Prozess um Heimskandal in NÖ: Quartett bestritt Vorwürfe

Prozess um Heimskandal in NÖ: Quartett bestritt Vorwürfe
Angeklagte sollen Opfern Schlafmittel und starke Psychopharmaka verabreicht und sie geschlagen, gequält und missbraucht haben.

Mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen und Masken betraten die vier Angeklagten am Mittwochmorgen den Schwurgerichtssaal des Landesgerichts St. Pölten. Ein Versuch, um ihre Identität vor den zahlreich erschienen Kamerateams und Medienvertretern zu verbergen.

Das große Interesse zum Auftakt des mehrtägigen Prozesses begründet ein Blick in die Anklageschrift. Darin wird dem Quartett – bestehend aus drei Frauen und einem Mann – massive Misshandlungen an Bewohnern des SeneCura-Sozialzentrums in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) vorgeworfen.

Schlafmittel und Psychopharmaka

Ab März 2020 sollen zumindest 19 teils schwer demente Menschen körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt worden sein. Am schwersten wiege aber der Vorwurf, dass die Angeklagten den Patienten Schlafmittel und starke Psychopharmaka verabreichten, „um einen ruhigen Dienst zu haben“, wie die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag ausführte.

„Es ist etwas schwer verdaulich, was hier vorgeworfen wird“, meinte Verteidiger Stefan Gloß. Der St. Pöltner Rechtsanwalt hatte auch die Beschuldigten im Prozess um Vorfälle aus dem Jahr 2016 in einem Pflegeheim in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten)  verteidigt.

„Gleich niederspritzen"

Wie auch damals fußt die  Anklage auf Whatsapp-Protokollen.  „Sie zeigen das Bild eines Berufsverständnisses, das einfach nur abscheulich ist“, so die Staatsanwältin über die Chats. Darin hieß es etwa, dass Betroffene „gleich niedergespritzt werden“ sollten. Außerdem ging es im Detail um Medikamentengabe und versteckte Vorräte – ein ganzer Müllsack, der von der Kriminalpolizei später entdeckt wurde.

Prozess um Heimskandal in NÖ: Quartett bestritt Vorwürfe

In diesem Pflegeheim haben sich die Vorfälle zugetragen

Diese sollen anderen Bewohnern vorenthalten oder nach dem Tod von Patienten nicht zurückgegeben worden sein. Obwohl diese Beweise durchaus belastend scheinen, stritten die drei Frauen im Alter von 33 bis 45 Jahren und der 36-jährige Mann alle Vorwürfe ab. 
Chats: „Psychohygiene“Die 33-jährige Zweitangeklagte meinte vor Gericht, sie habe via WhatsApp „lauter Blödsinn“ zum Frustabbau geschrieben. Auch ihre  Mitangeklagte (45) bezeichnete die Whatsapp-Gruppe als „reine Psychohygiene“, um sich „mental auszukotzen“, „weil wir einfach überfordert und zu wenig Personal waren.“

„Der Chat geht über den Frustabbau hinaus“, entgegnete die vorsitzende Richterin. So soll die 33-Jährige etwa einmal dokumentiert haben, dass sie eine Bewohnerin nach einem nächtlichen Sturz gefunden habe. In die Gruppe schrieb sie  später, dass die Frau „einen kleinen Schubser gekriegt“ habe, was sie vor Gericht bestritt.

 Ins Rollen gebracht wurde der Fall von zwei Kolleginnen, die als Belastungszeuginnen befragt werden.  Am Donnerstag sollen aber zuerst die beiden weiteren Beschuldigten einvernommen werden. Weitere Verhandlungstermine sind noch bis Ende März geplant.  Im Fall einer Verurteilung  droht dem Quartett bis zu zehn Jahre Haft.

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