OÖFB-Präsident: Milletich spaltet und ist autokratisch
Gerhard Götschhofer ist seit 2013 Präsident des oberösterreichischen Fußballbundes. Er ist emeritierter (pensionierter) Rechtsanwalt aus Vorchdorf. Die Kanzlei wird von seiner Frau und einem jungen Partner weitergeführt („ich leiste noch Hilfsdienste“). Der 64-Jährige ist auch Stellvertreter von ÖFB-Präsident Gerhard Milletich.
KURIER: Wer wird Weltmeister?
Gerhard Götschhofer: Mein Favorit ist Frankreich. Das Team hat rund 20 Weltklassespieler. Die ersten Tage haben gezeigt, dass die Europäer mehr Probleme haben als andere Nationen. Es ist durchaus möglich, dass es eine Überraschung gibt.
Wie sehen Sie die Diskussionen um die Korruption in der FIFA und um den Austragungsort Qatar?
Sie sind berechtigt und notwendig, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Sport mithelfen müsste, die Welt ein bisschen zu verbessern. Russland (WM 2018, Winterolympiade 2014) und China (Winterolympiade 2022) waren bereits Austragungsorte, die mehr sportpolitischen Widerstand verdient hätten.
Die Diskussion um Qatar hat vor 15 Jahren begonnen, der Widerstand ist leider erst jetzt groß geworden. Nun konnte man kaum mehr etwas bewirken, aber die Diskussionen sind trotzdem gut, um in Zukunft Veränderungen herbeizuführen.
Der entscheidende Faktor, den FIFA-Präsident Giovanni Vincenzo Infantino immer wieder ins Treffen führt, ist das Geld. Die Milliardengewinne der FIFA steigen und steigen, Infantino lässt den nationalen Fußballverbänden immer mehr Geld zukommen. So sichert er sich seine Unterstützung. Spielt das Geld auch im oberösterreichischen Fußball eine immer stärkere Rolle?
Geld spielt in unserer Gesellschaft immer mehr eine Rolle. Der Sport und der Fußball können sich davon nicht abkapseln. Man ist gewohnt, über eine immer bessere Infrastruktur zu verfügen. Die Umkleidekabinen und Sportplätze lassen sich mit der Zeit vor 50 Jahren, als wir gespielt haben, ich war Tormann in Vorchdorf, nicht vergleichen. Geld war gerade in den vergangenen Wochen wichtig, weil die Betriebskosten gestiegen sind.
Der Fußball bewegt sich hier im Gleichklang mit der gesellschaftlichen Entwicklung. Wir werden uns wahrscheinlich daran gewöhnen müssen, dass wir viele Dinge nicht so selbstverständlich in dem Ausmaß werden konsumieren können, wie wir das in den vergangenen Jahren gewohnt waren.
Also kleinere Brötchen backen.
Kleinere Brötchen, selbst etwas dazu beitragen, dass man Sport machen kann. Mehr Mithilfe. Nehmen wir die Nachwuchsarbeit als Beispiel. Sie bedarf eines enormen Aufwands an Betreuern, an Sportutensilien etc. Es gibt Eltern, die durch ihre Anwesenheit und ihr Engagement etwas dazu beitragen. Es gibt aber auch eine Gruppe von Eltern, die uns als Gratiskindergarten betrachten.
Der Verband hat in einer Agenda seine Schwerpunkte bis 2025 festgelegt. Hinter den verschiedenen Punkten steht offenbar die Sorge, dass dem Amateurfußball sowohl am Platz als auch bei den Funktionären das Personal ausgehen könnte. Ist das eine dramatische Entwicklung?
Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass es Vereine gibt. Ich bin optimistisch, dass sie in Zukunft wieder eine stärkere Rolle spielen werden, wenn sich die Menschen zum Beispiel einen Fitnessklub oder andere private Unterhaltungen nicht mehr leisten können. So wie es früher auch war, als die Leute gewusst haben, dass der Verein eine günstige Unterhaltung ist. Die Infrastruktur ist da, man braucht maximal Fußballschuhe. Man trifft sich, ohne dass man wegfahren muss.
Manche Vereine haben Probleme, genügend Spieler zu finden. Es gibt Vereinszusammenlegungen. Macht Ihnen das Sorgen?
Die Anzahl der Vereine ist mit 360 bis 395 seit Jahrzehnten in etwa gleich. Wenn man die neuen Trendsportarten berücksichtigt, dann glaube ich, dass andere Sportarten wesentlich stärkere Einbrüche erlitten haben, wie zum Beispiel Tennis. Der Fußball hält sich ganz gut. Ein Problem könnten allenfalls höhere Ansprüche an Infrastruktur und an den Betrieb sein.
Das Ehrenamt und das freiwillige Mithelfen wird immer weniger. Früher hatte jeder Verein einen ehrenamtlichen Platzwart. Jetzt muss jeder zweite Vereine für die Platzpflege zahlen, wenn nicht die Gemeinde dafür geradesteht. Ich rechne damit, dass es hier zu einem Wandel kommen wird.
Dem steht aber entgegen, dass Spieler bis ins Unterhaus hinunter von den Vereinen bezahlt werden. Früher haben alle Spieler ohne Geld gespielt.
Solange ich Fußball spielen will und kein Verein mich unbedingt haben will, zahle ich selbst dafür. Wenn ich begehrter bin, will ich etwas haben. So sollte es sein. Das ist der Markt, Angebot und Nachfrage. Das ist das Problem.
