Schon die öffentliche Anreise ist – für eine kleine Stadt wie Gmunden – eine Besonderheit. Denn vom weit außerhalb und weit oberhalb der Stadt liegenden Bahnhof führt eine Straßenbahn ins Zentrum und weit darüber hinaus. Sie gibt bei der steilen Fahrt den Berg hinunter einen ersten Blick auf den funkelnden Traunsee frei, wenn die Sonne am Morgen über den Grünberg steigt.
Die Traunsee-Tram hält direkt vor dem ganz im Gmundner-Keramik-Grün gehaltenen Rathaus, mit dem berühmten Gmunder-Keramik-Glockenspiel. Dort, mit Blick auf den Traunsee, ist das Büro von Stefan Krapf. Der 51-jährige Vater dreier Kinder ist ÖVP-Bürgermeister in Gmunden.
Und dort, in diesem Rathaus, wurde die Klimastrategie Gmunden 2030 – ein mittlerweile mehrfach ausgezeichnetes Vorzeigeprojekt für oberösterreichische Städte und Gemeinden - beschlossen.
Erst war es ein Klimapakt, ausgehend von Fridays for Future, die im Frühjahr 2019 an einem Freitag auf die Straße gegangen sind. Mit dabei: Die Tochter von Ulrike Feichtinger. Letztere ist jetzt für die Grünen Vizebürgermeisterin von Gmunden. Die Klimastrategie ist demnach eine logische Fortsetzung der großen Klimabewegung.
Wie es dann zur Strategie gekommen ist, wie diese aussieht, welche Themen angegangen werden und wo es noch hakt, lesen Sie hier.
Schwarz-Grüne "Koalition" schon bei Klimastreik
Detail am Rande: Sensibilisiert durch die eigenen Kinder ging ÖVP-Bürgermeister Krapf damals selbst auf die Straße, als die Gruppe vor dem Rathaus eingetroffen ist. Krapf sagt, dass „Gmunden nicht die Welt retten kann“, aber die „großen Einheiten bewegen sich nur, wenn alle etwas tun“.
Für die Entwicklung der Klimastrategie ist Gmunden unter der Federführung der Vizebürgermeisterin neue – auch wieder ausgezeichnete – Wege in der Bürgerbeteiligung gegangen. Denn für die Entwicklung der Klimastrategie wurde ein Klimarat per Zufallsgenerator ausgewählt.
Klimarat definierte vier Themenfelder
Von 250 zufällig, aber nach demografischen Gesichtspunkten ausgewählten Frauen und Männern aus Gmunden bildeten schließlich 17 im Alter von 17 bis 84 Jahren den Klimarat. In moderierten Prozessen wurde die Klimastrategie in vier großen Themenfeldern entwickelt.
neutrale Energie
Bewusstseinsbildung, Beschaffung, Ernährung und Kreislaufwirtschaft
klimafreundliche Mobilität
Boden, Raumplanung und Natur
Diese Bereiche kristallisierten sich heraus, sie wurden schließlich mit 16 konkreten Handlungsfeldern samt ergänzender Punktierungen zur operativen Umsetzung dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt.
Große wie kleine Punkte, auf Machbarkeit und Wirksamkeit geprüft. Start war im Frühjahr des Vorjahres, am 26. September 2022, genau ein Jahr nach der Gemeinderatswahl mit dem Erfolg der Grünen, erfolgte die Beschlussfassung im Gemeinderat.
Vollzeit für das Klima
Ein wesentlicher Punkt aus der Klimastrategie ist seit Anfang 2023 realisiert. Eine Klimakoordinatorin für Gmunden wurde eingestellt, und zwar als neu geschaffene Stelle, in Vollzeit. Und Verena Pühringer-Sturmayr, die Klimakoordinatorin der Stadt Gmunden, ist nun – anstatt Daumen zu drehen, wie von Kritikern anfangs befürchtet – damit beschäftigt, die Klimastrategie umzusetzen.
Denn Klimaschutz, Klimakrise und Klimawandel sind eine Querschnittmaterie und betreffen somit jeden Bereich und jedes Thema. Das ist in Gmunden bereits angekommen.
Klimaschutz als Selbstverständlichkeit
„Ziel ist es, in den Abläufen des Amtes das Thema Klimaschutz und die Klimastrategie so im Rathaus und den Ämtern zu verankern, dass es zu einer Selbstverständlichkeit wird“, formulieren Klimakoordinatorin und Vizebürgermeisterin ihre gemeinsame Vision.
Die Themen sind vielfältig und nicht enden wollend. Ein Beispiel: Die Strategie sieht neben der Einbindung der Schülerinnen und Schüler zwei große Veranstaltungen zur öffentlichen Bewusstseinsbildung in Gmunden vor. Die Doyen der österreichischen Klimawissenschaft, Helga Kromp-Kolb, etwa füllte das Stadttheater einmal ganz und ein zweites Mal das Parterre.
Und weil sich bei Gesprächen im Vorfeld herausgestellt hatte, dass eine Hemmschwelle bestehe, derartige Veranstaltungen zu besuchen, wurde die Idee eines niederschwelligen „Umweltfestes“ geboren, um noch breiter mit den Themen zur Bevölkerung durchzudringen. An dessen Umsetzung wird aktuell gearbeitet.
