Sicherheitsdebatte nach Helikopter-Absturz: Instrumentenanflug gestoppt
Hans Peter Haselsteiners Hubschrauber zerschellte am Flugplatz in Wiener Neustadt im Nebel. Ein Instrumentenanflugverfahren wurde zuvor von der Behörde ausgesetzt
Ein Termin rettete Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner vermutlich das Leben. Der 77-Jährige stieg am Sonntag gegen 16.20 Uhr am Außenlandeplatz auf der steirischen Seite der Semmeringer Passhöhe aus dem Bell 429 Hubschrauber seiner Charterfluggesellschaft „Goldeck-Fly“.
Der Kärntner Pilot Roland Prünster (50) ließ hingegen die Rotoren laufen und hob sofort wieder in Richtung Stützpunkt am Flugplatz Wiener Neustadt-Ost ab. Um 16.45 Uhr zerschellte die Maschine bei schlechter Sicht in einer Wiese neben der Landebahn am Flugplatz Wiener Neustadt-Ost und explodierte. Prünster war auf der Stelle tot. Er war zwölf Jahre lang im Cockpit von Hubschraubern gesessen, seit 2016 flog er Haselsteiners Maschine. Kollegen sprechen von einem äußert erfahrenen und besonnenen Piloten.
Ohne der Flugunfallkommission vorgreifen zu wollen, befürchtet man in der Branche, dass er im Nebel womöglich die Orientierung verloren hat. Für diese Annahme sprechen zwei Wendemanöver über dem Platz sowie die hohe Sinkgeschwindigkeit des Helikopters mit einem heftigen Einschlag am Boden.
Sicherheitsproblem?
Das Unglück heizt wieder einmal die Debatte um die Sicherheit am Flugplatz Wiener Neustadt an. Mit 35.000 bis 45.000 Starts und Landungen pro Jahr zählt der Flugplatz die meisten Flugbewegungen nach den großen Flughäfen Österreichs. Doch gerade bei Schlechtwetter und Nebel, wie es im Wiener Becken gerade im Herbst und Winter häufig der Fall ist, herrscht laut Piloten ein gewisses Sicherheitsrisiko.
Deshalb erhoffte man sich gerade durch ein neues Wolkendurchstoßverfahren nach Instrumentenflugregeln (genannt IFR-Cloud Breaking Procedure; die Flugsicherung lotst den Piloten, siehe Kasten) eine deutliche Verbesserung der Situation. Es wurde für die Flugplätze Wiener Neustadt und Bad Vöslau (Bezirk Baden) zuerst umgesetzt – und kürzlich überraschend gestoppt. Wie das Büro von Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegenüber dem KURIER bestätigt, „wurde dieses Wolkendurchstoßverfahren im Juli dieses Jahres aufgrund von vermehrten Vorfallsmeldungen ausgesetzt und ist aktuell in Überarbeitung. Somit sind sowohl Anflug als auch Landung nur nach Sichtflugregeln möglich“, heißt es vonseiten des Ministeriums.
Wie Markus Pohanka von der Austro Control erklärt, habe die Luftfahrtbehörde reagieren müssen, weil sich Piloten nicht an das Verfahren gehalten haben. Deshalb wird das Anflugsystem für beide Flugplätze evaluiert, das Ministerium müsse die Sache prüfen, bevor es wieder angewendet werden kann. „Nach entsprechender Prüfung soll es rasch wieder in Kraft gesetzt werden“, sagt Pohanka. Für den Wiener Neustädter Flugplatz-Manager Harald Ullmann sei die Entscheidung „nicht nachvollziehbar“ und gehe auf Kosten der Sicherheit.
Das „Cloud Breaking Procedure“ ändere aber nichts daran, dass zum Schluss eines Fluges im Sichtflug gelandet werden müsse, heißt es seitens der Austro Control. Es hätte für den Hubschrauberabsturz am Sonntag daher keinen Unterschied gemacht. Denn der Punkt, an dem von Instrumentenanflug (IFR) auf Sichtflug umgestellt werden müsse, liege weit vor der Start- und Landebahn, so Pohanka. Bis dahin sei Roland Prünster auf seinem Flug von Bozen nach Wiener Neustadt ohne Probleme unterwegs gewesen. Laut Ullmann gab es kurz vor dem Absturz sogar noch Funkkontakt zwischen Tower und Maschine. „Die Sichtverhältnisse haben gewechselt. Der Pilot bekommt von uns Hinweise zu den Bedingungen, es liegt aber in seiner Verantwortung, ob er landet“, erklärt Ullmann.
Die Absturzstelle in Wiener Neustadt liegt übrigens nur 200 Meter vom Hallenbad Aqua Nova entfernt. Dort tummelten sich Sonntagabend vor dem Lockdown noch Hunderte Badegäste.
In der Luftfahrt gibt es mehrere Möglichkeiten des Anflugverfahrens. Bei einem Instrumentenanflugverfahren (IFR) wird das Fluggerät von der Flugsicherung bis zu einer gewissen Höhe gelotst. Von dort aus erfolgt die Landung auf Sicht
800 Meter beträgt die Mindestsicht für Hubschrauber im nicht gesicherten Luftraum, für Flächenflugzeuge sind es 1.500 Meter Sichtweite
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