30.000 Menschen seit fünf Jahren ohne Kassen-Kinderarzt
Kinderarzt mit Kassenvertrag – für viele Eltern eine seltene Spezies. In ganz Niederösterreich sind elf Stellen derzeit unbesetzt, viele schon lange. Jene in Purkersdorf (Bezirk St. Pölten) ist seit Oktober 2016 zu haben, niemand findet sich. Wer in der 30.000 Menschen umfassenden Region nicht nach Wien oder Tulln oder in überfüllte Spitalsambulanzen fahren will, ist auf Wahlärzte angewiesen.
Wo man zahlen muss, wenn man überhaupt einen Termin bekommt. Zwar werden bis zu 80 Prozent von der Krankenkasse refundiert, aber nur davon, was die Kasse einem Vertragsarzt zahlen hätte müssen, nicht 80 Prozent des tatsächlichen Honorars.
Ein Dilemma, das man nicht hinnehmen möchte. Purkersdorfs bislang letzte Kinderärztin Christa Levin-Leitner hat, als sie in Pension ging, eine Unterschriftenaktion angeregt. Eine Bürgerinitiative rund um Stadtrat Josef Baum (Liste Baum) hat sie durchgeführt, 700 Menschen haben sie unterstützt. Der Gemeinderat hat das Anliegen einstimmig befürwortet.
Lösungsvorschlag
Nun präsentierte die Initiative eine Lösung: Das Primärversorgungszentrum St. Pölten könnte eine Kinderarzt-Außenstelle in Purkersdorf einrichten, sogar ein passendes Quartier wäre aktuell zu haben. „Seit sieben Monaten liegt dieser Vorschlag auf dem Tisch. Wir brauchen jetzt eine konkrete Zusage. Oder die Ärztekammer präsentiert eine andere Lösung“, fordert Baum. Gemeinderätin Waltraud Frotz (ÖVP), selbst Medizinerin, spricht von einer „stiefmütterlichen Versorgung in den Wienerwaldgemeinden. Heidelinde Eisingerich-Dillenz von KiB children care kritisiert, dass viel zu wenig auf die Situation der Eltern und Kinder geachtet werde und ärztliche Versorgung keine Frage des Kontostandes sein dürfe. „Wieso muss man um Termine für die Kinder betteln?“
Kinder(wahl-)ärztin Waltraud Sattler-Ertl würde in der Außenstelle mitarbeiten. Zur Verfügung stehende Infrastruktur, keine arztfremden Tätigkeiten, mehr Zeit für die Patienten und eine entsprechende Honorierung seien die Vorteile. Und sie verstehe auch, warum es so schwierig sei, Kassenärzte zu den geltenden Konditionen zu finden: Man sei gezwungen, möglichst viele Kinder in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Schlecht für den Arzt, schlecht für die kleinen Patienten.
Birgit Jung, Sprecherin der Ärztekammer, betont, dass man alles versuche, eine – auch individuelle – Lösung zu finden. Auch eine Anschubfinanzierung stehe zur Verfügung. Man sei derzeit in Gesprächen, eine Zweitordination eines Kinderarztes im Frühjahr zu eröffnen.
Bürgermeister Stefan Steinbichler (SPÖ) stellt eine weitere Förderung durch die Gemeinde in Aussicht und hofft, dass ein Termin bei Minister Johannes Rauch Bewegung in die Sache bringt.
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