Zugunglück Münchendorf: Fünf Monate bedingt für einen Toten und 26 Verletzte

Zugunglück Münchendorf: Fünf Monate bedingt für einen Toten und 26 Verletzte
54-jähriger Lokführer wurde am Dienstag erneut wegen fahrlässiger Gemeingefährdung verurteilt. Der Schuldspruch ist nicht rechtskräftig.

Im Prozess um das schwere Bahnunglück mit einem Toten und 26 Verletzten der Raaberbahn in Münchendorf (Bezirk Mödling) ist der verantwortliche Lokführer am Dienstag ein zweites Mal schuldig gesprochen worden. 

Er wurde wegen der fahrlässiger Gemeingefährdung nicht rechtskräftig zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt.

Der 54-jährige Ungar war bereits im Jänner 2023 im ersten Verfahren zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden, das Oberlandesgericht Wien hatte das Urteil allerdings wegen Verfahrensmängeln aufgehoben. Wichtige Zeugen seien nicht zu Wort gekommen.

Zeugen befragt

Deshalb wurden diese Zeugen am Dienstag am Landesgericht Wiener Neustadt befragt. Eine wesentliche Rolle spielte der sogenannte "Zuglenker" - ein Fahrdienstleiter, der den Bahnbetrieb aus einer Zentrale mit Hilfe eines elektronischen Zugleitsystems überwacht und managt.

Zugunglück Münchendorf: Fünf Monate bedingt für einen Toten und 26 Verletzte

Die Ventus-Garnitur der Raaberbahn war am 9. Mai 2022 auf gerader Strecke entgleist, Waggons wurden durch die Luft geschleudert.

Signale übersehen

Nach monatelangen Ermittlungen sah die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt die Schuld beim 54-jährigen ungarischen Lokführer. Er habe die Signale übersehen bzw. ignoriert und sei deshalb zu schnell in den Streckenabschnitt eingefahren, lautete die Anklage.

Der Zug raste mit fast Tempo 140 statt der erlaubten 60 km/h durch eine Weiche, was zur Entgleisung führte.

Wie viele grüne Lichter?

Der beschuldigte Lokführer bestreitet von Anfang an, über das Tempolimit informiert gewesen zu sein. Kernfrage des Verfahrens ist, welches Ampelsignal vor dem Streckenabschnitt angezeigt wurde.

Der Angeklagte beteuert, dass nur ein grünes Licht angezeigt wurde. Was bedeutet, dass mit voller Geschwindigkeit gefahren werden darf. Laut den bisherigen Ermittlungsergebnissen zeigte das Signal allerdings zwei grüne Lichtsignale - also Strecke "frei mit 60 km/h“ an. Bis zum nächsten Hauptsignal hätte sich also am Tempo des Zuges nichts ändern dürfen.

Aufzeichnung des Fahrtenschreibers

Laut Fahrtenschreiber wechselte der Lokführer jedoch in den Vollgas-Modus. Auf dem knapp einen Kilometer langen Abschnitt am Streckengleis 2 erreichte der Zug noch vor dem nächsten Hauptsignal über 160 km/h. Trotz Schnellbremsung fuhr der Zug mit 140 Sachen durch die Weiche.

Kein Funkspruch

Am Dienstag drehte sich der Prozess speziell um die Frage, ob der Lokführer vom "Zugleiter" aus der Zentrale per Funk vor der lauernden Gefahr gewarnt werden hätte müssen. Dies wurde von ihm eindeutig mit "Nein" beantwortet.

Das Regelwerk sehe dies in diesem besagten Fall nicht vor. "Der Lokführer hatte das Signal für die Geschwindigkeit", so der Zeuge. Außerdem habe keine "Gefahr im Verzug" vorgelegen. Generell seien die "Zugleiter" angehalten, Züge nur im Stillstand per Funk zu kontaktieren, um die Lokführer nicht von der Fahrt abzulenken.

"Ich träume jede Nacht, dass die Passagiere schreien“, hatte der selbst schwer verletzte ungarische Lokführer im bisherigen Verfahren ausgesagt. Er befinde sich noch immer in psychologischer Therapie. Wegen Verletzungen an beiden Armen und einer Hüftoperation sei er arbeitsunfähig.

Eine Invalidenpension habe man ihm jedoch bislang noch nicht zuerkannt. "Ich hatte 34 Jahre Berufserfahrung und es gab keinen einzigen Zwischenfall in der ganzen Zeit“, sagte er aus.

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