Olympia: Wiener Neustädter ist Österreichs einzige Fünfkampf-Hoffnung
KURIER: Wie geht es Ihnen? Sind Sie nervös?
Gustav Gustenau: Jetzt gerade geht es mir sehr gut. Die letzten Wochen waren voller harter Trainings, jeder Tag war wie ein kleiner Wettkampf. Aber je näher die Spiele jetzt endlich rücken, desto größer ist die Vorfreude – und desto lieber quält man sich für die letzten Trainingseinheiten, weil man weiß, dass es bald losgeht.
Das glaube ich – immerhin haben Sie seit Jahren auf dieses Ereignis hintrainiert.
Das stimmt. 2016 habe ich meinen jetzigen Trainer, Thomas Daniel (erfolgreichster Fünfkämpfer der österreichischen Sportgeschichte und Sechstplatzierter bei den Olympischen Spielen 2012 in London, Anm.), gebeten, mich für die Spiele 2020 zu trainieren. Er war am Anfang sehr zögerlich, aber ich meinte, wir hätten nichts zu verlieren. Der Moderne Fünfkampf ist in Österreich leider eine Randsportart und wird in der Öffentlichkeit wenig wertgeschätzt. Ich hoffe, dass ich das mit meiner Qualifikation für Olympia ändern kann. Das war unser großes Ziel. Was wir in den vergangenen Jahren im Blick hatten, haben wir erreicht, wir können jetzt schon stolz sein.
Und wie geht es Ihnen körperlich?
Grundsätzlich bin ich topfit, aber das Training in den letzten Wochen war hart. Die Woche vor dem Abflug steht im Zeichen der Regeneration, damit ich bei Kräften bin, wenn der Wettkampf startet. Und ich bin – trotz Impfung – natürlich besonders vorsichtig, was Corona angeht, um ja kein Risiko einzugehen.
Wann geht es los für Sie?
Wir fliegen sehr knapp vor dem tatsächlichen Bewerb, da wir nicht wussten, wie die Situation coronabedingt ist, etwa ob man vor Ort trainieren kann oder nicht. Am 2. August geht mein Flieger, am 3. August kommen wir an und haben einen Tag Zeit, um uns zu akklimatisieren. Am 5. ist der erste Fechtbewerb und am 7. gleich das Finale. Innerhalb von fünf Stunden gehen da alle Bewerbe – Fechten, Reiten, Schwimmen, Schießen und Laufen – über die Bühne. Dann ist es geschafft.
Wie streng sind die Regeln vor Ort?
Wir sind in einer richtigen Blase, keiner kommt rein, keiner kommt raus. Wir pendeln nur zwischen Hotel und Sportstätte und bekommen nichts mit von außen. Und wir müssen jeden Tag testen. Es wird sicher speziell, aber besser so als gar keine Spiele.
Wirklich? Was hätten Sie zu einer nochmaligen Verschiebung gesagt?
Das wäre nicht gut gewesen für den Kopf. Man richtet sein ganzes Training, sein ganzes Leben auf dieses eine Ereignis aus. Die Verschiebung von 2020 auf heuer war sicher wichtig und richtig, im vergangenen Jahr konnte ich mich noch mehr weiterentwickeln – im Training und im Kopf – aber jetzt ist jeder froh, dass die Spiele durchgezogen werden. Ich möchte dann auch wieder Zeit haben für die Dinge, die ich seit Jahren aufschiebe.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel einmal wieder richtig lange auf Urlaub fahren, nach Deutschland zu unseren Pferden oder nach Kroatien. Ich möchte endlich mein Studium – ich studiere Geschichte – weitermachen und das Leben genießen, ohne am nächsten Tag um sieben Uhr morgens im Schwimmbad stehen zu müssen fürs nächste Training.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen in Tokio ein?
Ich habe mich als 35. von 36 Plätzen qualifiziert – da mit einer Medaille zu rechnen, wäre überheblich. Wie gesagt, in Österreich ist der Moderne Fünfkampf leider wenig populär, in anderen Ländern wird da viel mehr investiert. Aber ich bin guter Dinge, dass, wenn alles gut läuft, eine Platzierung in der ersten Hälfte sicher möglich ist.
Welche Nationen sind die größte Konkurrenz?
Traditionell sind das meistens die Länder aus dem ehemaligen Ostblock, Ungarn, Russland, Tschechien, sowie jene Nationen, die an sich im Sommersport sehr stark sind, wie England zum Beispiel.
Sie sind noch jung – wenn es diesmal nichts wird mit einer Medaille, dann vielleicht in Paris 2024?
Genau. Solange ich fit bin und es mir Spaß macht, möchte ich noch ein paar Spiele anhängen. Zu alt bin ich definitiv noch nicht – der Ungar, der soeben den Weltmeistertitel geholt hat, war 37 Jahre alt, da habe ich noch etwas Zeit (lacht).
Der 24-jährige Sportler ist gebürtiger Wiener Neustädter. Mit acht Jahren trat er dem Modernen-Fünfkampf-Verein bei, mit 14 entschied er sich, die Sportart professionell weiterzuverfolgen. Sein bisher größter Erfolg in der Jugendklasse war der Juniorenvizeweltmeistertitel. Gustenau war Österreichs einzige Olympiahoffnung im Modernen Fünfkampf, bei den Spielen 2016 war kein Österreicher in dieser Disziplin vertreten
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