IS-Prozess: Mutter mit Baby und drei Mitangeklagte verurteilt
Sie wird nächste Woche 20, ist Österreicherin, stammt aus Linz und sitzt derzeit in der Justizanstalt Wels in Untersuchungshaft. Sie ist die erste, die im Gerichtssaal eintrifft. Sie ist voll verschleiert und hat ihr Baby im Kinderwagen mit. Vor Prozessbeginn nimmt sie das Baby zu sich, der Bub lächelt einen vermummten Polizisten an.
Begleitet wird die bereits einschlägig Vorbestrafte von zwei vermummten, schwer bewaffneten Polizisten und einer Polizistin. Auf den Stiegen zum Schwurgerichtssaal in Linz stehen ebenfalls drei schwer bewaffnete und gesicherte Polizisten.
Mit der Linzerin sitzen drei junge Männer auf der Anklagebank - ein Iraker (16), ein Russe (18) und ein Kroate (19), sie leben in Wagram, Traun und Haid. Ihnen wird vorgeworfen, als "IS-Sympathisanten" von Oktober 2022 bis Juli 2023 eine "terroristische Vereinigung" gegründet und mit dieser im Sinne der Terrororganisation IS (Islamischer Staat) agiert haben. Heute bekennen sich die vier zu den meisten Vorwürfen zumindest teilweise schuldig.
Die 17-Jährige ist übrigens mit dem Drittangeklagten nach islamischem Recht verheiratet, das Kind ist ihr gemeinsamer Bub, der im Mai des Vorjahres zur Welt gekommen ist.
Radikal-islamische Moschee geplant
Ein Vorwurf betrifft die gemeinsame Wohnung des Paares. Nach einer Hausdurchsuchungen in dieser Wohnung vor knapp einem Jahr war sich der Staatsanwalt sicher: Dort sollte eine speziell Moschee, eine radikal-islamische, eingerichtet werden. IS-Flagge, Bücher mit radikal-islamischem Gedankengut, ein Buch des Dschihad mit IS-Flagge seien gefunden worden.
Ins Visier der Ermittler sind die vier nach einer Aussage eines in St. Pölten verurteilten IS-Sympathisanten geraten, gegen andere Verdächtige wird noch ermittelt. Das Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung führt eine Hausdurchsuchung durch, sichert Daten und wertet diese aus.
Auch dieses Ergebnis ist für den Staatsanwalt eindeutig: Videos, in denen die Angeklagten selbst eine Enthauptungsszene dargestellt haben – samt Allahu-Akbar-Rufen, dazu einschlägige IS-Symboliken.
"Wir haben geglaubt, das ist lustig", sagt der Angeklagte. Der Richter fragt: "Was ist da lustig?" Und liest vor, was die jungen Männer auf dem Enthauptungsvideo von sich geben. Und tatsächlich: Niemand lacht im Gerichtsaal.
"Fans eines islamistischen Terroristen"
Der Angeklagte gibt ihm recht. Der Richter belehrt den jungen Mann: "Wir wollen nicht, dass Menschen in Österreich mit einem Messer getötet werden." Denn das propagiere der IS, eine "terroristische Vereinigung". Er dürfte selbst in der islamischen Community kein unbeschriebenen Blatt gewesen sein, denn er ist aus zwei Moscheen wegen seiner radikalen Einstellung rausgeflogen. Heute findet der Erstangeklagte es "schlimm, dass ich mich hineinziehen habe lassen".
Weiters gibt es Videos von gestellten Selbstmordanschlägen mit Bombenrucksäcken. „Alle vier sind Fans eines zu 20 Jahren verurteilten IS-Terroristen“, sagt der Staatsanwalt, „man sieht die Einstellung der Angeklagten.“
Die junge Mutter soll darüber hinaus auf einem Spendenkanal auf Telegram Geld gespendet haben, das IS-Kämpfern zu Gute kommt. "Das ist als Unterstützungshandlung für den IS-Terror zu werten", ist sicher der Staatsanwalt sicher. Unterdessen wird der etwas mehr als ein Jahr alte Bub unruhig, die Mutter darf den Saal verlassen.
Später wurden die junge Frau, die zum Islam übergetreten ist, und ihr Mann, einvernommen. „Meine Einstellung hat sich komplett geändert“, sagte der 19-jährige Kroate, der viele Vorwürfe als Missverständnisse hinstellte. Die Moschee sei nur ein Gebetsraum für ihn und seine Familie gewesen - keineswegs eine radikal-islamische Moschee, in der er gepredigt hätte.
"Bringen Scharia nach Deutschland"
Auf den Vorhalt, dass er aus dem Urlaub in Deutschland einen Nasheed (religiöser Gesang, Anm.) mit dem Text „Wir werden Scharia nach Deutschland tragen. Mit Allahs Hilfe werden wir euer Land gewinnen“ gepostet habe, hinterlegt mit Gewehrsalven und mit Bildern seiner Frau, die einen Niqab und eine an eine Militärweste erinnernde Fischerweste trägt, meinte er sinngemäß, er habe den Text nicht gekannt und auch keine Assoziationen zum Kampf erzeugen wollen.
Die Angeklagte schilderte, dass sie „keine Aufklärung über den Islam bekommen“ habe und nach ihrem Übertritt einfach dazugehören wollte. In der Justizanstalt kam sie in Kontakt mit dem Verein Derad, der auf Extremismusaufklärung spezialisiert ist. „Derad hat mich über Sachen aufgeklärt, die ich nicht gewusst habe“, das „hat mir gezeigt wie blöd ich war“, sagte sie.
Sie gab zu, die gefundene IS-Flagge gemalt zu haben, an der Einrichtung der Moschee sei sie aber nicht beteiligt gewesen, da war sie im Spital. Sie habe aber einen ruhigen Gebetsraum haben wollen, weil sie nach der Entbindung nicht bis in die Moschee gehen konnte.
Die Urteile
Alle vier wurden schuldig gesprochen. Der 16- und der 17-Jährige fassten sechs Monate bedingt aus, der 19-Jährige 13 Monate bedingt und eine Geldstrafe, seine vorbestrafte Lebensgefährtin 24 Monate, wovon 16 bedingt nachgesehen wurden – sie konnte somit das Gericht mit ihrem Kind verlassen und musste nicht mehr in Haft.
Alle vier müssen an einem Deradikalisierungsprogramm teilnehmen, die beiden 19-Jährigen zudem Bewährungshilfe in Anspruch nehmen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Kommentare