St. Pölten-Wahl: Rot bleibt absolut, blaues Debakel, Grüne im Glück
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St. Pölten, die Landeshauptstadt im Herzen des schwarzen Niederösterreichs, bleibt weiter rot. SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler konnte bei der Gemeinderatswahl abermals die absolute Mehrheit verteidigen. Allerdings war die Freude über den Sieg etwas gebremst. Denn die Sozialdemokraten büßten rund drei Prozentpunkte ein. Zur Erinnerung: 2016 lag die SPÖ bei 59 Prozent.
Die Gewinner
Gewinner sind die ÖVP, die Grünen und auch die Neos, die mit Comedian Niko Formanek erstmals den Sprung in den Gemeinderat schafften.
Die Volkspartei, die noch vor fünf Jahren das schlechteste Ergebnis in ihrer Parteigeschichte (20,3 Prozent) einfuhr, schaffte ein Plus von rund 2,4 Prozent. Die Grünen, die zuletzt gar nicht mehr im Stadtparlament vertreten waren, kamen auf (sensationelle) acht Prozent und ziehen somit mit drei Mandaten in den Gemeinderat ein.
Die Verlierer
Die im Vorfeld von Polit-Beobachtern prognostizierte Niederlage setzte es für die Freiheitlichen. Der "Ibiza-Effekt" schlug sich auch auf die FPÖ in der Landeshauptstadt nieder. Seit Sonntag ist das Team rund um Klaus Otzelberger mit 8,91 Prozent nur noch einstellig, im Jahr 2016 schafften sie mit 14,7 Prozent noch ein Rekord-Ergebnis.
Matthias Stadler Bürgermeister, SPÖ
„Die Verluste führe ich auf die geringe Wahlbeteiligung zurück. Wir werden unser Programm durchziehen“, sagt Matthias Stadler Bürgermeister (SPÖ)
Matthias Adl Vizebürgermeister, ÖVP
„Ich bin froh, dass wir mit unseren Themen punkten konnten. Die Stadt hat Wachstumsschmerzen“, so Matthias Adl
Vizebürgermeister (ÖVP)
Klaus Otzelberger FPÖ
„Unser Wunschziel waren zehn Prozent. Wir sind aber mit einem blauen Auge davongekommen“ sagt Klaus Otzelberger
(FPÖ)
Christina Engel-Unterberger Grüne
„Es ist ein überwältigendes Ergebnis. Der Sitz im Stadtsenat ist für die Arbeit enorm wichtig“, so Christina Engel-Unterberger
(Grüne)
Niko Formanek Neos
„Wir wollen nun frischen Wind in die angestaubte Gemeindestube der Stadt bringen“, so Niko Formanek
(Neos)
Aber auch die Corona-Pandemie spielte an diesem Sonntag eine große Rolle. Sie dürfte sich doch wesentlich auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt haben. 55,96 Prozent bedeuten ein Minus von knapp acht Prozent gegenüber 2016.
Wahl mitten im Lockdown
Ein Fall für die Geschichtsbücher ist die Wahl aber allemal. Denn es waren Bilder, die es in fünf Jahren hoffentlich nicht mehr geben wird. So durften die 72 Wahllokale nur mit Mund-Nasen-Schutz betreten werden, Ordnerdienste achteten penibel darauf, dass der Sicherheitsabstand eingehalten wurde, zudem erhielt jeder Wähler aus hygienischen Gründen einen eigenen Wahlbleistift, der behalten werden durfte.
Das Ergebnis, das um 19 Uhr verkündet wurde, wird für keine politischen Machtverschiebungen in der Landeshauptstadt sorgen. Denn die SPÖ hält auch weiterhin die Zweidrittelmehrheit im Stadtsenat. Stadler wurde nicht müde, diesen Umstand zu betonen.
Wohnbau-Boom
Stadler sah sich im Wahlkampf mit scharfer Kritik seitens der Opposition konfrontiert. ÖVP, FPÖ und die Grünen warfen dem SPÖ-Politiker vor, in Sachen Wohnbau zu sehr aufs Tempo zu drücken. Tatsächlich wurde in den vergangenen Jahren massiv Wohnraum geschaffen, tausende Wohnungen sollen noch entstehen.
Ob ihm dieser Umstand Stimmen kostete, oder sich die geringe Wahlbeteiligung besonders auf den regierenden Bürgermeister auswirkte, werden wohl erst die Analysen in den kommenden Tagen zeigen.
FPÖ: "Mit blauem Auge davongekommen"
In der St. Pöltner FPÖ war der Bundestrend schuld an den Verlusten. "Ich bin aber der Meinung, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind. Es hätte noch viel schlimmer kommen können", sagte Spitzenkandidat Klaus Otzelberger zum KURIER. Retten konnten die Freiheitlichen ihren Sitz im Stadtsenat, eine Personaldiskussion ist dennoch nicht ausgeschlossen.
Für die große Überraschung des Tages sorgten aber die Grünen, die viele schon politisch abgeschrieben hatten. Christina Engel-Unterberger sprach vom "besten Ergebnis, das wir in St. Pölten je hatten". Grund dafür sei zum einen ihr "kompetentes und zuverlässiges Team" gewesen, zum anderen eine richtige Themenwahl. Mit dem Thema Umweltschutz habe man "viele Leute mitgenommen", jetzt sei die Partei für Verhandlungen und Gespräche bereit.
Comedian jubelte für die Neos
Ausgerechnet ein Comedian ließ die Neos jubeln. Mit Niko Formanek hat die Partei nun auch im St. Pöltner Gemeinderat eine Stimme. Noch vor einigen Monaten galten die Neos als chancenlos, mit seiner lockeren, teilweise sehr unkonventionellen Art konnte Formanek aber doch einige Bürger für sich gewinnen.
Einen riskanten Kurs hatte die Wirtschaftspartei ÖVP mit ihrer Kritik am Wachstum der Stadt eingeschlagen. "Es waren die richtigen Themen", sagte Vizebürgermeister Matthias Adl. Er hatte recht behalten.
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