Wenn Patriarchen zuschlagen: Gewaltberatung hat alle Hände voll zu tun
31 – das ist die erschütternde Zahl der Frauenmorde in Österreich im vergangenen Jahr. Fast 320 Frauenmorde waren es innerhalb von elf Jahren.
Die Regierung versucht nun, mit Gewaltschutz-Maßnahmen im Umfang von fast 25 Millionen Euro entgegenzuwirken. Ein wesentlicher Bestandteil des Pakets ist die seit dem 1. September 2021 verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Gefährder. Bereits 800 solcher insgesamt sechsstündigen Beratungssitzungen mit professionellen Sozialarbeitern hat der Bewährungshilfe-Verein Neustart alleine in Niederösterreich und dem Burgenland mit potenziellen Gewalttätern abgehalten. 90 Prozent davon sind Männer.
Quantensprung
„Dass diese Gespräche verpflichtend sind, ist ein Quantensprung. Wir haben jahrelang darum gekämpft“, sagt Alexander Grohs von Neustart. Freiwillig würde fast keiner der betroffenen Klienten so eine Art der Beratung in Anspruch nehmen. „Die meisten verstehen leider nicht, dass sie etwas angestellt haben. Sie verstehen nicht, dass der Ausspruch einer Drohung auch schon eine Form der psychischen Gewalt ist“, erklärt Grohs.
Zu Beginn seien die betroffenen Personen meist in Rage und aufgebracht darüber, dass sie durch das polizeiliche Annäherungs- und Betretungsverbot vorübergehend ihr Heim verloren haben. Erst nach intensiven Gesprächen richte sich der Fokus darauf, was die Gefährder getan haben, um in diese Situation zu kommen.
Laut Grohs sei vor allem eines deutlich erkennbar: Sehr häufig stecken hinter Fällen von häuslicher Gewalt festgefahrene patriarchale Strukturen. „Es geht um Macht – und darüber, sein Gegenüber zu kontrollieren. Dort, wo Frauen nicht als gleichwertiger Partner angesehen werden, kommt es häufig zur Eskalation“, beschreibt Grohs.
Wie die bisherigen Beratungsgespräche gezeigt haben, ziehe sich dieses Verhaltensmuster durch alle gesellschaftlichen Schichten. „Das kommt in Migrantenfamilien genau so vor, wie in schwachen sozialen Schichten oder in Akademikerfamilien“, weiß der Leiter des Vereins. Mitunter zeigen sich die patriarchalen Verhaltenszüge selbst während der Beratungssitzungen. So berichtet Grohs von Fällen, bei denen männliche Gefährder die Beratung durch eine Sozialarbeiterin verweigerten. Erst nach einer „Abkühlphase“ und intensiven Gesprächen hätten sie sich dazu bereit erklärt.
Im Sommer 2021 hat die Regierung nach mehreren Femiziden ein Gewaltschutzpaket beschlossen. 24,6 Millionen Euro wurden dafür bereitgestellt.
31Frauenmorde gab es im Jahr 2021 in Österreich.
Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt gibt es nicht nur unter dem Polizei-Notruf 133, sondern auch beim 24-Stunden-Frauennotruf unter der Rufnummer 01/71719 oder auch bei der Frauenhelpline unter 0800/222555
Nach der Verhängung eines Betretungsverbots haben Gefährder fünf Tage Zeit, sich für einen Termin zur verpflichtenden Gewaltprävention anzumelden. „70 Prozent haben das bisher innerhalb der Frist gemacht, etwa zehn Prozent mit ein paar Tagen Verspätung“, so Grohs. Beim Rest müsse man behördlich nachhelfen. Wird der Aufforderung nicht nachgekommen, drohen Verwaltungsstrafen von bis zu 5.000 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen.
Bei Hochrisikofällen – etwa wenn jemand beharrlich mit Gewaltakten bis hin zu Mord droht – könne man durch Fallkonferenzen die Reißleine ziehen: Behörden, Polizei und Gerichte entscheiden in dem Fall gemeinsam, ob jemand aus Sicherheitsgründen festgenommen und eingesperrt werden soll.
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