Die höchstwahrscheinlich von einem Wolf verübte blutige Attacke auf einer Schafweide bei Ybbsitz im Ybbstal hat Konsequenzen. In der dienstägigen Sitzung der Landesregierung wird LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf eine Verschärfung der im Vorjahr einstimmig beschlossenen Wolfsverordnung vorschlagen. Abschüsse von auffälligen und gefährlichen Wölfen sollen dadurch erleichtert werden.
Zusätzliche Rechtfertigung findet die Gesetzesinitiative durch einen dramatischen Vorfall vom Donnerstagabend in Hollenstein im Bezirk Amstetten. Eine junge Mutter von zwei Kleinkindern saß im Wohnzimmer bei Näharbeiten, als sie um 19.30 Uhr Wolfsgeheul vernahm. Sie drehte das Radio leise, ging zur Terrassentür und sah beim Kippen des Türflügels den Wolf im Lichtschein sitzen. Erst beim Knacken des Fensterschlosses sprang das Tier auf und lief davon.
"Die Frau ist natürlich in größter Sorge, wir hatten vor einer Woche im Siedlungsgebiet schon eine Sichtung“, berichtet die Hollensteiner Bürgermeisterin Michaela Zebenholzer (SPÖ). Von der Mutter noch am Abend verständigt, habe sie in der Nacht das Ersuchen um einen Entnahmebescheid bei der Behörde gestellt, so die Ortschefin.
Mutmaßlich derselbe Wolf wurde auch vor einer Woche bereits im Hollensteiner Siedlungsgebiet gesehen. Der von den Experten als „der Italiener“ bezeichnete Wolf mit der DNA-Kennung 269 MATK soll im Gebiet der Prolling bei Ybbsitz am vergangenen Wochenende fünf Schafe getötet und neun so schwer verletzt haben, dass sie geschlachtet werden mussten. Noch ist die DNA-Bestätigung ausständig, doch Sachkundige sind sich sicher, dass es dasselbe Tier ist, das im Juli am Königsberg bei Hollenstein neun Lämmer und Schafe tötete. Sie nennen den Wolf „Italiener“, weil er vom Süden zugezogen ist.
Novellierung
Mit der Novellierung, die Pernkopf nun vor hat, würde es dem „Italiener“, sollte er erneut in der Nähe einer Schafweide, eines Gehöfts oder einer Siedlung auftauchen, an den Kragen gehen. Ist ein Jäger zur Stelle, dürfte er schießen. "Wir warten nicht mehr auf den zweiten Riss“, erklärt Pernkopf, der über seine Fachabteilungen die Verschärfung rechtlich abgesichert sieht.
Während es in Kärnten, Tirol, Salzburg und Oberösterreich bereits zu Entnahmen von Wölfen gekommen ist, knallte die Büchse in NÖ noch nie. Viermal seien zwar die Voraussetzungen gegeben gewesen, aber es kam nie zur Entnahme, so Pernkopf. Der im Waldviertel gegründete Verein Wolfstop und FPÖ-Politiker forderten seit Monaten Verschärfungen.
Pernkopf nannte nun vier konkrete Bedrohungsszenarien, in denen ein Abschuss eines auffälligen Wolfs erleichtert wird: Etwa wenn ein Wolf binnen zwei Wochen während der Aktivzeit des Menschen in dessen Nähe auftaucht – bisher war es eine Woche.
Reviere
Oder wenn der Wolf innerhalb von zwei Wochen nach einem Riss eines sachgerecht geschützten Nutztieres erneut solche Tiere bedroht. Jetzt gelten nicht mehr nur das Tatortrevier, sondern auch alle angrenzenden Reviere als zulässiger Raum für die Entnahme. Eine vorherige behördliche Anordnung für Vergrämungen oder Abschüsse wird seit dem Vorjahr nicht mehr benötigt. Festgelegt wurden vielmehr Verhaltensweisen des Raubtieres, die entsprechende Konsequenzen zur Folge haben können. Die Entscheidung liegt beim befugten Jäger.
Einzelgehöfte
Im letzten Punkt geht es um die wiederholte gefährliche Annäherung von Wölfen. Künftig gilt die 100-Meter-Grenze nicht nur für Siedlungen, sondern auch für bewohnte Einzelgebäude und Gehöfte in der Einschicht. Der NÖ Jagdverband sah am Samstag in der Anpassung der Wolfsverordnung einen weiteren „Schritt hin zu einem effizienten und nachhaltigen Wolfsmanagement“ im Bundesland. Landesjägermeister Josef Pröll sprach in einer Aussendung von einem logischen Schritt "im Sinne der Sicherheit der Menschen und zur Abwendung von Schäden in der Landwirtschaft".
Fakten zu den Wölfen: In Europa gibt es 20.000 Wölfe, der jährliche Zuwachs beträgt 30 Prozent. In Österreich gibt es sieben Wolfsrudel, für 104 Wölfe gibt es DNA-Nachweise. In Niederösterreich leben vier Rudel mit rund 30 im Waldviertel nachgewiesenen Wölfen. Einzelne Tiere leben im Süden und in den Voralpen. 44 Nutztier-Risse wurden heuer bisher in NÖ registriert, 2023 waren es 39 und 2022 insgesamt 15. Punkto Herdenschutz haben 100 Betriebe in NÖ bereits mit viel Aufwand spezielle Schutzzäune errichtet. Die Förderung dafür wurde von 50 auf 80 Prozent erhöht.
(kurier.at, watzenh)
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Aktualisiert am 19.10.2024, 16:13
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