NÖ: "Hakenkreuz-Opfer" und Frau vor Gericht

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53-Jähriger hatte laut Anklage einen Überfall auf sich selbst inszeniert und sich ein Hakenkreuz in Brust und Stirn geritzt.

Wegen Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und falscher Beweisaussage musste sich ein 53-Jähriger am Montag in Wiener Neustadt vor Gericht verantworten. Er hatte laut Anklage einen Überfall auf sich selbst inszeniert und sich ein Hakenkreuz in Stirn und Brust geritzt. Seiner 65-jährigen Frau wurde falsche Beweisaussage und Verleumdung angelastet. Beide bekannten sich nicht schuldig.

Der Staatsanwältin zufolge hatte sich der Mann am 18. Februar selbst Messerstiche bzw. Schnitte zugefügt, während er angab, nach einem getürkten Autounfall nahe Wiener Neustadt überfallen und dann verletzt in einem Bachbett zurückgelassen worden zu sein. Seine Ehefrau verdächtigte in der Folge in ihrer Aussage unter Hinweis auf selbst Gehörtes die Nachbarn, mit denen das Ehepaar seit Jahren verfeindet ist. Der Verteidiger bezeichnete die Ermittlungen als "mehr als fraglich". Die Polizei habe daraus, dass man keine Spuren fand, geschlossen, das Opfer müsse es selbst gewesen sein.

Streit mit Nachbarn begann 2012

Der Angeklagte erzählte von den Zwistigkeiten seit 2012. Der Beginn war "eine Kleinigkeit": Als man vom Urlaub heimkehrte, waren Garten und Blumen vertrocknet - die Nachbarn hatten nicht wie versprochen gegossen. Es folgten Zivilstreitigkeiten, Anzeigen bei der Polizei, die Installation einer Alarmanlage - und ein angeblicher erster Überfall im Herbst 2015, bei dem der Schichtarbeiter nächtens vom Fahrrad gerissen und ihm ein Hakenkreuz in die Stirn geritzt worden sei. Der verdächtige Schwiegersohn des Nachbarn wurde allerdings im Dezember 2015 freigesprochen.

NÖ: "Hakenkreuz-Opfer" und Frau vor Gericht
Am 18. Februar fuhr der 53-Jährige nach seiner Erzählung frühmorgens mit dem Pkw zum Bahnhof Wiener Neustadt, als er angesichts eines vermeintlichen Unfalls - ein Auto stand mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf der Straße - anhielt. Ein Bursche habe ihn um Hilfe gebeten, weil seine Freundin verletzt sei. Als er die Polizei anrufen wollte, griff der junge Mann auf sein Handy - mehr wisse er nicht, schilderte der Mann und sprach von mehrmaligen Bewusstlosigkeiten. Kurz sei er in einem fremden Wagen liegend zu sich gekommen, dann erst wieder, als es schon hell wurde, auf der Böschung eines Bachbetts.

Seinen Angaben nach hat der Angeklagte nur bruchstückhafte Erinnerungen. Er sprach von drei Angreifern, könne sich aber den Vorfall nicht erklären. Die Medien habe er beim ersten Mal gar nicht einschalten wollen, meinte er. Richter Hans Barwitzius hielt ihm vor, am Tag nach dem "Überfall" aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mit der Polizei gesprochen, wohl aber ein Fernsehinterview gegeben zu haben.

Kein Umzug geplant

Wegziehen will das Ehepaar trotz des jahrelangen Nachbarschaftsstreits auf keinen Fall, wie beide Angeklagten auf Richterfrage betonten. Man fühle sich dort wohl und wolle sich auch nicht vertreiben lassen.

Der Pkw fand sich nach dem Vorfall 600 Meter vom angeblichen Ort des Geschehens entfernt, der Schlüssel lag beim Hinterrad. Beide erzählten, dass der Wagen des 53-Jährigen etwa 14 Kilometer mehr am Tacho hatte als vor Antritt seines Arbeitsweges. Den Tachostand habe sie am Vorabend abgelesen und - "wie alles" - am Kalender notiert, weil sie für Anfang März einen Werkstatt-Termin vereinbaren wollte, sagte die Pensionistin.

