Neun Fragen, warum die Wahlen heute in Waidhofen/Ybbs so spannend sind

Insgeamt stehen sieben Listen zur Wahl
In der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs sind heute 9.820 Wahlberechtigte aufgerufen einen neuen Gemeinderat zu wählen. In der vor 50 Jahren aus fünf Kommunen fusionierten großflächigen Gemeinde sind 15 Wahllokale eingerichtet. Überall gilt es strenge Covid-Sicherheitsauflagen einzuhalten. 40 Mandate werden vergeben. 1.700 Wahlkarten wurden beantragt. Um 15 Uhr werden die Wahllokale geschlossen. Am späten Nachmittag oder am frühen Abend wird das vorläufige Ergebnis erwartet. Nicht zuletzt wegen der aktuellen bundespolitischen Aufregerthemen besteht auch großes überregionales Interesse. Neun speziell herausgearbeitete Fragen sind dabei besonders spannend.
1. Ist die ÖVP-Absolute gut genug abgesichert?
Werner Krammer, Bürgermeister und Spitzenkandidat der Waidhofener Volkspartei muss seine 2017 mit einem Erdrutschsieg eingefahrene absolute Mehrheit von 60,2 Prozent (26 von 40 Mandaten) verteidigen. Dass die Impfdebatte und das Antreten der Impfverweigerer-Liste MFG Stimmen kosten wird, ist erwartbar. Ob der WVP auch eine Rechnung ob des türkisen Chat-Skandals auf Bundesebene präsentiert wird, ist fraglich.
Dass nun auch der bevorstehende parlamentarische ÖVP-Untersuchungsausschuss ins Rampenlicht rückte, stand sicher nicht auf der Wunschliste der Waidhofener Schwarzen. Genau beobachtet werden diese Fragen von der ÖVP in NÖ. Spätestens in einem Jahr stehen Landtagswahlen an und auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat eine Absolute zu verteidigen.
2. Was schafft MFG?
Nach dem Wahlerfolg bei den oberösterreichischen Landtags- und Gemeinderatswahlen tritt die Impfkritikerpartei MFG in Waidhofen erstmals in einem anderen Bundesland an.

MFG-Kundgebung in Waidhofen
Die in zwei Tagen bundesweit gesetzlich zwingende Impfpflicht befeuert den Protest natürlich. In Waidhofens oö. Nachbargemeinde Maria Neustift (Bezirk Steyr-Land) schaffte MFG im vergangenen September auf der Gemeindeebene gar 26,73 Prozent. Mit 15 Kandidaten stellt MFG in Waidhofen die personell drittstärkste Liste.
3. Impfstatus und Wahlverhalten?
Spannend wird nach der Wahl die Beantwortung der Frage, ob sich Impfquote und Stimmverhalten für die impfkritischen Parteien MFG und FPÖ decken. Wie die meisten Gemeinden im Ybbstal und im Bezirk Amstetten ist die zum gestrigen Tag veröffentlichte Impfquote Waidhofens mit 66,9 Prozent wenig berauschend und liegt deutlich hinter dem nö. Landesschnitt von 74,2 Prozent. Sie liegt aber auch klar hinter den anderen nö. Statutarstädten St. Pölten, Krems und Wiener Neustadt.
4. Protest der Zweitwohnsitzer?
Zweitwohnsitzer sind mit der angekündigten Wahlrechtsreform in NÖ und der damit verbundenen Aberkennung des Wahlrechts vor der Waidhofener Wahl in den politischen Fokus gerückt. Möglich, dass sie in Waidhofen so manche Proteststimme deponieren. Bei vergangenen GR-Wahlen in der Ybbsstadt lieferten sie, auch aufgrund gewisser Tricksereien immer wieder Streitgrund. 2017 kam es nach der Wahl in Waidhofen/Ybbs in NÖ zu einer Reform. Um am Nebenwohnsitz wählen zu dürfen, muss über ein Erhebungsblatt belegt werden, dass man hier die Kriterien eines ordentlichen Wohnsitzes erfüllt. Die Zahl der wahlberechtigten Zweitwohnsitzer hat sich gegenüber 2017 von 1.460 auf nur mehr 777 fast halbiert. Für sie dürfte es die letzte Wahl in NÖ sein.
5. Wie greift der Bürgermeisterbonus?
Fünf der sechs zuletzt im Gemeinderat vertretenen Parteien haben in der Vorwahlkampfzeit im vergangenen Dezember noch dem Budget für 2022 zugestimmt. WVP-Bürgermeister Krammer bemühte sich um die Einbindung der anderen Parteien. Trotz einiger schwieriger Themen, zogen die kleineren Fraktionen mit. Lediglich mit der Liste FUFU und mit Baustadtrat Martin Dowalil hing der Haussegen massiv schief. Der WVP-Wahlkampf war auf den kommunikativen „Werner“ Krammer zugeschnitten.

