Wie die größten Ölkonzerne vom Klima-Leugnen zum "Täuschen" übergingen

Ölplattform vor der Küste der USA
Sie wissen es seit Jahrzehnten: Die großen Öl- und Gaskonzerne dieser Welt haben seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts Kenntnis davon, dass der Treibhausgasausstoß fossiler Brennstoffe das Klima verändert, dass dadurch die Temperaturen steigen und insgesamt verheerende Folgen nach sich zieht. Dieses Wissen wurde bewusst und mit teils großem Aufwand verschleiert. Als US-Medien vor acht Jahren Dokumente in die Hände bekamen, die nachwiesen, dass die multinationalen Öl- und Gasfirmen gezielt die Öffentlichkeit täuschten, um wissenschaftliche Befunde zu verwässern, war der Aufschrei groß.
Der US-Kongress hat diese Woche nach jahrelangen Untersuchungen einen Bericht vorgelegt, wie "Big Oil" vorgeht – und zog verheerende Bilanz. "Immer und immer wieder kommt es vor, dass die größten Öl- und Gaskonzerne öffentlichkeitswirksam das eine sagen, aber dann etwas ganz anderes tun, um ihre Gewinne zu schützen", empörte sich Jamie Rankin, demokratischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Der Bericht stützt sich auf Hunderte Dokumente, die beweisen, wie die Konzerne daran arbeiten, ihr Image als klimabewusste Konzerne aufzupolieren, während sie hinter den Kulissen mit aller Kraft gegen die Klimapolitik vorgehen.

Ölpumpen in Texas
Den Klimawandel offen zu leugnen – das kann sich in der Ölbranche kein Konzern mehr leisten. Aber jetzt, sagt der demokratische Senator aus Rhode Island, Sheldon Whitehouse, "mussten die Big-Oil-Firmen vom Leugnen zur Doppelzüngigkeit übergehen." Die Konzerne würden ihr Image auf Grün polieren, während sie hinter den Kulissen gegen klimafreundlichere Vorgaben kämpften.
Rekordhoch bei CO₂-Emissionen
Die CO₂-Emissionen, die weltweit auf das Konto fossiler Energierohstoffe gehen, haben im Vorjahr ein Rekordhoch erreicht. Das geht aus der neuen Bilanz des Global Carbon Projects (GCP) hervor, einem Zusammenschluss internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Doch so fatal für die Umwelt, so lukrativ ist das Geschäftsmodell der Energieunternehmen: Die fünf größten westlichen Ölkonzerne haben seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor zwei Jahren enorme Gewinne erzielt. Unglaubliche 281 Milliarden US-Dollar (261 Milliarden Euro) haben Shell, BP, Chevron, ExxonMobil und TotalEnergies vom zweiten Quartal 2022 bis zum vierten Quartal 2023 eingestreift, ergab eine Auswertung der NGO Global Witness.
40 Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen stammen aus der Energie und Wärme-Gewinnung.
100 Konzerne
sind für 70 Prozent des weltweiten, industriellen CO2-Ausstoßes verantwortlich: Die größte Co2-Schleuder dabei ist China Shenhua Energy - der größte chinesische Kohlekonzern ist allein für 14,32 Prozent der industriellen Treibhausgase verantwortlich. Dann folgen der saudische Ölkonzern Aramco (4,5%), die russische Gazprom (3,91%), die National Iranian Oil Co. (2,28%) und Exxon (1,98%) sowie Coal India (1,87%). Auf Shell kommen 1,67 % des Ausstoßes.
So bekannte sich etwa der BP-Konzern öffentlich dazu, die CO₂-Emissionen zu senken. Firmeninterne Papiere aber halten fest, dass dieses Ziel zumindest bis zum Jahr 2018 nicht zu erreichen gewesen sei und dass man gegen die Staats- und lokale Politik opponieren wolle. Allein im Bundesstaat Washington plante der Konzern "zwischen 2,5 und 4,5 Millionen Dollar für harte Überredungstaktik" auszugeben – im Sinne von: BP versuche alles, um die Klimavorgaben zu erfüllen.
Auch Chevron lobte das Pariser Klimaabkommen, gab aber intern zu, man hoffe auf die Trump-Administration: Dann müssten diese Ziele ohnehin nicht erreicht werden – der EX-US-Präsident schoss die USA später tatsächlich aus dem Pariser Abkommen hinaus. Interne Dokumente, die die US-Abgeordneten einsehen konnten, belegten zudem, dass Chevron keinen wirklich ernsthaften Kurswechsel Richtung Klimapolitik vollziehen wollte.
Senatoren fordern Schadenersatz für Klimawandel
Der Report des US-Kongresses stützt sich auf jahrelange Recherchen und wissenschaftliche Untersuchungen. Dennoch haben die fünf untersuchten Ölkonzerne Exxon, Chevron, Shell, BP und API die vollständige Zusammenarbeit mit dem Kongress verweigert, mehr als 4.000 Dokumente wurden trotz Gerichtsstrafen nicht an die Politiker übergeben. Mehrere Senatoren forderten nun, dass die Industrie für die Verursachung der Klimakrise Schadenersatz zahlen müsse.
Bei den Republikanern im Kongress stieß der Bericht hingegen auf wenig Gegenliebe. Fossile Brennstoffe seien für die Energiesicherheit in den USA unverzichtbar, meinte etwa ein Abgeordneter. Noch weiter ging der Senator von Wisconsin, Ron Johnson, der behauptete: CO₂ sei "Pflanzennahrung" und habe somit auch positive Aspekte.
Diese höchst streitbare Behauptung wird seit langem von Lobbyisten und Thinktanks vertreten, die von der fossilen Brennstoffindustrie finanziert werden und darauf abzielen, Zweifel am Klimawandel zu säen. "Ich bin kein Leugner des Klimawandels, ich bin nur kein Klimawandel-Alarmist", fügte Johnson hinzu.
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