Die Ladentische biegen sich unter der Last gefälschter Markenkleidung, verbotener Waffen und vor allem illegaler Pyrotechnik. „Dumbum“-Geschoße, Kugelbomben und mehr. „Die verkaufen das alles an Kinder“, sagt Tobias.
In Österreich gab es in den vergangenen zehn Jahren 1.600 Verletzungen durch Böller und Raketen. Mehr als die Hälfte der Opfer war zwischen 15 und 24 Jahre alt. Das war dem Jugendlichen vor einem Jahr noch nicht so bewusst. Und so kehrte er mit seinen Freunden mit Taschen voller Feuerwerk aus dem Böller-Paradies zurück.
Sprengkraft würde Telefonzelle in Luft jagen
„Wir haben den größten Teil schon vor Silvester verschossen. Dabei ist alles gut gegangen“, schildert Tobias. Quasi als Highlight hob er sich den „Supersize No. 1“-Böller für den Jahreswechsel auf. Nachdem er am Silvesterabend mit Freunden unterwegs gewesen war, fuhr er kurz vor Mitternacht alleine zum Sportplatz in Lichtenau (Krems-Land).
Er erinnert sich noch genau daran. Andere Freunde waren 100 Meter weiter auf einer anderen Wiese, als das Unglück seinen Lauf nahm. Er hielt den Riesenkracher der Kategorie F4 in seiner rechten Hand, in der Linken das Feuerzeug.
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„Er hat sofort durchgezündet und ist in meiner Hand explodiert“. Der Name „Supersize“ kommt nicht von ungefähr. Die Sprengkraft des Böllers ist so groß, dass man damit locker Telefonzellen in die Luft jagen kann, sagen Pyrotechnik-Experten des Landeskriminalamtes.
Zeit, Abschied zu nehmen
„Ich bin am Boden gelegen und habe in den Himmel gestarrt“, erzählt Tobias. Das letzte woran er sich noch erinnern kann ist, dass ihm eine Frau geholfen hat und der Rettungshubschrauber gelandet ist. Danach: „Filmriss“.
Weil im AKH Wien in der Nacht kein Bett frei war, steuerte „Christophorus 2“ die Klinik in St. Pölten an. „Während des CT hatte ich den ersten Herzstillstand“, erzählt Tobias. Er wurde mehrmals reanimiert, stundenlang am offenen Herzen operiert. Das rechte Auge war nicht mehr zu retten.
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Als am 4. Jänner schwere Komplikationen und eine Blutvergiftung auftraten, „glaubten alle, das wird mein Todestag“. Die Familie kam, um Abschied zu nehmen. Aber der 17-Jährige war noch nicht bereit, zu gehen. Neun Tage hing er an der Herz-Lungen-Maschine. „Niemand wusste, ob ich es überlebe“.
Albträume vom Krieg
Am 19. Tag im Koma begann Tobias zu halluzinieren. „Ich hatte Albträume vom Krieg. Vermutlich weil alle gesagt haben, ich sehe aus wie ein Kriegsopfer.“
Am 21. Tag geschah ein kleines Wunder. „Der Katheter war abgeknickt und ich wachte mitten in der Nacht auf“, schildert er.
Heute, rund 30 Operationen später und mit einer Armprothese ausgestattet, hofft der Teenager, jungen Menschen mit seiner Geschichte die Augen zu öffnen. „Lasst die Finger von diesem Teufelszeug“, lautet seine Botschaft. Das Leben sei viel zu wertvoll, um es für so einen „Schwachsinn“ zu verlieren. „Es war der größte Fehler und hat mein gesamtes Leben verändert.“
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Mit den schockierenden Bildern von der Intensivstation will er in Sozialen Medien bewusst wachrütteln. Vorträge an Schulen möchte er nutzen, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen und einen Beitrag zu leisten, damit Silvesterabende weniger blutig enden. Das ORF-Magazin „Thema“ mit Christoph Feurstein widmet sich am Montag, 18. Dezember, ab 21.10 Uhr der Geschichte des 17-jährigen Bölleropfers.
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