Pensionistin um 200.000 Euro betrogen
Obwohl die Polizei gebetsmühlenartig vor der gewieften Betrugsmasche warnt, gibt es immer wieder gutgläubige Opfer, die in die Falle tappen. In Perchtoldsdorf im Bezirk Mödling ist vergangene Woche ein besonders schwerwiegender Fall eines Polizeibetrugs über die Bühne gegangen. Die Geschädigte, eine 85-jährige wohlhabende Pensionistin, hat einer Verbrecherbande einen Teil ihres Vermögens ausgehändigt. Die vermeintlichen Kriminalbeamten haben in einer Sporttasche Bargeld, Schmuck und Gold im Wert von beinahe 200.000 Euro eingeheimst.
„Wir haben derzeit eine Welle von etwa 50 Betrugsversuchen dieser Art, die allein in Niederösterreich pro Woche angezeigt werden“, erklärt der führende Betrugsermittler des nö. Landeskriminalamts, Chefinspektor Alfred Kainz. Die 85-jährige Frau aus Perchtoldsdorf ist daher kein Einzelfall, eine derart hohe Schadenssumme sei aber zum Glück die Ausnahme. Die Frau wurde am Festnetz-Telefon von einem überzeugend klingenden Mann kontaktiert, der sich als Polizeiermittler ausgab und ihr glaubhaft vorspielte, dass es in ihrer Nachbarschaft zu einem Einbruch gekommen sei. Weil damit zu rechnen sei, dass die Täter auch bei der Pensionistin zuschlagen werden, überredete sie der vermeintliche Beamte am Telefon, ihre Besitztümer, Geld und Schmuck sicher bei der Polizei zu verwahren.
Die Frau packte tatsächlich eine Tasche mit dem Vermögen und stellte sie an einem vereinbarten Ort auf einem Gehsteig ab. Kurz darauf schlugen die Gangster zu und waren mit der Beute über alle Berge.
Gangster am Telefon
Kontakt mit zwei der Profi-Betrüger hatte auch ein Ehepaar aus dem Mostviertel. Auf den Anruf und die Warnung der angeblichen Beamten des Bundeskriminalamts, ihre Wertsachen in Sicherheit zu bringen, stiegen Helga und Gerald Bottensteiner auch ein – aber nur zum Schein: Der pensionierte Polizeikommandant kannte die Masche der Gangster aus Medienberichten nur zu gut.
„Ich wusste sofort, was da los ist“, erzählt der 75-Jährige. Er versuchte die Betrüger in die Falle zu locken. Während er mit dem so fürsorglichen „falschen Krimineser“ am Festnetztelefon sprach, wies er heimlich seine Frau an, über Notruf 133 per Handy bei der echten Polizei Alarm zu schlagen. Gut zehn Minuten gab er dem Gesprächspartner mit norddeutschem Akzent erfundene Auskünfte.
„Eine uns bekannte Frau aus der Gemeinde sei beraubt worden. Bei den geschnappten Kriminellen soll ein Smartphone mit unserem Namen als nächste Opfer gefunden worden sein“, erinnert sich Bottensteiner an die Angaben des Anrufers. Der übergab dann an seinen „Vorgesetzten“, der den Pensionisten nach Wertsachen ausfragte. Goldene Philharmoniker-Münzen und beträchtliches Bargeld seien im Haus, flunkerte Bottensteiner. „Ich hab’s vielleicht übertrieben, plötzlich hat der Mann das Gespräch abgebrochen. Leider ist mit dem Beamten am Notruftelefon keine Fangschaltung zustande gekommen“, bedauert der mutige Senior. Er verständigte danach die örtliche Polizei. Bottensteiner entschlossen: „Hätten die einen Boten geschickt, um das Geld zu holen, wäre der nicht mehr weggekommen, bis die richtige Polizei da gewesen wäre. Ich habe einen Waffenpass und was dazu gehört.“
Hintermänner in der Türkei
Die Polizei erlebt eine massive Welle versuchter Telefonbetrügereien. Dabei wird immer häufiger der Polizeitrick angewendet. Der Modus Operandi ist laut Chefinspektor Alfred Kainz vom nö. Landeskriminalamt immer ähnlich. Aus dem Telefonbuch werden Personen mit Festnetz-Anschlüssen und älter klingenden Vornamen heraus gesucht und kontaktiert. Die Anrufer geben sich in akzentfreiem Deutsch meist sehr eloquent als Polizisten aus.
Entweder geben die Täter vor, dass ein Angehöriger einen Unfall verursacht habe und nun eine Kaution zu bezahlen sei. Oder es wird wegen angeblicher Einbrüche in der Nachbarschaft nach Bargeld, Schmuck und Wertgegenständen gefragt und deren sichere Verwahrung angeboten.
„Die Spur führt in den meisten Fällen zu professionell geführten Call-Center in der Türkei. Obwohl wir diese Center sogar kennen, sind uns die Hände gebunden“, erklärt Kainz. Die türkischen Behörden zeigen keinerlei Interesse an einer Kooperation bei der Strafverfolgung.Wenn Kainz mit seinem Team die Abholer des Geldes ausforscht und festnimmt, handelt es sich um eigens für diesen Job engagierte Laufburschen. An die Hintermänner kommt man nicht heran. Die Polizei betont, dass „echte Beamte“ niemals Geld am Telefon einfordern würden. Geraten wird, am Telefon niemals über finanzielle Verhältnisse Auskunft zu geben. Verdächtige Telefonate sollten sofort gemeldet werden.
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