Drama bei Heeres-Marsch: Augenzeugen berichten

Rekruten der betroffenen Gardekompanie erzählen, wie es wirklich war.
Laut Blutuntersuchung. Staatsanwaltschaft: Erkrankung "extrem selten". Erhebungen werden weitergeführt.

Zumindest vom Anfangsverdacht ist das Bundesheer freigesprochen. Jener 19-jährige Rekrut, der am 3. August im Zuge eines Marsches während seiner Grundausbildung in Horn an Überhitzung seines Körpers zusammenbrach und kurz darauf starb, wurde offensichtlich von keinem der Ausbilder in den Tod gehetzt. Vielmehr hat sich bei den gerichtsmedizinischen Untersuchungen der Anfangsverdacht eines groben gesundheitlichen Problems bestätigt.

Wie die Staatsanwaltschaft Krems Freitagnachmittag bekannt gab, hatte Toni P. den Marsch in brütender Hitze mit einem akuten Infekt in Angriff genommen. Bei den Blutuntersuchungen im Labor seien zwei Bakterienstämme nachgewiesen worden – „Haemophilus influenzae“ und „Streptokokkus pneumoniae“ –, erklärt Susanne Waidecker von der Staatsanwaltschaft Krems (mehr dazu lesen Sie unten) . Diese Form der Erkrankung sei äußerst selten. Die Keime im Blut haben offensichtlich das hohe Fieber bewirkt und eine Sepsis ausgelöst. Zusammen mit der Belastung durch den Marsch und Außentemperaturen um 35 Grad im Schatten dürften die Strapazen zu viel für den Organismus des 19-Jährigen gewesen sein.

Im Nachhinein betrachtet erwies sich damit auch die Reaktion des Bundesheeres als richtig, allen anderen Rekruten aus Sicherheitsgründen vorsorglich ein Antibiotikum zu verabreichen. Ob das Medikament auch bei dieser Infektionsart Wirkung zeigt, wird nun geprüft.

Hart im Ton

Selbst wenn der Tod des jungen Mannes damit in einem anderen Licht erscheint, müssen die genauen Vorgänge in der Kaserne dennoch geprüft werden. Der KURIER hatte die Gelegenheit, mit drei Garde-Rekruten zu sprechen, die an dem Marsch teilnahmen, der für P. tödlich endete. Das Trio aus Wien traf sich mit dem KURIER nach Dienstschluss, Vorgesetzte waren bei dem Gespräch nicht dabei. Ihr einziger Wunsch: Sie wollen anonym bleiben.

Wie sehen die drei Rekruten die Ausbildung in Horn? „Sie ist fordernd. Die Ausbildner sind hart im Ton, die Sprache ist aber nie vulgär“, sagen sie und betonen: „Es wurde keiner in den Tod gehetzt.“

Er habe aber gewusst, dass dieser Tag für alle „hart wird“, sagt Alexander M. (Namen geändert) in Erinnerung an den Donnerstag, der das Ende von anstrengenden Ausbildungswochen im Waldviertel markieren sollte. Schon tags zuvor hatten die ersten Gruppen den Stationsmarsch absolviert. Nicht alle kamen ans Ziel. „Fünf mussten aufgeben, weil sie Blasen an den Füßen hatten, einer bekam Magenprobleme“, berichtet M. Dass mehr als 20 Rekruten in Ohmacht gefallen seien, wie Medien berichteten, sei „völliger Unsinn“.

Am 3. August musste dann der Rest der 1. Gardekompanie antreten. Nach einer verlängerten Mittagspause sei man gegen 13 Uhr losgeschickt worden. Es durfte zusätzliches Wasser mitgeführt werden, zudem wurde das Gepäck nochmals erleichtert. Mit dabei war auch Gustav A., der im Nebenzimmer von Toni P. untergebracht war. „Ja, Toni hatte auch diesen Anfangsfrust, den viele bei Heer haben, weil es eine komplette Umstellung ist. Mit der Zeit hat er sich aber darüber gefreut, auch einmal in der Ehrenkompanie stehen zu dürfen.“

Nach rund drei Kilometern ging es einem Rekruten nicht gut, er musste sich setzen. „Auch Toni hat sich dazugesetzt, weil er über Schwindelgefühle klagte“, erzählt A. Daraufhin habe ein Gefreiter per Funk seine Vorgesetzten in der Kaserne verständigt. Als ein Bundesheerfahrzeug, ein Ford Transit, eintraf, sei P. noch bei Bewusstsein gewesen. „Er war etwas verwirrt, musste aber nur ein wenig gestützt werden, um ins Auto steigen zu können“, berichtet der Wiener. Als der junge Mann in der Kaseren eintraf, wurde er kurze Zeit später schon von Rettungskräften behandelt und anschließend ins Spital gebracht, wo er starb.

Interview zu totem Rekruten

Toter Rekrut: Grüne fordern Konsequenzen

Pneumokokken (Streptoccus pneumoniae) und Haemophilus influenzae B sind zunächst aus der Pädiatrie bekannte Bakterien. Erstere rufen vor allem Mittelohr- und Lungenentzündungen hervor. Pneumokokken können bei Betagten lebensgefährliche Lungenentzündungen verursachen, Haemophilus influenzae B war ehemals wegen tödlicher Kehlkopfentzündungen bei Babys gefürchtet.

