Gasgräberstimmung in Molln: Ein Besuch auf der Bohrinsel
Und plötzlich steht er da, mitten in der Landschaft. Der Bohrturm, den die australische Firma ADX im oberösterreichischen Molln aufstellen hat lassen.
Über einen idyllischen Weg entlang der Krummen Steyrling gelangt man von der Nationalparkgemeinde Molln ins Jaidhaustal.
Ein paar Fischteiche der Firma Eisvogel, ein paar Pferde, unberührte Natur. Und dann dieses Ungetüm aus Stahl.
Darunter wird Gas vermutet, sagt ADX. Wobei: Wie groß das Vorkommen sein soll, weiß niemand. Auch nicht Tim Stoll. Der großgewachsene Deutsche hat für ADX die Probebohrungen geplant.
Er kennt jeden Millimeter auf der künstlichen Bohrinsel, direkt an der Grenze zum Naturschutzgebiet.
15 Leute arbeiten in Schichten rund um Uhr dort, darunter zwei Frauen. Sie suchen Gas. Gas, mit dem Österreich unabhängig(er) werden soll von russischem Gas.
97 Prozent des im Jänner in Österreich verbrauchten Gas kam aus Russland. Während die meisten anderen Staaten diesen Anteil massiv reduziert haben und er in Österreich auch schon bei 21 Prozent lag, ist er bei uns wieder gestiegen.
Mit den Einnahmen aus diesem Gas führt der russische Despot Wladimir Putin Krieg gegen die Ukraine. Das soll auf der Bohrinsel in Molln kein Thema sein.
930 Meter Tiefe
Stoll zeigt beim Lokalaugenschein, wo sich der Bohrer befindet. „Wir sind ziemlich genau bei 930 Meter angelangt“, erklärt er anhand eines detaillierten Plans.
Gesucht wird eine Steinalm-Kalkschicht. Die soll das kostbare Gas seit rund 100 Millionen Jahren speichern. Eingeschlossen in einer dichten Schicht, sodass es nicht entweichen konnte.
Nicht das erste Mal wird in der Gegend nach Gas gesucht. 1987 gab es eine Referenzbohrung, nur fünf Kilometer entfernt. „Damals wurde Gas in 3.300 Metern Tiefe gefunden, aber man hat sich entschieden, nicht zu fördern“, weiß Stoll.
Warum bleibt offen – wohl habe sich mit der Förderung von Öl damals mehr verdienen lassen, lässt Stoll durchklingen. Reinhard Sachsenhofer, Geologieprofessor an der Montanuniversität Leoben, sagte hingegen, es sei „als unökonomisch eingestuft worden“. Der Bohrer dreht sich unentwegt weiter.
„Wir kommen schneller voran, als erwartet“, sagt Stoll. Auf seinen Plänen sind mögliche Gasschichten violett in etwa 1.200 Meter Tiefe eingezeichnet. „Geologische Schätzungen“, sagt Stoll.
Gebohrt wird leicht schräg, der Bohrkopf – anfangs 45 Zentimeter breit, jetzt nur mehr etwas mehr als zehn, fünfzehn Zentimeter, befindet sich mittlerweile längst nicht mehr direkt unter der Bohrinsel, sondern ein paar hundert Meter seitlich davon.
„Die Geologen würden am liebsten bis zum Mittelpunkt der Erde bohren“, schmunzelt Stoll. Denn sie führen mit dem Material geophysikalische und micropaläontologische Messungen durch. Die sehr aufschlussreich sein können.
Für Stolls Unternehmen wird aber in knapp zehn Tagen Schluss sein, lange vor der genehmigten Zeit Ende März.
Dann sollte man wissen oder zumindest abschätzen können, ob und wie viel Gas vorhanden sein kann. Und ob und in welchen Dimensionen eine Gasförderung möglich sein kann. Bis jetzt ist man auf keines gestoßen.
Gespannt sind vor allem die Eigentümer der Firma ADX, wie es um mögliche Gasfunde steht. „Wir lösen hier die anstehenden Themen“, sagt Stoll, während er im Gespräch mit Bohrmeister Daniel ein komplexes Bohrmanöver wieder fallen lässt.
Am Bohrturm ist es laut, außer in der „Driller-Kabine“, in der Bildschirme und Anzeigen über den Verlauf der Arbeiten Aufschluss geben.
Unterhalb der Kabine fällt das Bohrmaterial heraus, die dunkelgraue, leicht klebrige Bohrspülung fließt in Strömen dahin. Ein Lastwagen wird mit dem Gestein befüllt.
Neuer Zwischenfall
Bis zu 1.000 Tonnen Material müssen entsorgt werden. Dieser Lastwagen wird wenig später einen Gutteil seiner Ladung, die getränkt ist von der schmierigen synthetischen Bohrspülung, auf der schmalen Straße verlieren.
Ärgerlich für Stoll, denn diese Panne führt zur nächsten Anzeige der Bohrgegner bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf.
Aber darf man überhaupt gegen dieses Projekt sein, wenn es Unabhängigkeit von Russland und Gas für einen Dreijahresverbrauch in Österreich verspricht?
Ja, sagen die Gegner, weil es nachweislich den Planeten zerstört und es einen verbindlichen Plan in Österreich gibt, bis 2040 vollständig aus fossilen Brennstoffen auszusteigen.
Bernhard Schön und Florian Kogseder fühlen sich ohnmächtig, ohne ihren Widerstand aufzugeben.
Was für sie in der ganzen Debatte nicht nachvollziehbar ist, bringt Schön auf den Punkt: „Alle positiven Auswirkungen des angenommenen Gasfundes sind bei den Bewilligungen zugunsten der Gasbohrfirma berücksichtigt worden. Alle negativen Auswirkungen der Gesamtförderung, bis diese positiven Auswirkungen überhaupt eintreten, wurden vom Naturschutz nicht berücksichtigt.“
Derzeit laufen strafrechtliche Ermittlungen wegen eines Zwischenfalls, bei der BH Kirchdorf laufen Verfahren wegen Nichteinhaltung von Bescheidauflagen. Und die Naturschützer haben Klagen gegen ADX wegen übler Nachrede und Verleumdung in Vorbereitung. Mit Klagen hat ADX auch schon gedroht. Und der Bohrer dreht sich unentwegt weiter.
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