Würmlas Wände: Hier wird Geschichte gesprayt
Streetart, wo man sie nicht erwartet, nämlich mitten am Land auf alten Silos, Stadlwänden oder Hausfassaden – das gibt es in Würmla im Bezirk Tulln zu sehen. Sie erzählen Familiengeschichten, insgesamt sind es 13 und es ist kein "Vandalismus", sondern ein Kunstprojekt von Katharina C. Herzog aus Würmla und ihrem Studienkollegen David Leitner (beide haben an der Uni für angewandte Kunst in Wien studiert).
"Ich wollte Stadt und Land verbinden, etwas schaffen, das man aus der Stadt kennt, aber auch am Land schön findet", erzählt Herzog über ihre Idee für das Projekt. Es sei ihr ein Anliegen gewesen, etwas in ihrer Heimatgemeinde zu machen, denn: "Es ist einen nette, etwas verschlafene Gemeinde, Kunst und Kultur ist dort aber kaum vertreten".
Im März letzten Jahres sind Leitner und sie dann nach Würmla gefahren, um zu sehen, wie man das umsetzen könnte. "Natürlich wusste ich nicht, wie das bei der Bevölkerung ankommt. Zuerst bin ich zu der Bäuerinnenversammlung gegangen und habe erklärt, was wir vorhaben und dann wurde ich beim Altbürgermeister vorstellig. Es war ein bisschen Überzeugungsarbeit notwendig", sagt die 32-Jährige. Das bestätigt der jetzige Bürgermeister Johannes Diemt: "Ich war sehr skeptisch. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Ich dachte, das sieht so aus, wie man es von U-Bahn-Stationen oder Bahnhöfen kennt." Bilder von David Leitners Werken, die bereits Wände in Indien oder Los Angeles zieren, haben ihn dann aber überzeugt.
Orte der Begegnung
Nun finden sich die Schwarz-Weiß-Kunstwerke von Leitner in zehn Ortschaften, die zum Gemeindegebiet von Würmla gehören. Im Sommer des Vorjahres wurde mit dem Malen begonnen, nachdem die 32-Jährige Interviews mit den Familien, denen die Wände gehören, geführt hatte und deren Geschichten in die Entwürfe eingeflossen waren. „Auf einem Silo haben wir Aphrodite abgebildet. Die 30-jährige Bäuerin und ihre Großmutter haben erzählt, dass seit über 100 Jahren der Hof von Frauenhand geführt wird“, nennt sie ein Beispiel.
Eine Fassade hinter einem Misthaufen ziert nun ein Waffenrad mit einem Paar Tanzschuhen daneben - da hat der 85-jährige Besitzer davon erzählt, wie es war, als es noch kein Auto gab und die Kommunikation noch ausschließlich persönlich stattgefunden hat. Damals traf man sich bei Kränzchen zum Tanzen, wo er auch seine Frau kennengelernt hatte.
Für persönliche Kommunikation soll auch die Streetart sorgen: "Ein weiteres Ziel war, mit dem Projekt Begegnungsflächen zu schaffen. Früher gab es in jedem Ort ein Milchbankerl, wo man sich zum Tratschen getroffen hat", sagt Herzog. Jetzt gibt es einen 22 Kilometer langen Rundwanderweg, der von Kunstwerk zu Kunstwerk führt. Im Moment werden die letzten Schilder montiert, die die Geschichten zu den Bildern erzählen.
Im Sommer erscheint auch ein Buch über das Projekt und die Familien dahinter. Außerdem haben die beiden Künstler ihre Arbeit dokumentiert und in einem 25-minütigen Kurzfilm festgehalten. Er wird am 7. August im Rahmen des Frameout-Festivals im Wiener Museumsquartier gezeigt.
Kommentare