Pneumokokken treten bei etwa jedem zweiten Menschen im Nasen- und Rachenraum auf und sind in der Regel harmlos. Ebenso sind sie in der Lage, Mittelohrentzündungen und Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung; Anm.) auszulösen, eitrige Meningitis oder eben Lungenentzündungen. Für Kinder ist die Immunisierung gegen Pneumokokken im Gratis-Impfplan vorgesehen. Seit vielen Jahren wird auch die Impfung für Menschen ab dem mittleren Lebensalter propagiert. "Im Kindesalter haben wir viele Pneumokokken-Erkrankungen und im Alter auch", sagte dazu vor einiger Zeit der Wiener Impfspezialist Herwig Kollaritsch. Bei den einen ist das noch unreife Immunsystem der Grund, bei den anderen das bereits erschöpfte System.

Während Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündung äußerst unangenehm, aber per se nicht gefährlich sind, sieht die Sache bei den sogenannten invasiven Pneumokokken-Erkrankungen mit Sepsis inklusive Lungenentzündungen anders aus. Von den 323 Fällen, die in Österreich 2014 erfasst wurden, endeten 14 tödlich. 80 Prozent der Patienten waren über 45 Jahre alt.

Auch Haemophilus influenzae B ist ein Keim, der außerhalb von Spitälern bei älteren Menschen oft Lungenentzündungen hervorruft. Speziell gefährlich ist das Bakterium aber bei Babys und Kleinkindern. Das war auch der Grund, warum die Immunisierung dagegen in das Gratis-Kinderimpfprogramm aufgenommen worden ist (im sogenannten Sechsfach-Impfstoff enthalten). Prinzipiell sind Infektionen durch Pneumokokken oder Haemophilus influenzae B gut mit Antibiotika behandelbar. Aber die Medikamente müssen wegen Resistenzen nicht immer wirken. Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Die Impfungen schützen zu weit mehr als 90 Prozent.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat Generalleutnant Günter Höfler mit der Leitung der Sonderkommission zur Überprüfung sämtlicher Ausbildungsvorschriften beauftragt. Über seine neue Aufgabe gab er dem KURIER das erste Interview.

KURIER: Herr General, was sind Ihre konkreten Pläne für die Untersuchung der Ausbildungssituation? Wie legen Sie es an?
Günter Höfler: Die Kommission wird rund 15 Mitarbeiter haben. Die Vorarbeiten laufen, die konstituierende Sitzung findet nächste Woche statt. Die Kommission wird aus drei Gruppen bestehen: Eine aus Experten des Ausbildungsbereiches, vorwiegend aus dem Ministerium. Die zweite Gruppe bilden Praktiker aus der Truppe, die die Vorschriften im Rahmen der Ausbildung anwenden müssen. Gemeinsam werden wir die Ausbildungsvorschriften und Erlässe durchforsten und Defizite eruieren. Wie ist die Handhabung der Vorschriften tatsächlich, der Frage werden wir besonders nachgehen. Die innovative Gruppe wird helfen, etwaige zeitgemäße Anpassungen und Änderungen zu erarbeiten. Wichtig ist herauszufinden, welchen Handlungsbedarf gibt es konkret.

Wann legen Sie Ergebnisse vor?
Wir werden zügig arbeiten. Die Überprüfung wird sicher mehrere Wochen beanspruchen. Abschließend werden die Resultate präsentiert.

Sie sind Österreichs höchster Militär in Brüssel und können die Ausbildung mit anderen Ländern vergleichen. Ist unsere Ausbildung zeitgemäß?
Absolut. Unsere Auslandseinsätze sind höchst anerkannt, weil die Soldaten sehr gut ausgebildet sind. Das bringt uns die Erfolge bei den Einsätzen. Es kommen viele Offiziere und Unteroffiziere anderer Länder zu Ausbildungen nach Österreich. Das Bundesheer macht internationale Kurse für UNO und EU. Unbestritten, wir haben eine sehr gute Ausbildung und auch ausgezeichnete Ausbildner.

Es gibt Klagen über die rohe Sprache mancher Ausbildner. Gibt es schwarze Schafe?
Wir haben mehr als 2000 Ausbildner. Es gibt welche, die sich einer Sprache bedienen, die nicht tolerierbar ist. Das sind einzelne. Leider. Jeder Soldat kann sich in seiner Einheit oder auch bei der parlamentarischen Bundesheer-Kommission beschweren. Fehlverhalten gehen wir konsequent nach, es werden auch entsprechende Maßnahmen getroffen. Das kann bis zur Entlassung führen.

Ist die Kaserne in Horn besonders anfällig für inakzeptables Verhalten von Ausbildnern?
Mein tiefes Mitgefühl und Beileid gilt den Angehörigen, der Familie des verstorbenen Soldaten. Die Untersuchungskommission prüft die Umstände seines Todes eingehend. Man darf nach diesem tragischen Fall nicht das gesamte System in Frage stellen. Das Bundesheer bildet für den Einsatz aus, der im Inland oder im Ausland stattfindet. Im Ausland sind es Freiwillige. Im Inland gibt es auch Einsätze bei sehr widrigen Bedingungen. Die Assistenz- und Katastropheneinsätze finden bei jedem Wetter statt, die Garde, eine Elite-Einheit, repräsentiert die Republik Österreich auch bei mehr 35 Grad im Inneren Burghof. Insgesamt leistet das Bundesheer und seine Angehörigen eine national und international sehr anerkannte Arbeit, das sollte man in tragischen Momenten wie diesen nicht vergessen.

(Margaretha Kopeinig)

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