Gewaltaufruf gegen Ministerin Zadić: Psychotherapeut vor Gericht
"Alma Zadić kommt nach Wels", bewarben die Grünen Oberösterreich den Auftritt ihrer Justizministerin im Zuge des Nationalratswahlkampfes, der für 3. September geplant war, auf der Internetplattform Facebook.
Bei dieser Tour wollte sich Zadić auch in Wels im Vorfeld des damals gerade laufenden Nationalratswahlkampfes dem "Kampf gegen Hass und Hetze und für ein gutes Miteinander" widmen. Damit dürften die Grünen den Nerv eines Psychotherapeuten getroffen haben.
"Kommt mit Stichwaffen"
Denn der 57-Jährige soll die Werbung der Grünen auf Facebook mit einem Kommentar versehen haben, der genau in die Kategorie Hass und Hetze im Netz fällt. "Bitte kommt mit Stichwaffen, Klingen nur bis 10 cm !", soll er unter die Meldung der Grünen gepostet haben.
Dieses Posting wurde von den Grünen Oberösterreich entdeckt, gelöscht und sofort an den Verfassungsschutz in Oberösterreich gemeldet. Von dort dürfte es an die Staatsanwaltschaft Linz gelangt sein, diese hat Ermittlungen aufgenommen und jetzt Anklage erhoben.
Der Mann muss sich am 21. November wegen "Aufforderung einer breiten Öffentlichkeit zu einer mit einer Strafe bedrohten Handlung" verantworten.
Ihm droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.
"Wichtig, dass Ermittlungsbehörden sich mit diesen Fällen befassen"
Ursula Roschger, Landesgeschäftsführerin der Grünen, stellt dazu klar: "Verbale Gewalt ist ein Gift. Es hat in der Politik nichts zu suchen. Nicht in der täglichen politischen Auseinandersetzung und auch nicht in Zeiten des Wahlkampfs. Worten des Hasses müssen wir uns gemeinsam und konsequent entgegenstellen, bevor diese zu Taten werden."
Deshalb sei es wichtig und richtig, dass sich die Ermittlungsbehörden auch mit diesem konkreten Fall befassen und damit einmal mehr zeigen, "dass solche Wortspenden nicht nur unsäglich sind, sondern auch Konsequenzen haben".
Hass im Netz: 1.824 Meldungen
Hass im Netz und Hate-Speech in sozialen Medien sind ein Thema, das immer stärker im Vormarsch ist. Der Verein Zara hat deshalb für persönlich Betroffene die Beratungsstelle #GegenHassimNetz eingerichtet.
1.824 Hass-Meldungen sind etwa von September 2022 bis August 2023, dem jüngsten vorliegenden Bericht, bei der Stelle eingegangen, heuer werden es mit 1.883 ein wenig mehr sein. Rund 40 Prozent davon werden als (straf-)rechtlich relevant eingeschätzt - wie jenes gegen Zadić und die Veranstaltung der Grünen.
Viele von Hassnachrichten betroffen
Seit Einrichtung der Meldestelle im September 2017 sind über 13.000 Online-Hass-Meldungen eingelangt. Fiorentina Azizi-Hacker, Leiterin der Beratungsstelle gegen Hass im Netz, weiß, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist: "70 Prozent aller jungen Mädchen haben laut einer Studie schon Hassnachrichten erhalten."
"Bis sich jemand bei uns meldet, ist der Leidensdruck schon sehr hoch und die Leute halten es schon nicht mehr", sagt Azizi-Hacker. Zwischen den Meldungen, den Anzeigen und den Verurteilungen wegen dieser Delikte klafft ein großes Loch. Die Expertin weiß, warum: "Viele wollen nur, dass es aufhört."
Eine Anzeige führe zu weiteren belastenden Situationen: Einvernahmen bei der Polizei und vor Gericht, das meist zu einem Treffen mit der Person, die die Hass-Postings abgesetzt hat, führt.
Postings sichern und melden
Eine Meldung bei Zara ist aber in vielfacher Hinsicht sinnvoll, sagt Azizi-Hacker. Das Thema werde sichtbarer und die Betroffenen würden psychologische, finanzielle und juristische Unterstützung erhalten: "Aber als erstes hören wir den Menschen, die sich an uns wenden, einmal zu."
Jedenfalls erfolge eine rechtliche Abklärung, ob die Nachrichten strafrechtlich oder zivilrechtlich relevant sind. Dazu sei es wichtig, allfällige Postings per Screenshot zu sichern, ebenso die dazugehörenden Links. Das mache eine Verfolgung zumindest einfacher.
Anklagen, wie im vorliegenden Fall, oder Verurteilungen, würden abschreckend wirken, meint die Experten. Etwa das OGH-Urteil, nach dem jeder Beteiligte an einem Shitstorm als Einzelner mitverantwortlich gilt.
Noch wichtiger sei aber Prävention, die im Bildungswesen ansetzen müsse, ebenso seien Infokampagnen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, sinnvoll.
Dass Behörden bei der Strafverfolgung nachbessern könnten, sagt Azizi-Hacker auch. Der "Digital Services Act" sei jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, man müsse aber noch abwarten, ob dieser tatsächlich wirkt. Die Polizeiarbeit werde besser, allerdings bedürfe es auch innerhalb der Exekutive besser ausgebildetes Personal zur Ermittlung in diesen meist hochkomplexen Verfahren.
Gleiches gelte für Richter und vor allem Staatsanwälte. Laut Azizi-Hacker wären gut in diesem Bereich ausgebildete Staatsanwältinnen und -anwälte, die ausreichend Ressourcen zur Verfolgung von Hass-im-Netz-Delikten haben, wünschenswert.
Die Veranstaltung selbst ist dann übrigens höchst friedlich abgelaufen, wie die Welser Grünen auf ihrer Website berichten.
Friedvoller Rundgang durch Wels
Der Besuch begann mit einem Rundgang durch die Justizanstalt, danach verteilte Zadić Flyer in der Innenstadt und gönnte sich ein Eis in einem Eissalon, wo sie sich mit Mitgliedern des Bosnischen Kulturvereins austauschte.
Ihr Resümee nach dem Tag in Wels: "Die vielen schönen und spannenden Gespräche mit den Welserinnen und Welsern zeigen eines – sie wollen alle eine gute Zukunft für ihre Kinder und Enkelkinder. Eine Zukunft in der jedes Kind Chancen bekommt und so wie wir in einer intakten Natur aufwachsen kann.“
Und auch die Welser Grünen waren von "ihrer" Ministerin begeistert: "Es bedeutet uns sehr viel, dass sich Alma die Zeit für uns in Wels genommen hat. Die Stimmung in der Innenstadt war großartig, und viele haben sich gefreut, die Ministerin persönlich zu treffen.“
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