Red Bull: Cobra fasste den Falschen

Red Bull: Cobra fasste den Falschen
Ein 22-Jähriger wurde für den Erpresser gehalten und von der Spezialeinheit überwältigt.

Im ersten Moment hab’ ich gedacht, ich bin in ,Versteckte Kamera‘. Aber es war purer Ernst. Ich hab mich eingeparkt und plötzlich standen zehn Mann rund um mein Auto, drei haben mit Waffen auf mich gezielt. Ärger als in jedem Krimi.“

An den Abend des 10. April wird sich der 22-jährige Daniel R. aus Münchendorf (Bezirk Mödling) noch lange erinnern. Unglückliche Umstände führten dazu, dass er von der Cobra für den Red-Bull-Erpresser gehalten wurde.

Gegen 21.30 Uhr führt der 22-Jährige seine Freundin nach Hause nach Mödling. Dumm nur, dass er sie just dort aussteigen lässt, wo die Cobra auf den Red-Bull-Erpresser lauert. Als er wieder wegfährt, hat er Verfolger. „Ich hab mich beeilt, weil ich noch die zweite Halbzeit vom Bayern-Match sehen wollte und hab mich gewundert, dass mir ein Wagen nachfährt.“

Red Bull: Cobra fasste den Falschen
daniel rom mödling münchendorf red bull erpresser cobra

Als Daniel R. in Münchendorf zu seiner Wohnhausanlage fährt, springen die Männer der Spezialeinheit aus dem zivilen Fahrzeug. Daniel R. blickt in die Läufe der Dienstwaffen. „Ich hatte die roten Punkte vom Ziellaser auf der Stirn“, schildert der 22-Jährige. Vor den Augen der Nachbarn musste R. mit erhobenen Händen aussteigen und sich auf den Boden legen.

Gefilzt

Er wurde auf Waffen durchsucht. „Ein Beamter ist auf meinem Rücken gekniet. Dann hat einer gemeint, dass es sich erledigt hat und sie sind wieder gefahren.“ Auf eine Entschuldigung wartet der 22-Jährige noch. Ganz zu schweigen von dem Eindruck, den die Nachbarn haben: „Die halten mich jetzt wahrscheinlich alle für einen Schwerverbrecher.“ Dass er für den Erpresser gehalten wurde, dämmerte Daniel erst, als er am Freitag die Geschichte in der Zeitung las.

Auf KURIER-Anfrage bestätigt Cobra-Sprecher Detlef Polay den Zwischenfall. „Der junge Mann war zum falschen Zeitpunkt ganz in der Nähe des kritischen Bereiches. Man wusste nicht, wer der Erpresser ist, also war er verdächtig“, sagt Polay. Die Beamten hätten richtig gehandelt und die Verfolgung aufgenommen. Erst nach dem Zugriff erhielten sie die Information, dass es sich um den Falschen handelt. Polay versichert, dass man Kontakt zu dem 22-Jährigen aufnehmen und ihn in die Cobra-Zentrale einladen werde.

Justizanstalt

Der mutmaßlich richtige Erpresser, der 47-jährige Familienvater Georg L. aus Vösendorf, wurde nach intensiven Einvernahmen Freitagmittag in die Justizanstalt Salzburg eingeliefert. „Er verantwortet sich schlüssig, dass er alleine agiert hat. Ein Anruf bei Red Bull wurde aus Berlin getätigt. Dafür dürfte er extra nach Deutschland geflogen sein“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg, Marcus Neher.

Obwohl noch umfangreiche Ermittlungen notwendig sind, sieht es derzeit danach aus, dass L. wegen Erpressung anstatt schwerer Erpressung angeklagt wird. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünf Jahre. Das Motiv für die Tat waren Geldsorgen. Er war mit einer Importfirma gescheitert.

Der 61-jährige Roland Concin leitet bei Red Bull weltweit die Abteilung „Operations“, die für Einkauf, Produktion und Logistik zuständig ist. Der gelernte Chemiker war Teil jenes Krisenteams, das der Salzburger Getränkehersteller einrichtete, als Ende Jänner 2013 die ersten Drohbriefe eingingen.

KURIER: Wie sehr hat Red Bull die Erpressung belastet?
Roland Concin:
Wir haben die Drohungen sehr ernst genommen und sofort ein Krisenteam gebildet, das sehr effizient mit der Polizei zusammengearbeitet hat. Es ging darum, gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel schnell und richtig auf die Drohungen zu reagieren. Die Filialen, die vom Erpresser erwähnt worden waren, haben wir sofort kontaktiert und in Absprache sämtliche dort lagernden Dosen in Red Bull-eigene Labors verbracht. Zum Glück wurde bei den eingehenden Analysen festgestellt, dass keine Manipulationen vorgenommen worden waren. Daher war klar: Es sind leere Drohungen des Erpressers. Der Handel konnte mit gutem Gewissen die Ware im Verkauf belassen.

Keine Umsatzrückgänge?
Nein.

Kein Imageverlust?
Ich denke nicht. Im Gegenteil: Wir glauben, durch die Vorgangsweise haben wir jenes Verantwortungsbewusstsein an den Tag gelegt, das man als Opfer einer Erpressung an den Tag legen kann. Dietrich Mateschitz hat entschieden, dass wir uns nicht erpressen lassen, dass wir eng mit der Polizei zusammen arbeiten und mit der Angelegenheit offen und transparent umgehen, dass wir in die Öffentlichkeit gehen.

War das im Nachhinein gesehen ein Fehler?
Wir würden es wieder so machen. Es war taktisch richtig, weil wir uns von dem Druck des Erpressers befreit haben. Und es war ein Signal: Achtung, du legst dich mit einem Bullen an.

Sie sagen: „Red Bull ist nicht erpressbar“ – dennoch gab es Verhandlungen mit dem Mann.
Red Bull hatte nie direkten Kontakt mit dem Erpresser, sondern hat alle Angelegenheiten, die kriminaltechnisches Know-how erfordern, natürlich der Polizei überlassen. Es war die Strategie der Experten der Polizei, ihn mit Geld zu locken. Also haben wir ein Handy beschafft, das wir sofort der Polizei weitergegeben haben, damit wurde der Kontakt zum Erpresser hergestellt. Der Erpresser dachte, er würde mit Red Bull verhandeln, tatsächlich stand er in direktem Kontakt mit der Polizei. Die Polizei hat jedes SMS analysiert und den Mann manipuliert. Er wollte anfangs eine Geldüberweisung, im Verlauf der Verhandlungen konnte er jedoch zu einer physischen Übergabe bewegt werden. Die Polizei hat die Verhandlungen sehr professionell und letztlich auch, wie man sieht, sehr erfolgreich geführt.

Warum hat er dieser Übergabe zugestimmt?
Die Experten der Polizei wissen aufgrund ihrer Erfahrung, dass Erpresser, je länger Verhandlungen dauern, immer geldgieriger, ungeduldiger aber auch ängstlicher werden.

Kommentare