Ines Vukajlović ist seit 2021 Landtagsabgeordnete der Grünen. Die 32-jährige Welserin kandidiert auf dem dritten Platz der Bundesliste für die Wahl zum Europaparlament, die am Sonntag, den 9. Juni stattfindet.
Sie hat an der Universität Wien Politikwissenschaften und transkulturelle Kommunikation studiert. Ihren Master hat sie in Amsterdam zum Thema Migration und ethnische Studien gemacht. 2017 hat sie ihre Tätigkeit beim Land Oberösterreich aufgenommen, zuerst im Büro von Landesrat Rudolf Anschober, dann in der Integrationsstelle des Landes.
KURIER: Sie sind seit zweieinhalb Jahren Mitglied des Landtages, warum kandidieren Sie nun für das Europäische Parlament?
Ines Vukajlović: Ich sehe, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit – wie den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz – nur auf europäischer Ebene lösen können.
Ich bringe aufgrund meiner persönlichen Biografie und meiner beruflichen Arbeit das Wissen mit, dafür zu arbeiten, die Europäische Union weiter zu verbessern.
Werden Sie tatsächlich ins Europäische Parlament wechseln, wenn Sie gewählt werden? Oder bleiben Sie doch im Landtag?
Selbstverständlich. Ich will das wichtige dritte Mandat holen und für Europa arbeiten.
Es gibt von verschiedenen Gruppen starke Kritik am Green Deal. Die Bauern haben beispielsweise europaweit dagegen demonstriert. Vor allem der bürokratische Aufwand wird kritisiert.
Der Green Deal ist ein wichtiger Schritt. Wir müssen Richtung Klimaneutralität gehen. Er definiert, wie wir diese Transformation in den großen Bereichen Wirtschaft, Industrie, Verkehr, Mobilität und in sozialen Belangen schaffen. Wir müssen an ihm festhalten, auch wenn man darüber diskutieren kann, wie man Dinge besser machen kann.
Die Proteste der Bauern sehe ich ebenfalls zweigeteilt. Ich verstehe es, wenn sie sich für faire Preise einsetzen. Der Druck kommt vom Markt, vom Handel, die Bauern müssen dem Konsumenten ihre Produkte immer billiger anbieten. Die Proteste von Brüssel und in Deutschland haben sich allerdings nicht auf Österreich übertragen, weil wir hier andere Verhältnisse haben. Wir haben hier hohe ökologische Standards. Es würde den Bauern helfen, wenn es diese Standards überall in Europa gäbe. In Brüssel hat eigentlich die Agrarindustrie protestiert.
Aber auch die hiesigen Bauern beklagen die Zunahme der Vorschriften aus Brüssel. Sie sagen, es wird zunehmend uninteressant, auch aus finanziellen Gründen, Landwirtschaft zu betreiben.
Ich kann das verstehen. Die Frage ist immer, wie kann man Richtlinien erlassen, ohne dass es bürokratisch überbordend wird? Mein Kollege Thomas Waitz ist grüner EU-Abgeordneter und Biobauer in der Steiermark. Er bespricht mit den Bauern genau diese Kritik. Das gemeinsame Ziel sind gute Umweltstandards mit weniger Bürokratie.
Es gibt Bauern, die behaupten, dass die Grünen ihre größten Feinde seien.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Denn Bauern und Grüne haben das gemeinsame Ziel einer Landwirtschaft, die in einigen Jahrzehnten auch noch funktioniert. Dass wir ertragreiche Böden und sauberes Wasser haben, dass wir die Lebensmittel fair und biologisch herstellen, damit die Menschen davon leben können.
Das Problem ist, dass beim Einkauf der weitaus größte Teil der Konsumenten zu den billigen Produkten greift, und nicht zu den teureren biologischen. Wie kann man das lösen?
Es braucht noch mehr Bewusstsein dafür, wie viel Arbeit der Bauern und Bäuerinnen hinter den regionalen und saisonalen Produkten steckt. Man muss sich auch überlegen, wen man fördert. Fördert man die kleinteilige Bauernschaft oder steckt man die Subventionen in die riesige Agrarindustrie, die eigentlich Monopole sind? Wir wollen die Förderstruktur ändern.
Die Agrarindustrie sollte nicht mehr gefördert werden, weder national noch auf EU-Ebene?
Nicht ganz streichen, wir müssen umverteilen. Wollen wir kleinen Betriebe unterstützen oder die großen, die die kleinen verdrängen?
Die Konservativen stellen nun im EU-Wahlkampf das Pkw-Verbrenner-Aus für 2035 infrage. Landeshauptmann Thomas Stelzer fordert Technologieoffenheit, es soll auch Antriebe mit E-Fuels und Wasserstoff geben.
Es gibt eine klare Entscheidung der EU-27, dass es dieses Aus braucht. E-Autos sind die Zukunft, wir sind in der Entwicklung hier noch lange nicht fertig. Oberösterreich ist ein Flächenbundesland, wo wir unterschiedliche Mobilitätsformen brauchen. Vor allem auch den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Wir müssen in Richtung Klimaneutralität gehen.
Was sind die wichtigsten Herausforderungen für die nächsten fünf Jahre auf europäischer Ebene?
