Spanische Hofreitschule: Junge Reiter wahren alte Tradition

457 Jahre – so lange ist es her, dass der Grundstein für die Spanische Hofreitschule gelegt wurde. Vieles hat sich seither in dem Betrieb verändert, und natürlich ist auch vieles moderner geworden. An manchen Traditionen lässt sich für die Reitersleute aber nicht rütteln, ganz gleich, wie viel Wasser die Donau hinunterfließt; dazu zählt auch der Einsatz von Birkengerten für das Training der edlen Hengste, die seit dem 16. Jahrhundert von Hand geerntet werden.
So geschehen zuletzt im Wienerwald nahe Pressbaum (Bezirk St. Pölten): Die Hofreitschule pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesforsten, die jedes Jahr die Ernte anleiten. „Dort weiß man, wann die beste Zeit dafür ist“, sagt Anna Georgiades, Sprecherin der Hofreitschule. Denn die Zweige werden stets im Winter gesammelt, wenn die Bäume in sogenannter Saftruhe stehen. Dann klingelt in den altehrwürdigen Hallen in der Wiener Innenstadt das Telefon – und eine Gruppe von Eleven und Bereiteranwärter macht sich auf, um passende Äste zu finden.

Die „Naturgerten“ werden beim Reiten und bei der Ausbildung vom Boden aus eingesetzt
Die Birkenzweige aus dem Bundesforste-Revier Pressbaum dienen als „Naturrohstoff“ für rund 1.000 Reitgerten. Dafür werden ausschließlich die Haupttriebe – sogenannte Terminaltriebe – von jungen, meist drei- bis sechsjährigen Birken verwendet. Diese sind gerade gewachsen, wenig verzweigt und verfügen über einen Durchmesser von ein bis zwei Zentimeter. Nach dem Schnitt der Zweige entfernen die jungen Reiter die Seitentriebe. Anschließend werden die Äste gebündelt und über mehrere Monate im Keller der Hofreitschule luftgetrocknet.
Kein Showgag
„Wir setzen zur Ausbildung der Pferde ausschließlich Birkenzweige ein“, erklärt Georgiades. Die Naturgerten sind also kein Showgag, sondern Teil der alltäglichen Praxis. Rund sechs Jahre dauert die Ausbildung der Hengste, die nach den Maßstäben der „Hohen Schule“ erfolgt – und die die „Spanische“ weltweit einzigartig macht. Um die Pferde Schritt für Schritt an die anspruchsvollen Lektionen heranzuführen, eignen sich die Triebe ideal. „Junge Birkenzweige sind trotz ihrer hohen Stabilität biegsam und äußerst elastisch. Sie bringen somit von Natur aus beste Voraussetzungen für die außergewöhnliche Verwendung in der Spanischen Hofreitschule mit“, so Andreas Gruber, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz der Bundesforste.
Bevor die Naturreitgerten zum Einsatz kommen, werden sie knapp zuvor in Wasser eingelegt, um die Elastizität zu sichern. „Diese Tradition, die über die Jahrhunderte bewahrt und an die Jüngsten in unserem Team übertragen wurde, zeigt in wunderbarer Weise wie lebendige Geschichte in der Spanischen Hofreitschule weitergeschrieben wird“, so Alfred Hudler, Geschäftsführer der Hofreitschule. Eine Tradition also, die einfach dazugehört. Und das auch noch nach 457 Jahren.
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