Ärztemangel: Wenn man den Kinderarzt schon in der Schwangerschaft suchen muss
„Wir haben Eltern, die sich schon während der Schwangerschaft bei einem Kinderarzt anmelden“, erzählt Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde.
Tatsächlich ist es vor allem in NÖ nicht gut um die kassenärztliche Versorgung der Kleinsten bestellt. 14 von 295,5 Kassenplanstellen sind laut der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) österreichweit unbesetzt, sechs davon in Niederösterreich. Neos und Ärztekammer sprechen sogar von neun Kassenstellen. 43 gibt es im Bundesland.
Und es könnte noch schlimmer kommen: „Es ist eine echte Katastrophe“, sagt der nö. Ärztekammer-Präsident Harald Schlögel. „Ich habe von vier Ärzten gehört, die ihren Kassenvertrag zurücklegen wollen.“ Während man bei der ÖGK davon spricht, dass viele Kinderärzte in Pension gehen und es zu wenig Nachwuchs auch aufgrund begrenzter Ausbildungsplätze gibt, sehen die Mediziner das Problem woanders.
Bezahlung ist Teil des Problems
Neben Faktoren wie dem Wunsch nach guter Work-Life-Balance und geregelten Arbeitszeiten, die viele Jungmediziner generell davon abhalten, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen, gehe es nämlich auch ums Geld. „Die Kinder- und Jugendmedizin liegt beim Umsatz im Bundesländervergleich an siebter Stelle“, sagt Schlögel. In Wien bezahle die Kasse 40 Prozent mehr. Denn trotz Zusammenlegung der Krankenkassen gebe es nach wie vor keinen bundeseinheitlichen Leistungskatalog, kritisiert er.
Dazu komme, dass die Kinder- und Jugendmedizin eines der arbeitsintensivsten Fächer sei. Kleine Kinder könnten nicht sagen, wo es ihnen wehtue, wollten oft nicht behandelt werden. Eine Untersuchung dauert länger, als bei Erwachsenen, auch die Eltern brauchen Ansprache.
Teamwork
Für die Mediziner ist Teamarbeit die Zukunft des Faches. Es müssten Stellen proaktiv als Gruppenpraxen oder Primärversorgungseinrichtungen ausgeschrieben werden, meint Schlögel. Das hat unter dem Druck des Ärztemangels auch die ÖGK erkannt.
In St. Pölten etwa sind nun Kinderärzte in einem Primärversorgungszentrum tätig, nachdem zuvor kein Kassenarzt gefunden werden konnte. In Mödling, wo eine Stelle seit fünf Jahren vakant ist, übernimmt seit Herbst 2021 (vorerst bis Februar 2023) die Ambulanz des Krankenhauses Mödling die kinderärztliche Versorgung.
In der Obersteiermark ordinieren bei der „Operation Bergdoktor“ Spitalsärzte in dislozierten Ambulanzen, finanziert werden die Räumlichkeiten durch die ÖGK. „Ich glaube, so etwas wird für die Verordnung die einzige Möglichkeit sein“, meint Kerbl, der auch die Forcierung von Lehrpraxen für Kinder- und Jugendfachärzte fordert.
In der Zwischenzeit erinnert Schlögel, dass auch die Hausärzte für eine Erstbegutachtung aufgesucht werden können.
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