"Drei Viertel weniger Fleisch, dafür das Vierfache bezahlen"
Michael Rosenberger (61), Vorstand des Instituts für Moraltheologie an der katholischen Privatuniversität Linz, brachte es auf den Punkt. „Ein Viertel von dem Fleisch essen, was man bisher gegessen hat, und dafür drei Mal so viel bezahlen.“
Franz Waldenberger (53), Biobauer und Präsident der Landwirtschaftskammer, ging noch weiter. „Ich würde sagen, ein Viertel essen und vier Mal so viel bezahlen, dann geht sich die Rechnung für uns Landwirte wieder aus.“
Sigrun Zwanzger, stellvertretende Geschäftsführerin des Welthauses Graz, erklärte warum. „Fleisch ist das einzige Lebensmittel, das seit den 1960er-Jahren nicht teurer geworden ist. In den 1970er-Jahren kostete ein Kilo Schweinsschnitzel 69 Schilling. Das sind fünf Euro. Heute ist es billiger. Es müsste – nur inflationsbereinigt – mindestens das Vierfache kosten. In diesem System gibt es ganz viele Verlierer und ganz wenige Gewinner.“ Zu den Verlierern gehörten zum Beispiel die Schweinebauern, deren Anzahl in der Steiermark von 22.000 im Jahr 1995 auf heute 5.000 gefallen ist.
40 Tage fleischlos?
Die katholische Männerbewegung hatte zur Online-Diskussion zum Thema „40 Tage fleischlos?“ (Fastenzeit) geladen. Fleischfasten sei nicht wirklich neu, meinte Rosenberger und verwies auf Bischof Basilius von Caesarea (4. Jh. n. Chr.), der gesagt habe, dass es eine schöne und sehr friedvolle Vorstellung sei, dass 40 Tage kein Tier geschlachtet werden müsse.
Reiche Länder dieser Erde essen viel Fleisch, arme Länder essen wenig, bei allen kulturellen Unterschieden, die es gibt. Der Österreicher verzehrt durchschnittlich 60 kg Fleisch pro Jahr, 20 kg würden reichen, so Rosenberger.
Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen würden weltweit für Nutztierhaltung direkt oder indirekt eingesetzt. „Wenn alle Menschen so viel Fleisch essen würden wie wir in den Industrieländern, dann bräuchten wir zwei bis drei Erden, um die dafür nötigen agrarischen Flächen zu haben.“
Die Preise, die momentan für das Fleisch bezahlt würden, würden es nicht zulassen, den Tieren mehr Raum und Auslauf zu geben. „Das würde die Produktion von Fleisch erheblich verteuern, das muss bezahlt werden von den Konsumenten.“
Fleischkonsum, so der Theologe, habe Auswirkung auf unser globales Klima. Weltweit würden 18 Prozent aller Emissionen der Tierhaltung zugerechnet, das betreffe nicht nur die Tierhaltung selbst, sondern auch die Futtermittelerzeugung. Hier widersprach ihm Bauernvertreter Waldenberger, der Wert in Mitteleuropa betrage zehn Prozent.
Männer essen doppelt so viel Fleisch wie Frauen
Fleischkonsum hat stark mit dem Geschlecht zu tun. Fleisch ist ein männliches Lebensmittel. Männer in den Industrieländern essen doppelt so viel wie Frauen. Das ist für Rosenberger eine kulturelle Prägung. Fleischessende Männer würden von Frauen attraktiver erlebt als salatessende Männer. Umgekehrt würden salatessende Frauen von Männern attraktiver bewertet als fleischessende Frauen.
Für Waldenberger ist die westliche Welt ist „eine sehr satte Gesellschaft, weil die Landwirtschaft sehr effizient geworden ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die große Herausforderung: „Wie können wir die Menschen satt machen? Univ. Prof. Wilhelm Windisch betont, diese Steigerungen sind leider nicht beim Bauern angekommen, sondern beim Konsumenten. Fleisch ist sehr billig geworden, weil man sich Produktionsmethoden hat einfallen lassen, um billig zu produzieren. Die Bauern konnten das nur durch Wachstumsschritte kompensieren, wenn sie ein entsprechendes Einkommen wollten.“ Jetzt denke die Gesellschaft darüber nach, ob das ethisch noch vertretbar sei.
Zielkonflikte
Fleisch sei ein sehr hochwertiges Lebensmittel, ein hochwertiges Eiweiß mit vielen Vitaminen und Mineralstoffen.
Waldenberger sieht in unserer Gesellschaft „sehr viele Widersprüche und Zielkonflikte. Einerseits will man mehr Weidehaltung, andererseits will die Gesellschaft, dass der Wolf wieder heimisch wird. Da sagen mir die Bauern aus den betroffenen Regionen: ‚Wie soll das funktionieren?‘“
95 Prozent Standardfleisch
Es gebe in Österreich zwar die verschiedensten Tierwohlprogramme, aber die Konsumenten entschieden sich zu 95 Prozent für standardisiertes Schweinefleisch, lediglich fünf Prozent würden zu Fleisch aus Tierwohlprogrammen greifen.
Wiederkäuer sind wichtig
Und er betont die Wichtigkeit der Wiederkäuer. „Wenn es sie nicht gibt, können wir Grünland nicht verwerten. In Österreich haben wir rund 60 Prozent absolutes Grünland. Das heißt, es kann nicht zu Ackerland gemacht werden. Wenn wir keine Wiederkäuer haben, dann können wir diese 60 Prozent aus der menschlichen Ernährung streichen.“
Hermann Neuburger (66) aus Ulrichsberg (Bez. Rohrbach) nahm ebenfalls an der Online-Diskussion teil. Er hat den Beruf des Fleischers gelernt. „Als die ersten Supermärkte gekommen seien, habe ich die Vision entwickelt, aus dem Neuburger einen österreichweiten Markenartikel zu machen, was ganz gut gelungen ist.“ Nach Forschung und Reisen habe er 2016 mit seinem Sohn die Produktlinie Hermann fleischlos gegründet. „Wir mussten die Linie nach dem Einmarsch in der Ukraine leider schließen, da sie von der Fleischproduktion finanziert worden ist. Wir haben damals nicht gewusst, wie es weitergeht.“ Inzwischen habe sich das Unternehmen konsolidiert, am 27. März wolle man als Hermann Bio wieder starten, mit einer völlig neuen Linie, mit einer neuen Idee.
Sigrun Zwanzger, stellvertretende Geschäftsführerin des Welthaus Graz, sprach vor alllem die globale Sicht an. „Das Fleisch, das wir in Österreich produzieren, produzieren wir auf Kosten von anderen Menschen, von anderen Regionen und auf Kosten des Klimas. Wir importieren zwischen 500.000 und 700.000 Tonnen Soja. Das mag nach nicht viel klingen, aber das ist ein Fünftel unserer Ackerfläche. Das hat mit unserem Fleischkonsum zu tun, der nicht gesund ist.“
Landkonflikte
Dieses Soja wachse in Argentinien, Brasilien und den USA. „2021 gab es allein in Brasilien dokumentierte Konflikte um zwei Millionen Hektar Land.“
Es würde sehr viel Gentechnik-Soja an die Schweine verfüttert, das unter massivem Pestizid-Einsatz produziert worden sei.Österreich importiere im EU-Vergleich trotzdem relativ wenig, weil es der viertgrößte Soja-Produzent in Europa sei.
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