Ist es ein Zufall, dass ständig Leute aus der Partei, aus dem CV, aus den engsten persönlichen Umfeld der Machthabenden immer die Bestqualifizierten sind? Die Antwort ist natürlich nein.
Jemand, der qualifiziert ist und außerhalb der Parteimaschinerie steht, wird es sich gut überlegen, ob er sich überhaupt beim Land OÖ bewirbt. Denn er weiß, das wichtigste Buch ist irgendwann das Parteibuch.
Die ÖVP macht also Postenbesetzungen nach dem Parteibuch, trotz Objektivierung?
Freilich. Das bezeichnet man gemeinhin als Freunderlwirtschaft. Den Überbegriff, den ich verwende, ist Gutsherrenmentalität. Das Land, das sind wir. Es gehört uns, wir verfügen darüber, manchmal gibt es Almosen. Oder Landespreise und Auszeichnungen, auch wenn man strafrechtlich verurteilt ist.
Das ist ein Habitus, eine Haltung, eine Denkweise, die vorgestrig ist und die die ÖVP überwinden muss. Wenn sich die Landeshauptmannpartei nicht grundlegend erneuert, ist das ein Schaden für unsere Demokratie.
Manche in der ÖVP wissen das. Sie ist kein geschlossener Block. Es gibt Kolleginnen und Kollegen in der schwarz-blauen Regierungskoalition, die das auch so sehen. Die sagen: „Wir müssen offener, transparenter und moderner werden. Und aufhören mit der Old-School-Politik.“ Sie sind aber offenbar in der Unterzahl.
Laut den kürzlich veröffentlichten Umfragen verliert die Landes-ÖVP an Stimmen, aber diese wandern nicht zu den Neos, sondern zur FPÖ. Warum ist das so?
Man muss zwei Dinge ändern. Das eine sind die dringenden Erfordernisse einer modernen Politik, die demokratischer und hygienischer sein muss. Das verlange ich von der ÖVP.
Das andere ist, wer gewählt wird. Ein starkes Wahlmotiv für jene, die von der ÖVP zur FPÖ wechseln, ist jene Politik, die vorher nur die FPÖ gemacht hat und unter Kurz die ÖVP übernommen hat: eine sehr harte, nicht an Lösungen, sondern am Knüppel-aus-dem-Sack orientierte Rhetorik in der Asyl- und Migrationsfrage. Der ÖVP fällt auch das Thema der strukturellen Korruption auf den Kopf.
Ihre Chefin Beate Meinl-Reisinger hat in der Asyl- und Migrationsfragen ebenfalls einen Kurswechsel vollzogen. Sie räumte beim Parteitag ein, dass sie wie viele ihre Einstellung seit 2015 zum Teil geändert habe.
Man müsse „wehrhafter Kante zeigen“, was Werte wie Freiheit und Pluralismus betreffe, allerdings auch ein „Chancenversprechen“ geben. Sie sagte: „Wir können uns keine offenen Tore leisten, das schaffen wir jetzt in diesen Krisenzeiten nicht“. Wie sieht hier Ihre Politik aus?
Ich sehe das nicht als Kurswechsel. Sie formulierte einen expliziten Gedanken, der bei uns schon immer gegeben war. Das wird jetzt so gedeutet, dass wir von der einen auf die andere Seite gewechselt sind.
Die Neos standen für eine liberale, offene Haltung. Jene, die kommen, muss man aufnehmen.
Das stimmt nicht. Wir sind eine liberale Rechtsstaatspartei. Wir wollen wissen, wer aller im Land ist, und wir sind für schnelle Asylverfahren. Das war auch ein Hauptkritikpunkt am größten aller Innenminister Herbert Kickl. Er hat das auch nicht in den Griff bekommen.
Wir waren in dieser Frage zu wenig klar. Das war von uns nicht richtig und hat uns bei der Landtagswahl 2015 geschadet.
Wofür stehen Sie?
Wir müssen erstens wissen, wer sich auf unserem Staatsgebiet aufhält. Wir müssen zweitens extrem schnell entscheiden, wer Asylstatus erhält und wer nicht. Asylverfahren von einem oder zwei Jahren darf es nicht geben, das muss in wenigen Monaten entschieden werden. Das ist eine banale Organisations- und Managementaufgabe. Ich würde drittens die Asylwerber sofort arbeiten lassen.
Der weitaus größte Teil der abgelehnten Asylwerber kann nicht abgeschoben werden. Teils nehmen sie die Ursprungsländer nicht mehr auf, teils sind es Kriegsgebiete oder Diktaturen. Was soll mit diesen Menschen passieren?
Diese Menschen sind nun einmal da, man soll sie bestmöglich integrieren und sie so bald wie möglich in den Arbeitsmarkt lassen. Die Zuwanderer müssen sich integrieren. Das ist eine Hol- und Bringschuld.
Das hat zur Konsequenz, dass jene, die es bis zur österreichischen Grenze schaffen, mit hoher Wahrscheinlichkeit im Land bleiben können, auch wenn sie abgelehnt werden. Das wird den Ansturm der Asylwerber nicht geringer werden lassen.
Wir sollten in der EU eine Solidarität zustande bekommen, wie wir die Asylwerber aufteilen. Das kann ich als Landespolitiker aber kaum beeinflussen.
Auf Bundesebene gibt es verschiedene Varianten einer Regierungskoalition nach der nächsten Wahl. Es braucht vermutlich eine Dreierkoalition. Da ist die Variante SPÖ-Neos-Grüne, dort die Variante FPÖ-ÖVP-Neos. Welche bevorzugen Sie?
Ich halte die FPÖ für nicht regierungsfähig, deshalb plädiere für eine Variante, die nicht die FPÖ inkludiert.
Wäre SPÖ-ÖVP-Neos eine Variante für Sie?
Es geht darum, worauf man sich inhaltlich einigen kann. Es gibt nun für uns eine Chance, die wir nützen werden müssen.
Warum gelingt es Ihnen nicht, von der schwächelnden ÖVP mehr Wähler zu lukrieren?
Wir schneiden bei Bundesumfragen mit rund zehn Prozent erheblich besser ab als in Landesumfragen. Da sind wir stabil bei fünf Prozent. Es liegt offensichtlich an der Bekanntheit.
Man wählt natürlich nur jemanden, den man schon einmal wo gesehen hat. Wenn man ein Jahr in der Landespolitik ist und kein Landesrat mit Hunderttausenden Euro an Inseraten- und Werbebudget, dann sind gute Politik und gute Ideen die einzige Möglichkeit bekannt zu werden. In fünf Jahren ist die nächste Wahl. Unser Ziel ist es, uns auf zehn Prozent zu verdoppeln und damit einen Sitz in der Landesregierung zu erobern.
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