IS-Propaganda in Linz: 21-Jähriger muss nicht ins Gefängnis
Der 21-Jährige kommt alleine in den Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Linz. Die schwarze Hose hat er aufgekrempelt, dass sie nicht beschmutzt wird, Turnschuhe, schwarze Socken, grauer Pullover, Vollbart.
Zur Angelobung der Schöffen bleibt der junge Mann erst einmal sitzen, erst nach Aufforderung durch die Beisitzerin erhebt er sich. Der Paschinger, der bei einer Produktionsfirma arbeitet, ist verheiratet, seine Frau erwartet ein Kind.
Die Staatsanwältin wirft ihm vor, sich von 2021 bis 2023 am Islamischen Staat beteiligt zu haben, in dem er mit der Fahne des Emirats Kaukasus auf der Heckscheibe des Autos seiner Mutter gefahren sei und IS-Propaganda verschickt habe - wissend, dass er dadurch den IS fördert und Werbung für den bewaffneten Glaubenskrieg macht.
Dass er aufgeflogen ist, sei einem Zufall zu verdanken: Ein Mitarbeiter des Landesamts für Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung sieht den Audi mit einer IS-Flagge im Heck, der auf die Mutter des Angeklagten zugelassen ist.
Handy mit einschlägigen Nachrichten
Er wird observiert, bei einer Hausdurchsuchung wird ein Handy mit belastenden Videos und einschlägigen Nachrichten sichergestellt. Er gibt an, dass er sich nach der Erkrankung seiner Mutter in Moscheen beim Freitagsgebet und im Koran über den Islam informiert habe. Aber auch über das Internet. Der junge Mann folgte auch Kanälen bekannter islamistischer Prediger, die zum Teil verurteilt sind.
Dabei habe er sich zunehmend radikalisiert, ist die Staatsanwältin überzeugt.
Freunde im IS-Milieu
Ein Teil seines Freundeskreises ist zum Teil selbst wegen IS-Propaganda bereits verurteilt. Der 21-Jährige werde sich schuldig bekennen, sagt sein Verteidiger, - aber nicht für den Aufkleber auf der Heckscheibe des Autos. "Es gibt keinen anderen Gott außer Allah“ – das stehe auch auf der Flagge von Saudi-Arabien, nur ein Symbol sei beim Emirat Kaukasus anders, erläutert der Verteidiger.
Sein Mandant habe sein Leben jetzt anders eingerichtet. Er sei praktizierender Moslem, sehe aber ein, dass das Verschicken von Propagandavideos falsch sei. Außerdem habe er sich per Mail beim Verein „Derad“ gemeldet, um an einem Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen.
Die Frage nach dem Kopftuch
Der Richter konfrontiert den Angeklagten mit der Frage, wie er es mit dem Kopftuch halte. "Das ist die Entscheidung jeder Frau", sagt er. Seine Mutter trägt kein Kopftuch, das störe ihn nicht. Aber seiner Mutter hat er IS-Videos geschickt. "Warum?", fragt der Richter.
„Ich kann mich nicht erinnern“, antwortet der 21-Jährige, „den Text habe ich nicht verstanden, erst als der Verfassungsschutz ihn mir übersetzt hat.“ Was der Richter für völlig unglaubwürdig hält.
„Das war ein Blödsinn, das weiß ich eh“, räumt der Angeklagte ein. Er habe seiner Mutter aber nicht das IS-Gedankengut nahebringen wurden.
„Der Sieg wird nur mit dem Blut der Märtyrer zurückkommen“, schickt er seiner Mutter. „Ich kann nicht arabisch, ich habe das nicht verstanden“, rechtfertigt er sich erneut. Heruntergeladen hat er die Nashids - Videos mit IS-Propaganda - auf diversen Plattformen. „Sie können mir nicht weismachen, dass sie das ohne Hintergrund gemacht haben“, bohrt der Richter nach. „Mir hat der Rhythmus der Musik gefallen“, antwortet er.
"Das ist null Geständnis"
Der Richter stellt fest: „Was sie da sagen, ist aber kein Geständnis, null Geständnis, null Abkehr von der Versendung dieses Gedankenguts.“
Der Verteidiger will mit seinem Mandanten reden, der Richter lehnt ab und bleibt dran: „Wollten Sie Ihre Mutter überzeugen, dass es falsch ist, keinen Schleier zu tragen, weil es unter Androhung des Todes in der Scharia gefordert wird?“ Der Angeklagte schweigt.
Aktuell praktiziere er den Islam zu Hause und wolle nicht wieder auf einen falschen Weg kommen. „Und warum eiern Sie dann noch so herum?“, fragt der Richter: „Haben Sie Hinrichtungsvideos am Handy?“ „Kann sein“, sagt der 21-Jährige. „Das wissen Sie nicht?“, erbost sich der Richter, „das ist doch nicht wie eine Pizza, die man jeden Tag isst.“ Darauf hin gibt der junge Mann kleinlaut zu: „Ja.“ Ebenso ein Video mit abgehackter Hand räumt er ein. „Steht Hinrichten und Hand abhacken für den IS?“, will der Richter wissen. „Ja“, gibt der Angeklagte leise zu.
Grün oder schwarz, das ist hier die Frage
Dann geht es um die Flagge im Auto, laut Staatsanwaltschaft jene des Emirats Kaukasus, ein IS-Ableger. „Für mich ist das die Flagge Saudi-Arabiens“, bleibt er bei seiner Verantwortung.
Der Richter hält fest: „Wenn im Auto eine Flagge liegt, die schwarz ist und nicht grün, kann es nicht Saudi-Arabien sein, oder?“ Keine Antwort. „Warum antworten Sie nicht“, fragt die Beisitzerin. „Ich war noch nicht vor Gericht“, gibt er sich wieder kleinlaut. Für die Beisitzerin ist klar: „Ich kann bei Ihnen keine Abkehr erkennen.“
Dann gibt der Angeklagte zu: „Ja, das ist keine Flagge von Saudi-Arabien, sondern vom Emirat Kaukasus.“ Diese habe er in Bosnien in einem islamischen Laden gekauft. Der Staatsanwältin ist nach der Einvernahme klar: "Er hat, wenn auch nicht reumütig, vieles zugegeben." Zu verurteilen sei er dennoch, sagt sie, und zwar in allen Punkten.
Der Verteidiger bleibt dabei: Der junge Mann sei geständig gewesen, wenn auch holprig. Er habe klar gemacht, dass sein Verhalten falsch gewesen sei.
15 Monate Haft, fünf davon unbedingt
Der Schöffensenat verurteilte den 21-Jährigen zu 15 Monaten Haft, fünf davon unbedingt, auch das Handy wurde konfisziert. Dem Angeklagten werden die Kosten des Strafverfahrens angelastet.
Bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren sei das überwiegende Geständnis strafmildernd gewesen, führte der Richter an. Auch wenn dieses manchmal holprig ausgefallen sei.
Der Richter und die Schöffen glaubten dem jungen Mann nicht, sich vollständig vom IS distanziert zu haben: "Sie sind keiner, der sich von der ersten Minute hingestellt hat und gesagt hat, dass das falsch war."
Dem jungen Mann wurde zusätzlich ein Haftaufschub in Aussicht gestellt, unter der Voraussetzung, ein Jahr an einem Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen - samt nachträglicher Strafmilderung. Heißt: Wenn alles gut läuft, könne die unbedingte nach einem Jahr in eine bedingte Strafe umgewandelt werden.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzichten auf Rechtsmittel, der Richter gewährt somit sofort Strafaufschub mit der angeführten Auflage.
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