Der Mangel an Kinderärzten sei aber kein rein niederösterreichisches Phänomen, sagt Dietmar Baumgartner, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer Niederösterreich und selbst pensionierter Kinderarzt. Das reiche von Wien bis in die Steiermark und weit über die Landesgrenzen hinaus. Bereits in den 1990er-Jahren habe Frankreich massive Probleme mit fehlenden Kinderärzten gehabt.
„Bei der Vergabe von Kassenstellen gab es bei uns früher Hearings mit neun bis zehn Leuten. Mittlerweile sind es Bewerbungsgespräche mit nur einem Bewerber“, sagt Baumgartner.
Die Gründe für das Fehlen von Kinderärzten mit Kassenvertrag seien aber vielfältig. Einerseits gebe es eine Pensionierungswelle, die auf das System zurolle und zahlreiche offene Stellen hinterlasse.
Andererseits fehle aber auch die Nachbesetzung. Ursache dafür sei unter anderem die Bezahlung. „Die ist seit Jahrzehnten am unteren Ende der Ärzte mit Kassenvertrag.“ Die Leistungskataloge der Sozialversicherung, in denen die Kosten für die Einzelleistungen festgelegt sind, würden noch aus den 1950er-Jahren stammen. Das Honorierungssystem müsse also dringend erneuert werden.
Wichtig sei, auch die geänderten Lebensbedingungen der Jungärzte anzuerkennen, so Baumgartner. „In Grippezeiten hat man früher 110 bis 120 Kinder täglich behandelt. Das wollen die Jungen heute nicht mehr. Sie nehmen sich lieber Zeit für Gespräche und behandeln nur 20 bis 30 Kinder.“ Das wiederum wirke sich negativ auf die Bezahlung aus, da Aufklärungsgespräche anders als etwa ein Ultraschall nicht als technische Leistung gelten.
Auch das Verhältnis zur Freizeit habe sich verändert. Junge Ärzte möchten flexibel arbeiten. Außerdem trage man mit einer Kassenstelle große Verantwortung. „An Krankenhäuser gewöhnt, möchten Ärztinnen und Ärzte lieber in Teams arbeiten als alleine in einer Praxis.“
Interessierte an der Kinder- und Jugendheilkunde gebe es aber genügend. Nur Ausbildungsstellen würden häufig fehlen, so der Experte und nennt das Beispiel eines Krankenhauses in der Steiermark, wo es mehr Bewerber als offene Stellen gibt.
Der Meinung ist auch die ÖGK. Das Grundproblem sieht man dort vor allem an den Universitäten. Ausbildungsplätze seien schwer zu bekommen, so ein Sprecher. „Schließlich entscheiden sie sich oft frustriert für eine andere Berufslaufbahn.“
Aufgrund des Mangels an Kinderärzten mit Kassenvertrag und der anstehenden Pensionierungswelle, fordert der Verein „KiB children care“ die Rückerstattung aller Kosten für Privatärzte an Orten, wo die Basisversorgung durch Kassenärzte nicht gegeben ist.
Um auf den Mangel und die neuen Anforderungen zu reagieren, setzte man in der ÖGK vermehrt auf Gruppenpraxismodelle und Teilzeitangebote. Und auch die Aufnahme von Kinderärzten in bestehende Primärversorgungseinheiten sei nun geglückt, so die ÖGK.
Um das Problem auch langfristig in den Griff zu bekommen strebe man außerdem an, Lehrpraxen als Pilotprojekt zu initiieren.
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