Semmering-Basistunnel: Es ist eingetreten, wovor die Gegner warnten

Im Basistunnel wurde vergangenen Herbst in Göstritz (NÖ) eine Quelle getroffen. Monatelang schossen 60 Liter Wasser pro Sekunde aus dem Reservoir und überfluteten die Stollen
Massive Wassereinbrüche verzögern das Projekt um zwei Jahre. Die Umweltschützer sehen sich in ihren Warnungen bestätigt.

Es ist exakt das eingetreten, wovor die Tunnelgegner und die Umweltorganisation „Alliance for Nature“ immer gewarnt haben. Doch die Behörde hatte grünes Licht gegeben.

Massive Wassereinbrüche und andere Komplikationen beim Bau des 27 Kilometer langen Semmering-Basistunnel haben den Zeitplan des Monsterprojekts um zwei Jahre nach hinten verschoben. Nachdem man bereits im Vorjahr bekannt gegeben hat, dass sich die prognostizierte Freigabe um ein Jahr auf 2027 verzögert, wurde am Donnerstag nun ein weiterer Rückschlag eingestanden. Nach den vielen Zwischenfällen hat eine neuen Evaluierung ergeben, dass die Verkehrsfreigabe frühestens mit dem Fahrplanwechsel 2028 erfolgen kann. Auch die Baukosten erhöhen sich um gut elf Prozent auf 3,5 Milliarden Euro, erklärte Franz Bauer, Vorstandsdirektor ÖBB-Infrastruktur AG.

Die weitere Verzögerung ist den vielen geologischen Komplikationen geschuldet, die besonders im „Katastrophenjahr“ 2019 eingetreten sind, sagt Alois Vigl, Experte für Geotechnik und Tunnelbau. Bei Tunnelarbeiten in Gloggnitz kam es zu massiven Gesteinseinbrüchen in einer der beiden Tunnelröhren. 100 Meter darüber, im Gemeindegebiet von Aue bei Gloggnitz, entstand dadurch ein Krater in der Größe eines Einfamilienhauses an der Erdoberfläche. Damit noch nicht genug, wurde beim Vortrieb Göstritz in Niederösterreich ein sogenannter Karstschlauch angefahren. Die Quelle flutete das Tunnelsystem mit 100 Liter Bergwasser pro Sekunde. „Das haben wir nicht erwartet und es ist uns erst Ende 2020 gelungen, dieses Wasser aus dem Tunnelvortrieb hinaus zu bekommen“, so Vigl.

Semmering-Basistunnel: Es ist eingetreten, wovor die Gegner warnten

Auch auf steirischer Seite setzte sich die Pannenserie fort. Eine der beiden Tunnelbohrmaschinen blieb stecken und musste mühevoll ausgegraben werden. In weiterer Folge konnte die zweite Tunnelbohrmaschine auf dem Gleis daneben die Stelle nicht passieren und stand fast zwei Monate lang still. „Wir alle haben gewusst, dass es tunnelbautechnisch eine massive Herausforderung wird. Aber wir haben nicht mit dieser Häufung an Komplikationen gerechnet“, erklärt der Geologe.

Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten

Die Umweltschützer von „Alliance for Nature (AfN)“ sehen sich durch dieses Eingeständnis bestätigt. „Jahrelang haben wir vergeblich vor den zerstörerischen Umweltauswirkungen in der Semmeringregion gewarnt“, sagt AfN-Generalsekretär Christian Schuhböck. Er verlangt, dass durch die Ereignisse das UNESCO-Weltkulturerbe Semmeringbahn auf die rote Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt wird. „Millionen Liter frischen Quellwassers werden täglich dem natürlichen Wasserhaushalt entzogen. Dennoch sehen die Verantwortlichen tatenlos zu, wie das Welterbestätte dem Milliardenprojekt geopfert wird“, so Schuhböck.

Beim Tunnelbau muss die sogenannte Grassberg-Nordrand-Störung – laut Geologen eine der komplexesten geologisch-tektonischen Strukturen der Ostalpen – überwunden werden. Insgesamt müssen für den Tunnel 14 Vortriebe mit rund 62 Kilometern gegraben werden. Zwei Drittel davon sind bereits bewältigt.

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