die Zukunft? "Dass es meine Arbeit nicht mehr braucht."
Am Montag, 13. März, 19.30 Uhr, präsentiert Daniela Brodesser ihr Buch im Kepler Salon, Rathausgasse 5, in Linz.
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