Tödliche Narkose in Kinderwunschklinik: Gefängnisstrafe für Anästhesisten

Laut Hersteller sind Durchstichflaschen von Propofol nach Anbruch sofort, aber spätestens nach zwölf Stunden aufzubrauchen
Arzt lagerte Propofol in seinem Kühlschrank zwischen Lebensmitteln. Das Urteil lautet auf 16 Monate Haft, fünf davon unbedingt. Es ist nicht rechtskräftig.

Der Eingriff in der Kinderwunschklinik in Baden hätte neues Leben schenken sollen, er hat es aber genommen.

Mit einem Schuldspruch (nicht rechtskräftig) ist am Donnerstag am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen jenen 64-jährigen Anästhesisten zu Ende gegangen, der vor zwei Jahren in der Klinik drei Patientinnen im Zuge einer Eizellen-Entnahme (Follikel-Punktion) ein mit Darmkeimen verseuchtes Propofol gespritzt hat. Das Urteil wegen grob fahrlässiger Tötung lautet auf 16 Monate Haft, fünf Monate davon unbedingt und elf bedingt.

Multiorganversagen

Pia M. (32) erhielt als erste Patientin des Tages die volle Dosis, sie starb nur zwei Tage später an Multiorganversagen auf Grund einer massiven Sepsis. Bei den beiden weiteren Patientinnen, Aleksandra M. und Anna B., kam es zur Vermischung mit einer frischen Flasche des Medikaments. Sie fielen ins Koma, überlebten aber aufgrund der geringeren Keimmenge.

Tödliche Narkose in Kinderwunschklinik: Gefängnisstrafe für Anästhesisten

Anwalt Michael Dohr mit dem angeklagten Anästhesist

Der angeklagte Anästhesist hatte das bereits angestochene Narkoseserum über Nacht in einer Jausenbox in seinem Kühlschrank zwischen den Lebensmitteln gelagert. Durch den nicht sterilen Umgang sollen sich gefährliche Enterobacter-Darmkeime gebildet und diese den Frauen mit dem Mittel direkt in die Blutbahn injiziert worden sein.

Die Folgen waren verheerend. „Die Patientinnen waren in kürzester Zeit hoch symptomatisch. Eine fulminante Gerinnungsstörung des Blutes führte zu einer Sepsis, einer massiven Blutvergiftung“, erklärte am Donnerstag der medizinische Sachverständige und Internist, Primar Roland Winkler.

Tödliche Narkose in Kinderwunschklinik: Gefängnisstrafe für Anästhesisten

Primar Roland Winkler

Das Verfahren ist richtungsweisend für die Medizin und Tausende Anästhesisten. Es geht um die richtige Verwendung des weltweit am weitest verbreiteten Narkosemittels.

Dass er das Propofol nicht sachgemäß eingesetzt hat, bestreitet der Arzt mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung erst gar nicht. „Ich habe mich auch schuldig gefühlt. Später bin ich aber draufgekommen, dass der Keim auch woanders hätte herrühren können“, plädierte der Anästhesist auf „nicht schuldig“.

Zweifel

Sein Strafverteidiger, Michael Dohr, versuchte verbissen zu erläutern, dass die tödliche Kontamination im Zuge des Eingriffs auch durch das OP-Besteck oder eine Spülflüssigkeit in den Organismus der Frauen gelangt sein könnte. Dies hält der Sachverständige allerdings für ausgeschlossen. Zum einen ist der Darmkeim auch in den verwendeten Propofol-Fläschchen nachgewiesen worden.  Außerdem weisen alle Blutwerte und Befunde darauf hin, dass der Keim direkt in die Blutbahn injiziert wurde. „Das Immunsystem ist umfahren worden. Eine bakterielle Sepsis ist die einzig plausible Ursache“, sagt Winkler.

Richter Gerald Grafl hielt sich an die Expertise des medizinischen Experten. Die Verteidigung meldete Berufung an. „Für ein Fahrlässigkeitsdelikt ein viel zu strenges Urteil“, erklärte Dohr in seiner ersten Reaktion.

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