Berufsschule 7, Ferihumerstraße in Linz: 26 Einzelhandel-Lehrlinge, 17 davon Mädchen, haben heute einen anderen Lehrer, als sonst. Franz Raffaseder steht vorne, er ist Rechtsanwalt in Freistadt, seine Kanzlei hat eine Sprechstelle in der Linzer Tabakfabrik.
Und er unterrichtet sporadisch in oberösterreichischen Schulen. Seit Herbst läuft das Projekt der OÖ Rechtanwaltskammer mit der Bildungsdirektion. Es heißt "Prävention gegen Hass im Netz", und es erreicht junge Menschen. Viele junge Menschen.
320 Klassen an mittlerweile 100 Schulen haben diesen Workshop gebucht und bereits absolviert. Tendenz steigend, denn die Nachfrage ist ungebrochen und soll von den 7. bis 9. Schulstufen auf weitere Jahrgänge ausgerollt werden.
In Linz lassen die Schülerinnen und Schüler an diesem Vormittag den grandiosen Ausblick aus dem Klassenzimmer über die Donau links liegen. Sie folgen gebannt den Ausführungen des Anwalts. Obwohl diese gespickt sind mit Gesetzen und Gesetzestexten.
Thema betrifft "uns alle"
Mit offenbar hilfreichen Inhalten und Tipps. Etwa: Hasspostings nicht ignorieren, melden, Unterstützung holen, selbst nicht hetzen. Und auch Postings sichern, wenn man betroffen, ist, um gegen Hassposter vorzugehen - etwa auf netzbeweis.com.
Denn, und das bestätigen Isabella Moser (17), Christoph Tuma-Seiser (18, beide aus Steyr) und der Linzer Kaan Özcan (21) nach dem Workshop: "Das Thema betrifft uns alle."
Isabellas Freundin etwa wird regelmäßig auf Tiktok geshamed. "Ich habe auf Tiktok kommentiert, dass sie damit aufhören sollen", schildert die junge Berufsschülerin, "und ich habe es auch in der Schule gemeldet."
Hass im Netz als große Belastung
Die Freundin ist jetzt in Therapie. Ein anderer Freund hat nach Mobbing-Vorfällen wegen seiner Transsexualität die Klasse gewechselt. "Es ist viel ärger geworden in der letzten Zeit", weiß auch Kaan Özcan. Der 21-Jährige denkt kurz nach. "In den letzten fünf Jahren sind die Hasskommentare stark gestiegen", resümiert er, "das belastet viele junge Leute."
Er selbst hat früher mindestens fünf Stunden im Internet auf diversen Plattformen verbracht. "Jetzt habe ich das Handy fast nur noch, um damit zu kommunizieren."
Er selbst hat mehrmals Hassposter gemeldet, "wenn ich etwas gesehen habe". Und er hat häufig etwas gesehen: "Das kommt laufend in allen Netzwerken vor." Deshalb hält er diese Workshops der Rechtsanwälte für so wichtig.
"Das Thema muss noch viel öfter angesprochen werden", ist er überzeugt, "wir sollten alle unsere Rechte besser kennen." Niemand solle Angst davor haben, darüber zu sprechen, wenn er Hass im Netz konfrontiert sei. Vor allem in Schulen. Aber auch da komme es häufig vor, dass Lehrerinnen und Lehrer nicht entsprechend unterstützend wirken, wissen die drei aus ihrem Umfeld.
Und aus eigener Erfahrung. Christoph war in der Hauptschule selbst betroffen. "Ich habe mir oft blöde Sprüche anhören müssen", blickt er zurück, "es ist traurig, dass das mit Hasspostings jetzt noch ärger wird. Das ist fast schon Normalität geworden."
Sollten junge Menschen weniger Zeit im Internet verbringen? Und sollten Handy oder zumindest der Zugang zu Sozialen Medien beschränkt werden? Von den drei Jugendlichen kommt kein kategorisches Nein, im Gegenteil.
"Eine striktere Handyregelung wäre auf vielen Ebenen sinnvoll", legt sich Kaan fest. Und Christoph ergänzt: "Kids schauen sich schön mit 10, 12 Jahren die ärgsten Sachen auf Tiktok an und machen den Blödsinn dann nach." Nur eines geht nicht: Das Handy ganz verbieten. Isabella: "Das brauche ich, um meine sozialen Kontakte halten zu können."
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