Reittherapie: Mit vier Hufen gegen die Sucht
Wer an Therapien für Menschen mit Suchtproblemen denkt, hat häufig einen düsteren Raum im Kopf, in dem sich die Betroffenen im Sitzkreis zusammenfinden. Die Stimmung ist angespannt, niemand lacht.
Dass Therapie in Wahrheit ganz anders sein kann, zeigt Heiltherapeutin und Pferdetrainerin Martina Wütherich. Seit 15 Jahren unterhält die gebürtige Korneuburgerin eine Partnerschaft mit der „Zukunftsschmiede“, einer Einrichtung für stationäre Psychotherapie in Pressbaum (Bezirk St. Pölten-Land). Mit drei Pferden und dem Muli „Max“, dem Neuling in der Runde, macht sie einmal in der Woche Reittherapien für Menschen mit Suchterkrankungen.
„Viele Patienten hier haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht. Da fällt es ihnen oft leichter, eine Verbindung mit einem Pferd aufzubauen. Nach und nach entwickelt sich daraus dann eine Art Dreiecksbeziehung“, sagt Wütherich.
Vertrauen aufbauen
Und dieses Konzept scheint aufzugehen. „Tiere tun einem nicht weh, Menschen tun einem weh“, sagt Zukunftsschmiede-Patientin Sabine T. (Name von der Redaktion geändert, Anm.). Sie habe an Spiel- und Drogensucht gelitten. „Hauptsächlich an Spielsucht, aber die Drogen haben mein Leben zerstört“, sagt sie. Vertrauen aufzubauen falle ihr schwer. Mit „Knuddel“ aber, einem von Wütherichs Pferden, spricht sie wie mit einem Freund. Was sie sagt, ist kaum verständlich, aber sie spricht, was das Wichtigste ist. Kurz darauf wird auch die Therapeutin in das Gespräch miteinbezogen. Es geht um Haarfarben und eine Geburtstagsparty.
Umso länger die Therapie dauert, umso persönlicher werden die Gespräche. „Ich bin bereits als Kind geritten und habe mich deshalb sofort für diese Therapie entschieden“, sagt Sabine T.
Das sei nicht ungewöhnlich, viele der Menschen wollen gemachte Erfahrungen wieder aufleben lassen, so die Therapeutin. Nun gehe es darum, dem Leben der Menschen mit neuen Erfahrungen Struktur zu verleihen und das Selbstbewusstsein zu stärken. „In der Arbeit mit Pferden kann man sich führen lassen, man muss man aber auch selbst führen.“
Bei einer Pferdetherapie sei aber nie berechenbar was kommt. Manchmal sind die Patienten mutig und reiten, andere Male wird nur geredet. „Außerdem spiegelt das Pferd die Menschen wider. Wenn die Patienten positiv gestimmt sind, dann läuft auch die Arbeit mit den Tieren gut.“
Tiere sind Mitarbeiter
Die Basis sei aber immer ein ausgewogenes Pferd. „Die Tiere sind meine Mitarbeiter. Das verhält sich bei den Pferden wie bei den Menschen. Nur jemand, der mit beiden Beinen im Leben steht, oder wie in diesem Fall mit vieren, kann anderen helfen“, sagt die Therapeutin.
Vor allem bei Menschen mit Angst- und Sozialstörungen zeige die Arbeit von Martina Wütherich Erfolge, sagen Karin und Christian Voggeneder, die Leiter der „Zukunftsschmiede“. „Die Menschen, die hier in Therapie sind, haben meist eine psychische Grunderkrankung und haben gelernt, diese mit illegalen und legalen Substanzen zu ,behandeln’“, sagt der Leiter. Mit den Medikamenten versuchen sie ihrer Störung entgegenzuwirken. Nach dem körperlichen Entzug komme das Grundproblem aber wieder zum Vorschein. Das müsse dann therapiert werden.
Sabine T. sei jedenfalls guter Dinge. „Nach der Entlassung möchte ich mit meinen Kindern reiten gehen“, sagt sie.
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