Wirtshaussterben: Ein Ort kreiert sich sein eigenes Gasthaus

Feinschliff vom Tischer: So soll s’Hutwisch nach dem Umbau aussehen. Die alten Möbel werden im Sinne der Nachhaltigkeit restauriert
Hochneukirchen in der Buckligen Welt gründet eine Genossenschaft mit 1.666 Anteilen um das alten Wirtshaus zu neuem Leben zu erwecken.

Mit knapp 900 Metern ist der Hutwisch mit seiner imposanten Aussichtswarte der höchste Punkt in der Buckligen Welt. Wer den Rundwander- oder Kinder-Erlebnisweg im Dreiländereck Niederösterreich, Burgenland und der Steiermark beschreitet, könnte schnell hungrig werden. Und wird es vermutlich auch bleiben. Denn einen Wirten sucht man im 1.630-Seelen-Dorf Hochneukirchen vergebens. Das Gemeindegasthaus – der Kirchenwirt – ist seit geraumer Zeit geschlossen. "Davor gab es mindestens zehn Pächter. Alle haben ambitioniert angefangen, irgendwann kam dann aber die Ernüchterung und das Ende", schildert Bürgermeister Thomas Heissenberger (ÖVP).

Mitten in der Pandemie hat die Gemeinde im Bezirk Wiener Neustadt nach vielen Gesprächen die Idee gesponnen, sich ihr eigenes Wirtshaus zu kreieren. "Eine Gruppe von Gastronomen, Touristikern, Marketingprofis und politischen Vertretern hat vor eineinhalb Jahren ein Projektteam gebildet und nach Lösungsansätzen gesucht", erklären Heissenberger und Elisabeth Kager vom Tourismusverein.

Wirtshaussterben: Ein Ort kreiert sich sein eigenes Gasthaus

Elisabeth Kager und Bürgermeister Thomas Heissenberger

Am Dach der Welt

Herausgekommen ist eine ambitionierte Idee. Die Gemeinde gründet eine Genossenschaft und erweckt damit das alte Gasthaus als neues "s’Hutwisch – Wirtshaus am Dach der Welt" zum Leben (www.s-hutwisch.at). Am Aschermittwoch wurden die Pläne im zukünftigen Veranstaltungssaal des Gasthauses erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Jeder Bürger, Firmen, Vereine und andere Interessierte, können sich für jeweils 150 Euro einen der 1.666 Genossenschaftsanteile sichern und damit Gründungsväter der einzigartigen Idee und Geburtshelfer des neuen Wirtshauses werden. "Mit dem Verkauf der Anteile hätten wir die 250.000 Euro verdient, mit denen sich der Umbau des Gasthauses zu Buche schlägt", erklärt Heissenberger.

Wirtshaussterben: Ein Ort kreiert sich sein eigenes Gasthaus

Werbetrommel

Nun geht es daran, ordentlich die Werbetrommel zu rühren und Interessenten zu finden, die bereit sind, das Projekt mit ihrem Geld auch mitzutragen.

Ist diese Hürde geschafft, würde die Genossenschaft danach s’Hutwisch selbst betreiben und sich ihren Gastgeber und die Angestellten suchen. Sechs bis acht Mitarbeiter sieht der Plan vor. "Wir glauben, dass so ein Modell in der heutigen Zeit mehr Sinn macht. Gerade in der Gastronomie haben viele Angst vor dem unternehmerischen Risiko. Und wir brauchen keine Gewinne erwirtschaften", erklären Kager und Heissenberger. Die Immobilie stellt die Gemeinde zur Verfügung.

Zusammen mit der Saint Elmo’s Tourismusmarketing, die auch schon für den Erlebniswanderweg am Hutwisch verantwortlich zeichnet, wurde ein Gastrokonzept mit hohen Ansprüchen ausgearbeitet. "Es geht um einen nachhaltigen Betrieb. Das Wirtshaus soll für regionale Küche in gemütlicher Atmosphäre stehen. So etwas wie der perfekte Ort für Familienfeiern und besondere Anlässe", erklärt das Projektteam.

Alte Schank

Im Zuge des Umbaus ist geplant, die alte Einrichtung und die Schank von einem Tischlereibetrieb aus der Region mit Charme und Fingerspitzengefühl restaurieren zu lassen. "Auch im Sinne der Nachhaltigkeit soll möglichst viel des alten Inventars verwendet werden", sagt Kager. Der Veranstaltungssaal für bis zu 60 Personen im Obergeschoß eignet sich auch für Versammlungen von Vereinen. "Wenn nicht mehr alle in die Gasthäuser der Umgebung ausweichen, trägt das auch zur Ortsbelebung bei", sieht Heissenberger noch andere Vorteile.

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Das Projektteam bei der Präsentation: Reinhard Lackner, Christian Hölbl, Cornelia Schuh, Elisabeth Kager, Josef Kager, Thomas Heissenberger, Gabriela Diewald, Herbert Trenker, Christoph Dorner

Catering für Schule

Betreiben will man das neue Gasthaus von Mittwoch bis Sonntag. Die restlichen Tage gibt es zumindest einen Küchenbetrieb, um auch die Schulen und den Kindergarten im Cateringbetrieb mit Mittagessen versorgen zu können.

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