Sobotka: "Die Situation ist nicht mehr tragbar"

Innenminister Wolfgang Sobotka.
Nach Mord mit IS-Hintergrund schickt Innenminister Sobotka sein Sicherheitspaket nun doch in die Begutachtung.

"Das Sicherheitspaket geht noch im Juli in die Begutachtung", kündigt Innenminister Wolfgang Sobotka im Gespräch mit dem KURIER an. Er hoffe noch immer, dass die SPÖ der Überwachung von WhatsApp, Wertkartentelefonen und dem Zugriff auf Verkehrskameras direkt zustimmt, aber das Thema sei ihm zu wichtig, um noch länger zu warten. Denn: "Die Situation jetzt ist einfach nicht mehr tragbar."

Sobotka weiter: "Das Sicherheitspaket ist sicherlich kein Anlassgesetz, ich will das schon seit März, da war von Wahlkampf noch keine Rede. Der aktuelle Fall in Linz zeigt aber, dass der Verdächtige unzählige Telefonate mit Wertkartenhandys geführt hat". Den Mord hätte man mit dem Sicherheitspaket vermutlich nicht verhindern können, denn "es verhindert nicht alles, aber es begrenzt vieles. Und vielleicht hätten wir doch vorher Hinweise bekommen."

Die FPÖ tobt

Der angebliche IS-Hintergrund rund um die Ermordung eines Paares in Linz am vergangenen Freitag lässt indes die politischen Wogen hochgehen. Die FPÖ-General Herbert Kickl sprach von "einem Beschwichtungsapparat statt einem Sicherheitsapparat", Heinz-Christian Strache forderte gar den Rücktritt des oberösterreichischen Landespolizeidirektors Andreas Pilsl. Der SPÖ-nahe Politologe Thomas Schmidinger zweifelte öffentlich einen IS-Hintergrund an: "Sollte Sobotkas Behauptung vom ,IS-Hintergrund’ stimmen, wäre dies der erste Mord des IS, bei dem Bekannte des Täters getötet werden, zu dem sich der IS nicht bekennt und bei dem sich der Terrorist danach in eine Polizeistation begibt und sich brav anstellt um sich selbst anzuzeigen."

Auf Arabisch

Laut KURIER-Informationen dauerte es jedenfalls bis Mittwoch bis zwei Laptops und ein Handy des verdächtigen Mohamed H. (54) ausgewertet waren. Da die Kommunikation in arabischer Sprache ablief, mussten die Eintragungen in soziale Medien erst übersetzt wurden. Erste Ergebnisse bekamen die Beamten am Dienstag. Ob es einen unmittelbaren Kontakt des Mordverdächtigen mit dem IS gab, ist unklar. Dagegen spricht, dass es bisher keine Bekennerschreiben der Terrororganisation zu dem Mord gibt.

Eigentlich wollten die Kriminalisten in Ruhe ermitteln, erste Ergebnisse sickerten aber zur FPÖ durch. Sobotka, der am Mittwoch informiert wurde, setzte daraufhin eine Pressekonferenz an. Da er am Donnerstag nach Estland musste, sollte das rasch über die Bühne gehen. Dass er bereits nach kurzer Zeit auf das Sicherheitspaket kam, war laut Insidern auch der Tatsache geschuldet, dass es sonst wenig Neuigkeiten zu dem Fall gab.

"Das ist Semantik"

"Ich wollte nicht Spekulationen Tür und Tor öffnen", schilderte der Innenminister telefonisch aus Estland, da er am Donnerstag bei Innenministerrat in Tallinn weilte. Er betonte, dass es einen "eindeutigen IS-Hintergrund" gibt. Ob er den Doppelmord als Terror qualifizieren würde, beantwortete Sobotka so: "Das ist Semantik. Fest steht, dass er sich über soziale Medien radikalisiert hat."

Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, warnte vor voreiligen Schlüssen. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Tat und dem IS-Hintergrund gibt, sei noch unklar. Derzeit würden rund 700 Kontakte von H. überprüft werden. Wenig Auskunft gibt es von der eigentlich zuständigen Staatsanwaltschaft Linz. Ein Bericht über die jüngsten IS-Erkenntnisse sei vorerst noch nicht bei der Staatsanwaltschaft eingelangt, berichtete Sprecherin Elisabeth Tavanaro. Sie konnte noch nicht sagen, ob Mohamed H. mit den IS-Erkenntnissen schon konfrontiert worden war.

Der oö. Landtag gab am Donnerstag eine einstimmige Erklärung gegen Gewalttaten – egal ob politisch, religiös oder anderweitig motiviert – ab.

Betroffenheit und Emotionen bestimmen die Gefühle vieler Kunden und Passanten im kleinen Einkaufspark Biesenfeld im Linzer Stadtteil Dornach. Vielen von ihnen war der mutmaßliche Doppelmörder und IS-Sympathisant Mohamed H. als Verkäufer eines kleinen, hier ansässigen Bio-Ladens bekannt.

In seinem Geständnis soll er angegeben haben, die Tat aus Hass auf die FPÖ verübt zu haben. Der Sohn arbeitet in einer Abteilung, die FP-Landesrat Manfred Haimbuchner untersteht. Die Meldung, dass der 54-jährige Lebensmittellieferant auch noch ein radikaler Islamist sei soll, lässt den Schock vom Wochenende wieder aufleben.

"Eine traurige Nachricht, eine furchtbare Gewalttat", kommentiert ein Passant die jüngsten Erkenntnisse. Eine junge Mutter ruft einer Reportergruppe beim Vorbeifahren zu: "Lassen Sie die arme Frau in Ruhe". Gemeint ist die Frau des tatverdächtigen 54-jährigen Tunesiers, die den kleinen Bio-Laden schon seit vielen Jahren führt. Bekleidet mit Kopftuch und langem Kleid wehrt sie Journalistenfragen ab und verbietet den Zutritt zum Laden.

Das Geschäft wird nur spärlich von Kundschaft besucht. Manche berichten, dass sich die Frau über brutale Anreden von Passanten beklagt habe. Eine Anrainerin, die ihr Fahrrad schiebt, zeigt kein Verständnis. "Diese Frau tut mir nicht leid, wenn sie sich so einen Mann nimmt. Er hat sie gezwungen zu seinem Glauben überzutreten und das Kind ebenso." Anders ein Trafikant. Mit Mohamed H. habe er nie Probleme gehabt. "Er war nett und hat im Winter sogar vor meinem Geschäft Schnee geräumt."

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