Ist es nicht ein Problem, dass in den unteren Klassen bereits Spieler bezahlt werden?
Das ist relativ. Ich war lange Zeit Vereinsobmann. Es ist eine Belastung für jeden Funktionär, wenn er Spieler engagieren soll, deren Forderungen oft nicht verständlich sind. Es obliegt dann einem selbst abzuwägen, ob der gesamte Verein durch den Erfolg zufriedener und glücklicher ist. Der fremde Spieler soll mithelfen, im Verein wieder eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen.
Wenn der Verein Meister wird, kommt er in einen Flow. Für sich alleine gesehen war es vielleicht falsch, dem einen Spieler etwas zu bezahlen. Aber dessen Tore bewirken viel Positives. Das ist die Versuchung, vor der jeder Funktionär steht.
Wird in den Vereinen den Spielern zu viel bezahlt?
Es wird zu oft zu Unrecht bezahlt. Wie das zum Beispiel in Stadl-Paura der Fall war. Oder in Vöcklabruck oder in Schwanenstadt. Das war auf Dauer nicht zum Durchhalten.
Bräuchten Sie mehr Geld von der öffentlichen Hand?
Die öffentliche Hand ist verpflichtet, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Der Verein ist für den Vereinsbetrieb verantwortlich.
Eine Zielgruppe in der Agenda 2025 sind die 65 Seniorenfußballer. Man will Spieler nach dem Ende ihrer Karriere länger an den Verein binden, damit sie als Funktionäre zur Verfügung stehen.
Früher sind die Spieler nach ihrer Aktivlaufbahn im Verein geblieben. Es ist aber dann in Mode gekommen, dass sie sich danach eine Trendsportart gesucht haben. Jetzt hoffen wir, dass wir mit der Verstärkung des Seniorenfußballs ehemalige Fußballer als Funktionäre einbinden.
Es gibt eine Diskussion um ÖFB-Präsident Gerhard Milletich. Vor allem um seine Privatfirma und die Ausnützung des Präsidentenamtes für die Requirierung von Inseraten. Ihre Äußerungen sind kritisch.
Ich bin sehr kritisch. Es geht weniger um Inserate an sich, sondern um das Verhalten des Präsidenten im ÖFB und im Präsidium, gegenüber einem Teil seiner Funktionärskollegen und einem Teil der ÖFB-Mitarbeiter.
Wie tritt er auf? Autoritär?
Er tritt autokratisch, beratungs- und kritikresistent auf. Damit forciert er eine Gruppenbildung und Spaltung. Er ist nicht bereit, sich dieser Kritik im Präsidium zu stellen.
Sie können ihn damit im Präsidium konfrontieren.
Genau das habe ich vor.
Wie reagiert er darauf?
Gar nicht. Ich habe das gesamte Präsidium für den 3. Dezember ins oberösterreichische ÖFB-Büro zur Aussprache eingeladen gehabt, nun wurde für den 8. Dezember eine außerordentliche Präsidiumssitzung anberaumt.
Was ist Ihre Erwartungshaltung?
Für mich ist das die letzte Gelegenheit, das intern und umfassend zu besprechen und aufzuarbeiten. Es geht weder um mich noch um den Präsidenten, sondern darum, dass der Präsident alles unternimmt, dass wir alle in eine Richtung ziehen. Und dass er von seinen öffentlichen Aussprüchen abrückt, wie er geht keiner Konfrontation aus dem Weg.
Die Inserate waren schon ein Anlass für die Diskussion. Ist das rechtlich bedenklich oder hat es moralisch einen schlechten Geruch?
Wir haben im ÖFB noch keine ausdrücklichen Compliance-Regeln. Es ist aber mittlerweile Stand der Moral in der Wirtschaft, dass Compliance nicht schriftlich vorgegeben sein muss, sondern man das lebt. Wenn der ÖFB-Präsident Sponsoren anspricht, auch in Bezug auf seinen Brotberuf, dann kann man verschiedene Meinungen haben.
Das macht man nicht.
Es darf auch erlaubt sein, dass man manchmal ungeschickt agiert. In diesem Fall soll er sagen, er werde sich bemühen, das abzustellen und er nehme zur Kenntnis, dass das nicht goutiert wird. Was macht er? Er behauptet, das, was der KURIER veröffentlicht hat, nicht stimmt, und er wolle die Zeitung klagen.
Das zeigt wiederum sein Verhalten. Es ist ihm egal, was alle anderen meinen, er klagt jeden, der so etwas behauptet. Diesen Umgang nehme ich als eines der zehn Mitglieder des Präsidiums nicht hin.
Sie als Anwalt würden ihm nicht raten, so einen Schritt zu tun?
Ich habe ihn ausdrücklich gefragt, welcher Satz im KURIER-Artikel falsch ist. Seine Antwort war, ich bin kein Jurist, darum kann ich das nicht sagen.
Wenn die Aussprache schiefgehen sollte, welche Konsequenzen wollen Sie ziehen? Werden Sie ihn zum Rücktritt auffordern?
Ich habe meine Gedanken, ich will dem nicht vorgreifen. Ich habe zu einem umfassenden Gespräch eingeladen. Meine ehrliche Hoffnung ist, dass alle sagen, jeder hat den anderen verstanden, ab nun geht es in eine Richtung.
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