"Schade, dass er nicht im Bachbett krepiert ist"

Als die 65-Jährige am Nachmittag des 19. Februar im windgeschützten Eingang ihres Hauses auf eine Freundin wartete, die sie zum Spital chauffieren wollte, wo ihr Mann behandelt wurde, habe sie den Nachbarn über die Straße schreien gehört: "Schade, dass er nicht im Bachbett krepiert ist." Kurz darauf sei dessen Tochter mit dem Auto angekommen und habe zu ihrer Mutter in etwa gesagt: "Wir haben das gut gemacht, wieder können sie nichts beweisen, es ist gelungen." "Da haben Sie ja praktisch ein Geständnis gehört", verstand der Richter nicht ganz, dass sie das Gehörte nicht in Rage versetzt habe und sie es damals zwar wiederum auf den Kalender geschrieben, der Polizei aber erst nach Erwähnung durch ihren Mann bei dessen Einvernahme erzählt hatte.

"Bedürfnis nach Aufmerksamkeit"

Die DNA-Analysen von Gerichtsgutachterin Christa Nussbaumer ergaben im wesentlichen nur Spuren des Angeklagten selbst. Dem medizinischen Sachverständigen zufolge waren die festgestellten Verletzungen oberflächlich, Selbstverletzungen also möglich. Eine Bewusstlosigkeit bedürfe eines heftigen Schlags auf den Kopf, derartige Blessuren gab es aber laut dem Gutachter nicht. Aus psychiatrischer Sicht liegen keine Zeichen auf Störungen oder Krankheiten vor, wohl aber ein erhöhtes Aggressionspotenzial und Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.

In der Folge kamen mehrere Zeugen zu Wort. Die Causa sei eine Zeit lang bestimmendes Thema in der Gasse gewesen, sagte eine 40-Jährige, welcher der Nachbar damals in ihrem Haus von dem zweiten Überfall erzählt hatte. Der 60-Jährige selbst bestritt, den Satz mit dem Bachbett gesagt zu haben.

Dessen Tochter (31) schloss ebenfalls aus, die ihr vorgeworfenen Sätze gesagt zu haben. Im Freien vor dem Haus spreche sie generell nicht mehr, weil ihr die "Überwachung" durch die Anlage des Angeklagten unangenehm sei. Außerdem empfange die Mutter sie nicht vor der Tür. Das bestätigte in der Folge die 60-Jährige: Seit dem ersten Vorfall rauche sie zum Beispiel nicht mehr im - offenbar zu beobachtenden - Vorgarten, sondern nur mehr auf der Terrasse. Die Angeklagte blieb allerdings dabei, die Sätze gehört zu haben.

Prozess auf September vertagt

Die Verhandlung gegen den 53-Jährigen ist am Montagnachmittag am Landesgericht Wiener Neustadt vertagt worden. Unter anderem sollen weitere Zeugen geladen werden. Neuer Termin ist der 7. September. Zuvor hatte der Richter drei der in der Causa ermittelnden Polizeibeamten befragt, einer davon kannte die Angeklagte bereits von früheren aktenkundigen Nachbarschaftsstreitigkeiten. "Irgendwas hat nicht gepasst" bei den Angaben des "Opfers", meinte ein Kriminalist. Man nahm sich Videoaufzeichnungen einer Firma vor, deren Kameras allerdings den angegebenen Unfallbereich nicht erfassten. Demnach sah man unmittelbar nach dem vom 53-Jährigen genannten Zeitpunkt einen anderen Pkw passieren. Dieser Lenker hätte also auch den Unfall wahrnehmen müssen, erläuterte der Zeuge. Darüber hinaus wurde die Art der festgestellten Fesselung mit Kabelbindern erörtert und die Frage aufgeworfen, inwieweit man das allein bewerkstelligen könne.

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