63 Verhandlungstage sind so bisher zusammengekommen. An mehreren wurde ausschließlich vorgelesen. Was die Nerven der vorsitzenden Richterinnen ebenso auf eine harte Probe stellte, wie jene der Schöffen, die während eines laufenden Verfahrens nicht ausgewechselt werden dürfen. Und es ist ein höchst unüblicher Vorgang. Für gewöhnlich einigen sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger darauf, den Akteninhalt einvernehmlich als verlesen gelten zu lassen, weil ihn ohnedies alle Beteiligten kennen.
Finanzielle Gründe?
Wieso Dohr das abgelehnt hat, darüber wird aktuell unter Juristen heftigst spekuliert. Die Kritiker haben dazu eine klare Meinung. Dohr ist in der Causa kein Wahl-, sondern Pflicht- oder, wie es im Amtsdeutsch heißt, Verfahrenshilfeverteidiger. Und ein solcher bekommt ab dem 10. Verhandlungstag pro Kalenderjahr alle anfallenden Kosten für seine Tätigkeit von der Rechtsanwaltskammer ersetzt.
Wenn von Mandanten wegen finanzieller Schieflage kein Geld zu holen ist, wäre dies daher ein taktisches Kalkül des Verteidigers, doch zu seiner Gage zu kommen, hört man vom Landesgericht Wr. Neustadt bis zum Justizpalast in Wien. Spätestens seit tagelang Kontoauszüge – und derer gab es Hunderte – vorgelesen werden mussten, ist Dohr im Landesgericht zum Enfant terrible der Verteidigerszene geworden.
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"Wunsch der Angeklagten"
Doch er selbst weist die Gerüchte erbost zurück: "Es ist eine ungeheuerliche Unterstellung, dass die Verlesung der Akten etwas mit meiner Bezahlung zu tun gehabt hätte. Ich war schon in vielen Prozessen Verfahrenshilfe und habe so etwas noch nie beantragt." Im Übrigen sei er nur für zwei der drei Beschuldigten Pflichtverteidiger gewesen, für die Dritte aber Wahlverteidiger.
Dohr begründet die „Lesestunde“ ganz sachlich. Dies sei ausschließlich auf Wunsch der Angeklagten erfolgt: „Sie wollten, dass wirklich alle Details der Vorwürfe gegen sie bekannt sind.“ Der Anwalt bewegt sich mit seinem Vorgehen jedenfalls im Rahmen der Strafprozessordnung.
Verurteilt wurden seine Mandanten übrigens, weil sie steuerpflichtiges Mineralöl als steuerbefreites „universaltechnisches Öl“ deklariert und damit europaweit gehandelt hatten. Dies habe zur enormen Summe von 85 Millionen Euro geführt, die sie hinterzogen haben sollen. Außerdem warf ihnen die Staatsanwaltschaft vor, Scheinfirmen gegründet und fingierte Geschäfte zur Verschleierung ihrer Taten benützt zu haben.
Seitens der Verteidigung wurde dies bestritten. Die Zollbehörde habe gewusst, womit die Firma gehandelt habe, und dies bewilligt. Es habe weder Scheinfirmen noch fingierte Geschäfte gegeben.
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