Sperrstunde: Warum jetzt viele Landgasthäuser für immer zusperren

Symbolbild
Und wie mit dem Gasthaussterben auch der informelle Informationsfluss im Ort verloren geht

Auf einen schnellen Kaffee oder ein kleines Bier zum Wirt? Dafür braucht man in immer mehr Dörfern ein Auto. Weil es weit und breit kein offenes Lokal mehr gibt. Der Schein trügt nicht, das Wirtshaussterben spiegelt sich auch in der langfristigen Statistik wider. Laut dem Fachverband Gastronomie sperren deutlich mehr Gasthäuser zu als auf. Gab es im Jahr 2010 landesweit noch mehr als 10.000 Wirtshäuser, so waren es im Vorjahr nur noch gezählte 7.327.

„Von den Schließungen sind vor allem die Landgasthäuser betroffen“, beobachtet Branchensprecher Mario Pulker. Das Problem dabei: „Ist so ein Betrieb erst einmal zu, sperrt er nie wieder auf.“ In den seltensten Fällen findest sich ein Nachfolger. Der ehemalige Treffpunkt im Ort wird zu Privatwohnungen umfunktioniert. Oder verkommt im schlimmsten Fall zu einem Leerstandslokal.

Das hat auch Auswirkungen auf das Sozialleben im Ort. Wissenschaftlich bestätigt. Der deutsche Wirtschaftsprofessor Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf beobachtet seit Jahren entsprechende Studien. „Wenn das Gasthaus als Treffpunkt wegfällt, erfährt man nicht mehr nebenbei, wo eine Wohnung oder ein Job frei wird.“ Sprich, die informellen Informationsflüsse gehen verloren. Daran ändert auch die Neueröffnung der Pizzeria wenig. Haucap: „In klassischen Speiselokalen kommt man ja nicht mit Fremden ins Gespräch so wie an der Theke eines Dorfgasthauses.“ Jeder sitzt mit seinen Leuten am Tisch – Gespräche mit Fremden bleiben die Ausnahme.

Drei Schließungsgründe

Aus Sicht von Mario Pulker gibt es im Wesentlichen drei Gründe, warum derzeit ein Landgasthaus nach dem anderen zusperrt. „Der hohen Energiekosten, der gestiegene Wareneinsatz und der Mitarbeitermangel. Das geht sich unter dem Strich bei vielen einfach nicht mehr aus.“ Schließlich könne ein Wirt im Wald- oder Weinviertel nicht plötzlich 18 Euro fürs Schnitzel und 5,60 Euro fürs Bier verlangen. „Im ersten Bezirk in Wien geht das leichter. Da ist die Kaufkraft und die touristische Nachfrage eine ganz andere.“

Um wie viel die Kosten zuletzt gestiegen sind, ist freilich von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Pulker, der vor mehr als einem Jahrzehnt ein Hotel-Restaurant in Aggsbach an der Donau von seinen Eltern übernommen hat, plaudert aus dem Nähkästchen: „Bei mir werden Stromkosten – sie lagen zuletzt bei 17.000 Euro im Jahr – kommendes Jahr um etwa 250 Prozent steigen. Fürs Heizöl habe ich statt 8.000 Euro plötzlich 26.000 Euro bezahlt.“ Ein Schnitzel um zwölf Euro sei bei solchen Kostensteigerungen einfach nicht mehr drin. „Da müssen die Konsumenten auch langsam umdenken.“

In der Stadt kommt noch dazu, dass viele Gastronomen ihre Lokale gemietet haben und die Vermieter im Gleichschritt mit der Inflation den Mietzins stetig nach oben schrauben. Allerdings muss man die Kirche im Dorf lassen. Häufige Betreiberwechsel gehören im urbanen Bereich mehr oder weniger zur Tagesordnung. „Binnen eines Jahres wechseln etwa 40 Prozent der Gastronomie-Betriebe den Besitzer“, weiß Pulker. Für den klassischen Dorfwirt hängt am Gasthaus tendenziell auch viel mehr dran als nur ein Job. Oft wohnt die Familie im selben Haus. Mit ein Grund, warum Übernahmen alles andere als einfach sind.

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