Streuobstgärten als Gen-Schatzkiste des Obsts: Wieder drei neue Sorten entdeckt
„Und wenn wir noch 100 Jahre forschen, werden wir nicht alles wissen.“
Über die Geheimnisse der Obstbäume auf den Mostviertler Streuobstwiesen haben die Pomologinnen Martina Schmidthaler und ihre Kollegin Gerlinde Handlechner schon das Standardwerk zur Obstbestimmung mit 250 Sorten erarbeitet. Das Buch müsste nach der heurigen Herbstarbeit schon wieder adaptiert werden. Denn bei den an der Moststraße ausgerufenen Sortenbestimmungstagen wurden auch heuer wieder verschollene geglaubte Obstbirnen und sogar noch nie aufgefallene Sorten entdeckt.
Alte Sorten zu erkennen und zu sichern ist im Mostviertel eine der Maßnahmen, um die einzigartige Kultur mit den riesigen Bäumen auf den Streuobstwiesen zu retten.
Bedrohung
Es gibt auch noch andere Maßnahmen: Über die Leaderregion Moststraße organisiert wurden etwa erst vor zwei Wochen rund 3.000 geförderte Jungbäume an Obstbauern und Private ausgegeben.
„Der viröse Birnenverfall, die Trockenheit und der Klimawandel setzen den Bäumen massiv zu “, so Schmidthaler. Es gelte nun eben die widerstandsfähigsten Sorten zu finden. „Manche 100-jährige Bäume können altersbedingt die Krankheit nicht mehr verbergen. Und dann gibt es wieder 100-jährige Bäume, die stehen da wie aus dem Ei gepellt“, schildert die Obstkundlerin. Aus den Wurzelstöcken dieser Bäume will man Stammunterlagen für die Sortenvermehrung gewinnen.
Je mehr besondere Bäume unter den rund 300.000 Birnbäumen und nochmals 200.000 Apfelbäumen im Mostviertel man genau kennt, desto besser. Trotz des bekannten Sortenreichtums werden in der Most- und Saftproduktion nämlich derzeit nur rund 15 genutzt.
Dass seit dem Start der Mostobstkultur durch Maria Theresia im Laufe von Jahrhunderten Sorten vergessen, gerodet oder überhaupt unter falschem Namen gepflegt wurden, zeigte sich bei der wissenschaftlichen Sortenbestimmung in den vergangenen Jahren immer wieder.
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Ressourcen
„Es ist jedes Jahr aufregend und spannend“, schildert Schmidthaler die Sortenbestimmungsarbeit. Wieder zeigte sich, dass in den Gärten noch immer unglaubliche Gen-Ressourcen schlummern. Groß war die Freude, weil mit der „Sauerbirne“, der „Weißen Fuchsbirne“ und der „Welschen Bratbirne“ drei bislang verschollene Sorten wieder entdeckt wurden.
Doch die Überraschungen setzten sich fort. Entdeckten Schmidthaler und Handlechner doch unter den Hunderten Früchten, die zur Bestimmung abgegeben wurden, auch Unbekanntes. Drei Birnensorten waren für die Expertinnen völlig neu. In Abstimmung mit den Besitzern gehen da jetzt weitreichende Nachforschungen los. Große Hilfe bietet mittlerweile eine DNA-Analyse, für die man Blätter der Bäume in die Schweiz schicken musste. „Es ist faszinierend welche Schätze da regional und lokal noch schlummern“, so Schmidthaler euphorisch.
Genauso begeistern kann sie sich aber auch für Sorten, die im Mostviertel eigentlich nicht zu erwarten sind, aber trotzdem entdeckt werden: So tauchten heuer etwa die uralte deutsche Champagner Bratbirne und der russische Antonowka-Apfel auf.
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