Tödlicher Kinderwunsch: Prozess um fatalen Eingriff bei drei Patientinnen

Laut Hersteller sind Durchstichflaschen von Propofol nach Anbruch sofort, aber spätestens nach zwölf Stunden aufzubrauchen
Für drei Frauen war es der Herzenswunsch, ein Kind zu bekommen. Zumindest für eine dürfte sich der Traum nach dem Horrorerlebnis doch noch erfüllt haben. Die Mutter saß am Mittwoch zusammen mit Angehörigen der Opfer auf den Zuschauerrängen im Schwurgerichtssaal in Wiener Neustadt.
Zwei Jahre nach dem tragischen Zwischenfall in der Kinderwunschklinik in Baden (NÖ) wurde der Prozess gegen den 64-jährigen Anästhesisten wegen grob fahrlässiger Tötung und grob fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen neu aufgerollt.
Laut Anklage hat sich der Mediziner mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung einen tödlichen Fehler geleistet und drei Patientinnen im Zuge einer Eizellen-Entnahme (Follikel-Punktion) ein mit Darmkeimen verseuchtes Propofol zur Narkose gespritzt. Pia M. (32) starb zwei Tage nach der Punktion an einem Multiorganversagen. Die beiden anderen Patientinnen fielen ins Koma, überlebten aber.

Verteidiger Michael Dohr (li.) vertrat den Anästhesisten im Prozess um grob fahrlässige Tötung in der Kinderwunschklinik Baden
Da es in dem Verfahren um den Umgang mit dem am weitest verbreiteten Narkosemittel in der Medizin geht, wird es auch in Fachkreisen mit Spannung verfolgt. Der Anästhesist hat entgegen jeder Regel nämlich ein bereits geöffnetes Fläschen Propofol in einer Plastik-Jausenbox mit nach Hause genommen, im Kühlschrank zwischen Lebensmitteln gelagert und am nächsten Tag zu den Eingriffen in die Kinderwunschklinik mitgenommen – in einer Jausenbox. Laut Anklage sollen sich durch den nicht sterilen Umgang Darmkeime gebildet und diese den Frauen injiziert worden sein.
"Habe mich schuldig gefühlt"
Dass er das Propofol nicht richtig verwendet hat, bestreitet der Arzt gar nicht. „Ich habe mich auch schuldig gefühlt. Später bin ich aber draufgekommen, dass der Keim auch woanders hätte herrühren können“, plädiert der Anästhesist auf „nicht schuldig“.
Laut seinem Anwalt, Michael Dohr, könne sich der Keim genauso gut auf dem Operationsbesteck der Klinik befunden haben. „Das ist nicht ungewöhnlich. 2.500 Patienten sterben jährlich an Spitalskeimen“, sagt Dohr, der die mangelnde forensische Untersuchung scharf kritisiert. Im Labor des AKH wurden zwar die leeren Fläschchen des Narkosemittels auf Verunreinigung geprüft, das verwendete OP-Besteck hingegen nicht. Alles lag zuvor aber in einem Mülleimer der Klinik.
Die Kinderwunschklinik habe nur sterile, original verpackte OP-Materialien ins Wiener AKH zur Untersuchung geschickt, so Dohr. Es sei allerdings äußert unwahrscheinlich, dass alle drei verwendeten OP-Bestecke kontaminiert waren, hieß es im Prozess.

Die Kinderwunschklinik in Baden
Laut Gutachten steht zumindest fest, dass die Sepsis der Patientinnen von dem Darmkeim herrührte. Ein Überstimulationssyndrom (OHSS) durch die Eizellen-Punktion schließt der Sachverständige aus. „Es weist alles darauf hin, dass der Entzündungsherd von außen eingebracht wurde“.
Der Prozess wurde auf 11. August vertagt. Die Sachverständigen sollen bis dahin noch Detailfragen zu den Blutwerten der Opfer klären.
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