Prozesse abgesagt: Geschworene und Anwalt in Angst vor Ansteckung

Prozesse in gewohnter Manier gibt es länger nicht. Ab Juni soll mit Sicherheitsabstand und Videokonferenzen verhandelt werden
Gerichte in Niederösterreich verschieben große Verfahren. In Korneuburg wurde ein Mordprozess kurzfristig abgesagt.

Die Geschworenen wären in den Zuschauerrängen mit ausreichend Sicherheitsabstand gesessen. Sachverständige und Zeugen wären mittels Videokonferenz aus Nebenräumen dem Mordprozess zugeschaltet worden. Doch daraus wird nichts. Weil der Verteidiger und einige Geschworene aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus Bedenken geäußert haben, wurde ein Mordprozess am kommenden Montag am Landesgericht Korneuburg kurzer Hand wieder abgeblasen.

Alexander C., ein 54-jähriger Staatenloser aus dem Rocker-Milieu, ist angeklagt, seine 48-jährige Freundin Alexandra K. in Neudorf bei Mistelbach vergangenen Dezember mit annähernd 15 Messerstichen getötet zu haben. Der Biker hatte zum Tatzeitpunkt fast 2,5 Promille Alkohol im Blut. Weil die hohe Zahl an Frauenmorden und Gewalt im häuslichen Bereich gerade gesellschaftlich ein brisantes Thema ist, wollte das Landesgericht Korneuburg laut dem Vizepräsidenten Wolfgang Schuster-Kramer ein Zeichen setzen und den Fall nicht auf die lange Bank schieben.

„Wir hätten eigentlich alle Vorbereitungen getroffen, trotz der Sicherheitsbestimmungen den Prozess am kommenden Montag abzuhalten. Aber es gab letztlich doch von mehreren Seiten Bedenken bezüglich der Ansteckungsgefahr“, erklärt Schuster-Kramer. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Besonders was die Laienrichter anbelangt, müsse man auf die Einwände betreffend der Corona-Maßnahmen Rücksicht nehmen, meint auch die Sprecherin des Landesgerichts Wiener Neustadt, Birgit Borns. Bei den Strafverteidigern hätte sie, wenn alle Sicherheitsvorkehrungen vonseiten des Gerichts erfüllt sind, allerdings weniger Bedenken. „Es ist ja der Job der Anwälte, ihre Mandanten entsprechend zu vertreten“, so Borns.

Prozesse abgesagt: Geschworene und Anwalt in Angst vor Ansteckung

Die Sprecher des Landesgerichts Wiener Neustadt: Hans Barwitzius und Birgit Borns

In Wiener Neustadt sind jedenfalls fast alle für den April und Mai angesetzten Strafprozesse auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Darunter auch bekannte Fälle wie der Mord an einer 83-jährigen Frau in Gloggnitz, der beim Einkaufen auf offener Straße die Kehle durchgeschnitten wurde. Das Verfahren gegen den 38-jährigen Rumänen Ioan P. soll nun am 23. Juni weitergehen.

Bankmanager

Verschoben ist auch der Geschworenenprozess gegen den international ausgezeichneten Top-Banker Peter I., der aus Angst um den guten Ruf eine wohlhabende Kundin (85) im Bezirk Neunkirchen ermordet haben soll.

„Was wir derzeit durchführen, sind dringende Angelegenheiten wie die Anhörungen zu bedingten Haftentlassungen“, erklärt Borns.

Im Mai wird außerdem ein Verfahren wegen NS-Wiederbetätigung abgehalten. Mit nur einem Zeugen lässt sich der Prozess nämlich ohne große Ansteckungsgefahr abwickeln. „Sonst arbeiten wir an Konzepten, wie die Verfahren in Zukunft stattfinden können“, so Borns.

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