„Wir werden Eltern“. Die Freude bei dem jungen Paar aus Wien über den bevorstehenden Familienzuwachs war riesig. Mit der „Babyvilla“ im Landesklinikum Klosterneuburg war auch bald der ideale Ort für die Geburt gefunden. Nah, klein, familiär. Alles schien für die Geburt mit voraussichtlichem Datum am 1. Juli vorbereitet, ein Termin für die Anmeldung war bereits ausgemacht.
Am 25. März wurden die werdenden Eltern telefonisch informiert, dass sie einen anderen Ort wählen müssen. Denn die Geburtshilfe im Klinikum Klosterneuburg wird mit 1. Juli 2025 im Zuge des nö. Gesundheitspakts 2040+ geschlossen. „Kurz zuvor hatten wir den von der Stadt Wien zugewiesenen Platz im Krankenhaus Floridsdorf zurückgegeben“, sagt die werdende Mutter. „Ich war voll überfordert. Und voll traurig, weil ich mich so auf Klosterneuburg gefreut habe“, erzählt sie. Mittlerweile hat man ein anderes Spital gefunden, das Bedauern aber bleibt.
Immer weniger Geburten
Über das Aus für die Geburtenabteilung wurden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst am 24. März bei der Präsentation des Gesundheitspakts informiert. „Das war ein harter Schlag für unsere Kolleginnen und Kollegen. Über die Schließung wurde ja schon über Jahre gesprochen, doch hatten wir gehofft, dass wir unsere Station noch retten können“, sagt dazu Betriebsratsvorsitzende Michaela Mayr.
Das Neujahrsbaby 2025 war das letzte der Babyvilla Klosterneuburg.
Dass von dieser Information bis zum Ende der Station nur mehr drei Monate bleiben, sei „viel zu kurz, sowohl für unser Team, als auch für die werdenden Mütter. Fairerweise muss man auch sagen, dass wir ,nur‘ 16 Geburten absagen mussten“, so Mayr. Dass die Babyvilla eben so überschaubar und familiär ist, wurde ihr anscheinend auch zum Verhängnis. „Die Zahlen der Geburten haben sich von 662 im Jahr 2017 bis 2024 um 263 auf 399 Geburten verringert“, heißt es dazu von der Landesgesundheitsagentur (LGA). Und: Rund 60 Prozent der Geburten im LK Klosterneuburg sind aus Wien.
Weitere Gründe: Bis 2030 sollen die Geburten weiter um vier Prozent zurückgehen, und der Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe steht unmittelbar vor seiner Pensionierung. „Bereits angemeldeten Frauen mit Geburtstermin nach dem 10. Juni 2025 wurde eine Übernahme in das UK Tulln angeboten“, wird betont.
„Natürlich ist es nicht wirtschaftlich, für eine Geburt pro Tag, 24 Stunden ein komplettes Team, bestehend aus Hebammen, Kinderschwestern und Ärzten vorzuhalten“, gibt Betriebsrätin Mayr zu. Doch „was das für unser Personal bedeutet, ist schwer in Worte zu fassen“. Die Hebammen müssen in kurzer Zeit ihren seit Jahren gewohnten Arbeitsplatz verlassen, ihre gesamte Lebenssituation ändert sich. Es laufen jedenfalls bereits Gespräche, um die betroffenen Bediensteten bestmöglich und ohne finanzielle Verluste in den umliegenden Kliniken unterzubringen.
Nicht alle wollen das Aus der Babyvilla akzeptieren. Eine Online-Petition wurde bereits mehr als 3.300-mal unterschrieben.
Guter Ruf zählt nicht
In Hollabrunn, wo die Geburtenstation ebenfalls mit 1. Juli geschlossen werden soll, sind es bereits 4.900 Stimmen, die für den Erhalt des Standorts gesammelt wurden. Wobei die Gynäkologie mit den Fachärzten in Hollabrunn verbleibt – was bei Betroffenen für Unverständnis sorgt. „Hier wird eine funktionierende Abteilung zerrissen, und das ohne Spareffekt“, so die Kritik.
