So kann man Häuser im Waldviertel kostenlos sanieren lassen
So schön und idyllisch das Waldviertel auch sein mag, fährt man durch so manchen Ort, so könnte man rasch den Eindruck bekommen, dass er ausstirbt – dank leer stehender Einfamilienhäuser und in die Jahre gekommener Vierkanthöfe.
Und doch ist das genaue Gegenteil der Fall: „Wir haben einen enormen Wohnraumbedarf“, erklärt Doris Maurer, Geschäftsführerin des Vereins Kleinregion Waldviertler Kernland, zu dem 14 Gemeinden mit insgesamt knapp 14.000 Einwohnern gehören. In der Region gebe es allerdings rund 115 Häuser, die momentan nicht bewohnt sind.
„2018 waren es noch über 300. Einige wurden verkauft, andere saniert“, so Maurer. Übrig geblieben seien renovierungsbedürftige Häuser, die die Besitzer aus unterschiedlichsten Gründen nicht verkaufen möchten. „Man hat eine emotionale Bindung, weil es zum Beispiel das Haus der Großeltern ist, man möchte es für die Kinder behalten, oder es grenzt unmittelbar an das eigene Haus, da möchte man nicht jeden hinhaben“, weiß die Waldviertlerin.
2.217 Verkäufe von Immobilien gab es 2020 in den fünf Waldviertler Bezirken. Der Großteil davon waren Grundstücke mit einem durchschnittlichen Quadratmeterprei von 18,8 Euro
550 Häuser wechselten den Besitzer, der Quadratmeterpreis ist auf 1.575 Euro angestiegen (2018: 1.063 pro Quadratmeter), Zinshäuser nicht inbegriffen
195 Wohnungen mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 1.723 Euro wurden im Vorjahr verkauft
Quelle: Raiffeisen Immobilien, Daten: Immounited, 2021
Vermieten wäre für viele eine Option, „aber es ist keine Zeit zum Sanieren da oder es fehlt an finanziellen Möglichkeiten“, erläutert Maurer.
"Faires Wohnen" im Waldviertler Kernland
So gibt es auf der einen Seite Objekte, die nicht bewohnt werden, und auf der anderen Seite eine enorme Nachfrage in der Region. „Und das nicht erst seit Corona, obwohl das natürlich den Trend zum Wohnen am Land verstärkt hat.“ Das bestätigt auch Nina Sillipp von „Wohnen im Waldviertel“. Partnermakler würden klagen, dass sie zu wenig Angebot hätten, halbwegs bewohnbare Gebäude seien sofort weg. „Und wir haben zu wenig Mietwohnungen. Die, die es gibt, sind zu teuer“, so Sillipp.
Deswegen wurde nun vom Waldviertler Kernland die Initiative „Faires Wohnen“ geschaffen. In den 14 Gemeinden sollen die leer stehenden Häuser wiederbelebt und genutzt werden – und zwar ohne, dass die Besitzer verkaufen müssen.
Dahinter steht folgendes Konzept: Ein privater Bauträger saniert das Gebäude, schafft Wohneinheiten und vermietet diese. Die Miete bleibt beim Bauträger, und zwar so lange, bis die Kosten für die Renovierung getilgt sind. Das passiert im Rahmen eines sogenannten Fruchtgenussvertrages. Am Ende geht das Gebäude wieder voll und ganz „zurück“ an den Eigentümer, der damit machen kann, was er möchte. „Also entweder selbst nutzen oder weiterhin vermieten“, erläutert Maurer.
Abgeschaut habe man sich das von den Pfarren, die den Gemeinden ungenutzte Pfarrhöfe zur Verfügung stellen, die dort einen Veranstaltungssaal bauen und nutzen können, Eigentümer bleibt aber die Pfarre. „Wir wollen damit leistbaren Wohnraum schaffen für junge Menschen, etwa Pärchen, die einmal ausprobieren möchten, zusammen zu wohnen“, meint Maurer. Denn gerade in jungen Jahren verdiene man noch nicht so viel, aber gemeinsam dann doch zu viel für eine geförderte Wohnung – die sind aber in manchen Gemeinden ohnehin Mangelware.
Mit dem Wohnangebot richtet sich die Initiative bewusst an Menschen aus der Region oder Zuzügler, die sich auch hier „engagieren möchten, zum Beispiel in der Feuerwehr, bei der Rettung oder im Pfarrgemeinderat“.
Schon bevor „Faires Wohnen“ überhaupt richtig in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, haben sich bereits zwei Familien gemeldet, die Interesse haben, ihr derzeit unbewohntes Haus wieder mit Leben zu füllen. „Eigentlich profitieren alle davon – die Orte, die Eigentümer und die Wohnraumsuchenden“, ist Maurer überzeugt.
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