Jugendrat als Ergebnis und Teil der Strategie
Was bereits passiert ist: der in der Klimastrategie geforderte Jugendrat ist in Gründung. Jugendrat und Klima? Ja, denn gerade die Perspektive junger Menschen ist in Klima- und Zukunftsthemen gefragt. Arved Müllner (16) und Greta Gattol aus dem Jugendrat-Kernteam betonen: „Es ist wichtig, sich in der eigenen Stadt einzubringen.“
Etwa gegen drohende Bodenversiegelung oder in Verkehrsfragen.
Auch in Sachen Energie ist die Klimakoordinatorin tätig. Im Zuge einer „Hausparty“ war ein Energieberater bei einer jungen Familie in deren Einfamilienhaus, um eine Energieanalyse durchzuführen. Freunde, Nachbarn und Bekannte waren dazu eingeladen, um diese Informationen auch zu bekommen.
Aus den Berichten darüber entstand der Wunsch von Wohnungseigentümern und Mieterinnen und Mietern, in ihrem Umfeld ebenfalls eine derartige „Party“ zu bekommen.
Was dann auch wieder der Intention der Klimastrategie entspricht, möglichst allen Gmundnerinnen und Gmundnern einen niederschwelligen Zugang zu (Energie-)Beratungsangeboten zu ermöglichen.
Geothermie-Forschungsprojekt gegen fossile Brennstoffe
Auf der anderen Seite arbeitet die Stadt – und auch das ist Teil der Klimastrategie – an einem Geothermie-Forschungsprojekt mit. Das Austrian Institute of Technology (AIT) erforscht, ob das in rund fünf Kilometern Tiefe vermutete heiße Wasser als Ersatz für fossile Brennstoffe gefördert und eingesetzt werden könnte.
Dazu werden Gespräche mit potenziellen Großabnehmern geführt – wie etwa der Gmundner Molkerei. Der in der Strategie definierte Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen wird darüber hinaus mit einem kommunalen Wärmeplan begleitet.
Und mit Ablauf 2030 will Gmunden – bilanziell – so viele Photovoltaikanlagen errichtet haben, dass theoretisch der gesamte Strombedarf der Stadt damit gedeckt werden könnte.
Beim Thema Natur und Raumplanung hat sich Gmunden bereits auf die „Schwammstadt“ verständigt. Sprich: Neue Wege der Untergrundgestaltung von Straßenzügen und Plätzen, die Bäumen besseres Wachstum ermöglicht und mehr Wasser bei Starkregen aufnehmen können – zwei wichtige Klimawandelanpassungsfaktoren.
Ebenfalls in der Strategie: Regionalität, Saisonalität, Kreislaufwirtschaft.
Klimafitte Mobilität
Tempo 40 auf allen Vorrangstraßen hat sich Gmunden verordnet, die Begegnungszone innerorts bleibt bestehen. „Langsam wird sie auch besser gelebt und für Fußgänger angenehmer“, sagt der Bürgermeister, „eine Trennlinie wie früher zwischen der Stadt und dem See ist die Straße nicht mehr.“ Der Lokalaugenschein zeigt aber, dass noch Luft nach oben ist.
Eines kann sich Krapf aber gar nicht vorstellen: Ein autofreies Stadtzentrum. Wobei er dennoch das 10 Millionen Euro teure Parkdeck in der Innenstadt nicht für notwendig hält.
Parkplätze entlang der Tram sieht die Klimastrategie vor, vereinbart ist auch eine bessere Aufteilung des öffentlichen Raums – also etwa, dass es keine „Parkplätze mit Seeblick“ mehr geben solle.
Auch Radfahren – wenngleich topografisch ungleich schwerer als in flachen Städten – wird forciert, ebenso der Fußgängerverkehr.
Die Straßenbahn gibt es schon lange, seit 2018 ist sie durch den Zusammenschluss der Gmundner Straßenbahn und der ehemaligen Traunseebahn als Traunsee-Tram „die Wirbelsäule für den öffentlichen Verkehr“. Da sind sich ÖVP-Bürgermeister Stefan Krapf und seine grüne Vizebürgermeisterin Ulrike Feichtinger einig.
Letztere – mit sieben Mandaten 2021 in den Gemeinderat gewählt – ist Triebfeder hinter der Klimastrategie Gmunden 2030. Das Jahr 2030 wurde bewusst gewählt, damit die Strategie über eine Gemeinderatsperiode hinaus wirkt. Feichtinger geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die Strategie muss auch unabhängig von Wahlergebnissen weiter funktionieren.“
Gmunden ist auf einem guten Weg dorthin. Denn, und auch da sind sich Feichtinger und Krapf einig, „das Klimabewusstsein steigt und färbt auf alle in Gmunden ab“.
Heuer ist übrigens erstmals in Gmunden ein Klimapreis ausgelobt, dotiert aus dem Preisgeld von 2.500 Euro für die Klimastrategie. Einreichungen sind noch bis Ende des Jahres möglich.
Kommentare