Dubiose Verträge: Die triste Situation der 24-Stunden-Betreuerinnen
„Die Lücke in der Betreuung“, sagt Michaela Schaffhauser-Linzatti von der Universität Wien, „ist größer als man glaubt“. Sie muss es wissen. Auf mehr als 200 Seiten hat sie sich mit ihrem Team mit der Situation der 24-Stunden-Betreuungskräfte auseinandergesetzt.
Österreichweit arbeiten rund 70.000 Menschen in der 24-Stunden-Betreuung, in Niederösterreich sind es etwa 15.000 Personen.
Die Vermittlung läuft meist über Agenturen, die hauptsächlich Frauen aus Rumänien, Ungarn, Kroatien und der Slowakei anwerben. Schaffhauser-Linzatti hat bei vielen von ihnen nachgefragt und eine erschreckende Antwort bekommen: Nur 32 Prozent wollen in der derzeitigen Form weitermachen, der Rest will aussteigen oder unter anderen Rahmenbedingungen arbeiten.
Dieser Unmut hat Gründe: Ein großes Problem ist, dass die Betreuer oftmals Informationen nur auf Deutsch erhalten, aber nicht in ihrer Muttersprache. Dazu kommt, dass die Frauen nicht nur alten und gebrechlichen Personen im Alltag helfen sollen, sondern von den Familien immer wieder fürs Kochen, Bügeln oder Waschen herangezogen werden.
„Es gibt sogar Fälle, wo die Frauen in der Landwirtschaft mithelfen mussten“, berichtet Schaffhauser-Linzatti. „Wir müssen das ganze Haus putzen, das ist aber nicht unsere Arbeit. Unsere Arbeit ist, beim Patienten zu bleiben“, gab eine der Befragten an.
Doppelbesteuerung
Die groß angelegte Studie (2.275 Fragebögen) ergab, dass sich die 24-Stunden-Betreuungskräfte von der Politik nicht wertgeschätzt fühlen. Es gibt den Ruf nach einer besseren finanziellen Honorierung und steuerlichen Änderungen, etwa was das Thema Doppelbesteuerung betrifft. Vor großen Ärger sorgt aber auch die mangelnde Transparenz, etwa bei Pauschalverträgen.
Neue Service-Plattform
„Immer weniger Betreuerinnen wollen nach Österreich kommen“, viele Ursachen dafür seien „hausgemacht“, kritisiert Christoph Lipinski, Geschäftsführer der vidaflex BetreuerInnen Service GmbH.
Seit Jahren wird bereits intensiv an Lösungen gearbeitet, betont Lipinski. Verbesserungen sollen unter anderem mit der Internet-Plattform betreuerinnen.at erzielt werden. Dieses Service laufe fair, sicher, transparent und frei von versteckten Kosten ab, heißt es. Angeboten wird ein Direktvertrag mit Mindesttarifen.
Verhandlungen
Gefordert ist aber eben auch die Politik. „Wir müssen weg kommen von der ausbeuterischen Scheinselbstständigkeit“, sagt SPÖ-Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig.
Das Thema Pflege werde auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei eine große Rolle spielen, versichert die Politikerin.
Der Druck steigt alleine schon aufgrund des demografischen Wandels. Derzeit beträgt der Altersschnitt bei Frauen 83,7 Jahre, bei Männern 78,9 Jahre. Bis zum Jahr 2080 wird sich der Schnitt nochmals um zehn Jahre erhöhen.
„Schon jetzt werden 71 Prozent der Pflegegeldbezieher zu Hause versorgt“, berichtet Rupert Dworak, Präsident des Gemeindevertreterverbandes. Der Bedarf an Betreuerinnen werde in Zukunft also noch massiv steigen, gab Dworak am Mittwoch zu bedenken.
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