Das Wichtigste ist die Weiterentwicklung des Green Deal. Die Klimaneutralität ist das Ziel, wir haben weitere Ziele im sozialen Bereich wie die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, auch am Arbeitsmarkt. Die EU kann ein Taktgeber sein, wie unsere Wirtschaft und unser Wohlstand aussehen können, die EU kann den Nationalstaaten helfen, dass wir in eine klimagerechte Zukunft gehen.
Wie ist Ihre Meinung zu den Pelletsheizungen? Der grüne deutsche Wirtschaftsminister Habeck wollte sie ursprünglich verbieten, gab aber in der Koalitionsdiskussion nach, das deutsche Umweltbundesamt beurteilt sie wegen der Luftschadstoffe weiterhin negativ. Für Klimalandesrat Stefan Kaineder ist Oberösterreich das Silicon Valley der Pelletsindustrie.
Es ist wichtig, in den nächsten Jahren möglichst schnell von den fossilen Brennstoffen wegzukommen. Dabei helfen natürlich auch Pelletsheizungen. Wir sollten zu den erneuerbaren Energien kommen, wie die Windenergie, die Wasserkraft oder Solarenergie. Wir haben es in den vergangenen 20 Jahren versäumt, uns vom Gas und fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.
Europa ist durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Soll es eine gemeinsame europäische Armee geben?
Es soll eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik geben. Einigkeit ist das wichtige Bollwerk nach außen. Als neutrales Land sollte Österreich besonderen Fokus auf humanitäre Hilfen und Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsdiensten legen.
Wäre man Zyniker, müsste man sagen, die Erkenntnisse der Sicherheitsdienste landen aufgrund von Spionage sofort in Moskau.
Das ist natürlich unsäglich und gefährlich. Deshalb ist es so wichtig, wie die Menschen bei den Wahlen zur EU und zum Nationalrat abstimmen. Die Menschen sollen überlegen, ob sie die Grünen oder die FPÖ und damit den verlängerten Arm von Putin im Parlament stärken wollen. Es liegt mir am Herzen, dass die Menschen die EU-Wahl ernst nehmen und wählen gehen. Sie ist eine Richtungsentscheidung.
Wer Kickl wählt, wählt Putin, populistisch formuliert?
Den Wählerinnen und Wählern muss bewusst sein, dass die FPÖ einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei einiges Russland abgeschlossen hat.
Wie soll die EU mit Putin umgehen?
Es ist gut, dass es Sanktionen gibt. Es gibt gezielte russische Propaganda, um die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu destabilisieren. Da müssen sich Österreich und die EU dagegenstellen. Die Grünen treten für eine andere Politik ein, für Menschlichkeit, für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Klimaschutz. Es ist wichtig, den Menschen ein Zukunftsbild der Hoffnung aufzuzeigen, positive Ansätze, dass es eine gute Zukunft gibt. Die Jungen brauchen in Zeiten multipler Krisen Zukunftsmodelle.
Die Grünen haben im EU-Parlament gegen den Asylkompromiss gestimmt, die deutschen Grünen haben in der Regierung dafür gestimmt. Wo stehen Sie?
Beim Asylpakt ist es nur mehr darum gegangen, noch vor der EU-Wahl etwas zu beschließen. Es ging weniger darum, ob das Beschlossene umsetzbar ist. Es waren Verschlechterungen enthalten, das war der Grund, warum die Grünen in acht von zehn Punkten dagegen gestimmt haben. Zum Beispiel gegen die haftähnlichen Lager an den EU-Außengrenzen.
Wie soll die EU mit China umgehen? Firmen wie Fronius sind mit massiver Konkurrenz bei den Wechselrichtern konfrontiert, weil China diese staatlich subventioniert. Bei Fronius gibt es deswegen nun Kurzarbeit, die Mitarbeiter zahlen die Rechnung.
Hier ist es ein großer Vorteil, dass Österreich Teil der EU ist, denn nur ein globaler Player kann sich dieser Konkurrenz stellen. Es ist wichtig, dass wir in die erneuerbaren Energien investieren und dass wir möglichst viel in Europa produzieren. Und so unabhängiger werden. Und wenn wir die erneuerbaren Energien haben, sind wir insgesamt unabhängiger.
Das bedeutet, dass wir unsere Märkte gegen unlauteren Wettbewerb schützen müssen.
Daher ist auch das Lieferkettengesetz so wichtig. Es hält billige Massenware, die Umwelt- und Sozialstandards nicht erfüllt, vom heimischen Markt fern und hilft so gerade den kleinen mittleren oberösterreichischen Unternehmen. Die EU muss ganz stark in Innovation investieren. Das Bekenntnis zur erneuerbaren Energie muss auch politisch halten und darf nicht ständig infrage gestellt werden.
China verletzt im Umgang mit demokratischen Initiativen und bei den Minderheiten wie den Tibetern und Uiguren die Menschenrechte. Der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation im EU-Parlament, spricht von Genozid.
Es braucht eine konsequente Haltung. Es muss möglich sein, mit einem Land wirtschaftliche Beziehungen zu unterhalten und gleichzeitig zu kritisieren, dass die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Der Umgang Chinas mit den Uiguren ist eine Katastrophe.
VW steht wegen eines Produktionswerks dort in starker Kritik.
Ich finde es für sehr problematisch, wenn man das weiß und dort trotzdem weitermacht. Man muss hinschauen und Konsequenzen ziehen.
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