Noch bis Ende April werden Stimmen gesammelt. Am vergangenen Samstag zogen zudem rund 300 Menschen durch Hollabrunn, um gegen die Schließung zu demonstrieren. „Für eine selbstbestimmte Geburt in der Nähe“ oder „Warum wird die beliebteste Geburtshilfe Niederösterreichs geschlossen?“ war auf den Plakaten zu lesen.
Denn tatsächlich genießt das Team in Hollabrunn einen hervorragenden Ruf, belegte bei der Patientenbefragung in NÖ neunmal in elf Jahren den ersten Platz. Außerdem ist es eine von nur zwei Abteilungen im Bundesland, die von WHO und UNICEF als „Babyfriendly Hospital“ zertifiziert wurden.
„Mit der Schließung der Geburtenabteilungen sind rund 800 Frauen ohne Anlaufstelle“, schätzt eine Hebamme auf KURIER-Anfrage. Diese müssen nun in anderen Spitälern gebären.
Kampf gegen Schließung
Protest regt sich auch in Gmünd. Wo das fast 40 Jahre alte Landesklinikum bis 2030 geschlossen und durch eine „Gesundheitsklinik“ ohne Bettenstation ersetzt werden soll. Es soll hier Tagesambulanz, Allgemeinmedizin, Fachärzte, Diagnostik, Pflege, Therapie und Gesundheitsberatung unter einem Dach sowie auch künftig rund um die Uhr eine Notfallversorgung geben. Der Bezirk Gmünd bekomme damit auch künftig „die bestmögliche medizinische Betreuung.“
In der Region sind aber viele skeptisch. Unter dem Motto „Sie reißen Gmünd das Herz heraus“ demonstrierten am vergangenen Freitag knapp 3.000 Menschen gegen die Pläne. Auch der Betriebsrat des Klinikums kämpft für den Erhalt. „Die angekündigte Schließung war für alle im Bezirk und vor allem für die Belegschaft im Landesklinikum Gmünd ein Schock und kam völlig unerwartet. Es gab keinerlei Informationen im Vorfeld, es wurde niemand, weder Ärzteschaft noch Pflegepersonal und auch nicht der Betriebsrat in den Prozess der Planung einbezogen. Die Lage ist nach wie vor völlig intransparent und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht nur verunsichert, sondern fühlen sich existenziell bedroht“, sagt dazu Betriebsratsvorsitzender Johannes Fessl.
Der Gesundheitspakt 2040+ wurde am 27. März vom Landtag beschlossen und darauf ausgerichtet, das Gesundheitssystem in NÖ fit für die Zukunft zu machen
Mehrere Krankenhäuser werden fusioniert oder spezialisiert. Beispielsweise sollen die Kliniken in Hollabrunn, Korneuburg und Stockerau zum neuen Landesklinikum Weinviertel Süd-West zusammengelegt werden. Andere Standorte wie das Landesklinikum Melk werden auf bestimmte medizinische Bereiche wie Alters-medizin oder Wundversorgung spezialisiert. In Gmünd soll das Spital durch eine neue Gesundheitsklinik ersetzt werden
Die Anzahl der Notarztstützpunkte wird von derzeit 32 auf 21 reduziert. Betont wird, dass pro Bezirk mindestens ein Standort erhalten bleibt, um die Notfallversorgung flächendeckend sicherzustellen. In den Regionen gibt es gegen diese Pläne allerdings zum Teil heftigen Widerstand. Es wird demonstriert und Unterschriften gesammelt
Man kämpfe mit der Aktion #lkgmündbleibt für den Erhalt des Krankenhauses „das definitiv ein Teil des Gesundheitspaktes werden muss“, so Fessl. Die geplante Alternative sei „kein Zukunftsmodell für eine sichere Gesundheitsversorgung“. Etliche in der Region hätten das Gefühl als „Niederösterreicher zweiter Klasse behandelt zu werden.“
Kommentare