Zuerst zu trocken, dann wieder zu nass – das Wetter schenkt den Winzern heuer ordentlich ein. Dass aber trotzdem wieder ein ordentlicher Wein im Glas landen wird, darüber sind sich die Experten einig. Doch ohne Fleiß kein Preis.
Wobei man über das Wetter 2022 nicht nur Negatives berichten kann. „Hagel und Starkregenereignisse waren nur punktuell beziehungsweise vereinzelt anzutreffen“, so der Präsident des österreichischen Weinbauverbands, Johannes Schmuckenschlager. Generell war es aber zu trocken, und das fast durchgehend. „Vor allem im Juli und August hatten die Reben mit enormer Dürre zu kämpfen“, sagt Schmuckenschlager. Während ältere Rebstöcke mit ihren bis zu 20 Meter und tiefer reichenden Wurzeln damit noch besser klar kamen, waren jüngere Weingärten in Gefahr. Handarbeit und Reduzierung der Trauben war angesagt, um die Rebstöcke zu entlasten. Außerdem ging es vor allem auf Schotterböden ohne Bewässerung kaum.
Die Winzer sind „heuer schon recht gefordert“, sagt auch NÖ-Weinbaupräsident Reinhard Zöchmann aus Roseldorf (Bezirk Hollabrunn). Der trockene Sommer zeige jetzt Wirkung. „Mit der Lese sind wir heuer etwas später dran. Durch die Trockenheit hat sich die Entwicklung verlangsamt, die Rebstöcke sind praktisch stehen geblieben“. Dann kam im September der Regen und die Rebstöcke begannen wieder zu arbeiten.
Überhaupt – der Regen. Den ganzen Sommer über strahlte die Sonne vom Himmel und jetzt, zur Lesezeit, ist es nass. Was die Gefahr mit sich bringt, dass die Trauben zu faulen beginnen. „Das ist je nach Region sehr unterschiedlich“, sagt Zöchmann. Um Fäulnis zu verhindern sei jedenfalls in den betroffenen Gebieten wieder Handarbeit im Weingarten angesagt, um das Laub zu reduzieren, damit „die Trauben Luft bekommen“, erklärt Zöchmann.
Fruchtige Aussichten
Als Maßnahme gegen die faulige Gefahr die Trauben einfach jetzt zu lesen, geht aber auch nicht. Denn die sind noch nicht so weit. „Wir haben gerade die Frühsorten gelesen. Bei Grünem Veltliner oder Riesling ist die Säure aber noch niedrig. Da muss man geduldig sein und auf schönes Wetter hoffen“, sagt Zöchmann. Die kommenden zwei, drei Wochen werde die Hauptlese in NÖ über die Bühne gehen.
Die Wettervorhersage schaut gut aus (siehe Seite 16), die Aussichten für Weinliebhaber damit auch. Aber: Der Jahrgang 2022 wird sich „eher durch fruchtbetonte, als durch ganz schwere, kräftige Weine“ auszeichnen, so Zöchmann. Wobei: „Ich bin überzeugt, dass wir wieder supertolle Tröpferl verkosten werden.“
Fingerspitzengefühl
„Es wird sehr auf das Fingerspitzengefühl der Winzerinnen und Winzer ankommen, um heuer bei Weißwein den richtigen Lesezeitpunkt zu treffen“, sagt Präsident Schmuckenschlager. Top-Winzer Martin Schwertführer aus Sooß (Bezirk Baden) kann dem nur beipflichten. „Wir befinden uns in Lesewoche vier, rund 40 Prozent der Lese sind im Keller. Bis jetzt waren alle Trauben von extrem guter Qualität“. Im Sommer wurde mit wassersparenden Tropfsystemen bewässert, was sich ausgezahlt und zu „Trauben mit intensiver Aromatik“ geführt hat. Schwertführer: „Wir erwarten generell einen fruchtbetonten Weinjahrgang, mit feiner Säure, intensiven Sortenaromen und einer klaren Duftigkeit. Punkto Rotwein dürfte sich ebenfalls ein großer Jahrgang anbahnen, die Trauben für die besten Weine sind aber noch am Rebstock.“
Dass Schwertführer und seine Töchter Annamund Katharina ihr Handwerk verstehen, bewiesen sie jüngst beim Salon Österreich Wein. Unter 21 Salonsiegern siegte der Gladiator Cuvee 2020 bei den kräftigen Rotweinen, dazu kamen noch zwei weitere Stockerlplätze.
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