WVP-Spitzenkandidat Werner Krammer
Als einziger muss er sich dem parteiinternen Vorzugsstimmensystem unter den 80 WVP-Kandidaten nicht stellen. Wie auch alle anderen Fraktionen hatte es Krammer im Wahlkampf nicht leicht, sachpolitische lokale Themen in den Vordergrund zu rücken.
6. Kann die SPÖ mit neuem Stil punkten?
Mit Armin Bahr an der Spitze hat die SPÖ in Waidhofen nach zuletzt zwei verlorenen GR-Wahlen ein neues Gesicht und einen Stil präsentiert. Nicht die Mitbewerber oder die WVP-Absolute, sondern eigene Leistungen, Vorschläge und Schwerpunkte standen im Mittelpunkt der Wahlwerbung. In der spielte Bahr als „wählbarer“ Kandidat die Hauptrolle.

SPÖ-Spitzenkandidat und Vizebürgermeister Armin Bahr
7. FPÖ-Schaden nach „Mein Kampf“-Sager?
Nicht nur, dass der FPÖ vor dem Wahlkampfstart der seit 20 Jahren im Gemeinderat agierende Karl-Heinz Knoll davon lief. Der erfahrene Gemeindepolitiker übernahm auch gleich die Position des Spitzenkandidaten bei der Bürgerliste UWG und ermöglichte dieser das neuerliche Antreten. Dazu schoss sich der neue FPÖ-Topmann Josef Gschwandegger auch noch ein grausiges Eigentor. In einem Word-Rap der „Bezirksblätter“ nannte er, angeblich nicht ernst gemeint, Hitlers „Mein Kampf“, als das letzte Buch, das er gelesen habe.

FPÖ-Spitzenmann Josef Gschwandegger
Im Impfgegnerlager müssen die Blauen, die bislang zwei Sitze hatten, ohnehin schon mit Abgängen an MFG rechnen.
8. Reibt sich das Protestlager gegenseitig auf?
Zweidrittel der sieben zur Wahl stehenden Listen sind einem alternativen Protestlager zuzurechnen. UWG-Mann Knoll dürfte Gemäßigte aus dem FPÖ-Umfeld ansprechen. Die Liste FUFU, mit dem oftmals martialisch uniformierten Stadtrat Martin Dowalil, hält vier Mandate. Sie besetzt nicht nur die satirisch-intellektuelle Kritikerbühne. Thematisch auf Klimathemen, sowie soziale und städteplanerische Aufgaben fixiert, könnten „Farblose Unabhängige Formierte Uniformierte“ (FUFU) im ohnehin nicht üppigen Lager der Grünen mit Spitzenkandidat Matthias Plankenbichler (derzeit ein Mandat) Stimmen entern.

Der Betrieb in 15 Wahllokalen soll am 30. Jänner in der Großgemeinde Waidhofen/Ybbs trotz Omikron-Welle gesichert sein
9. Gefährden Polit-Frust und stürmisches Winterwetter die Wahlbeteiligung?
Schon 2017 war die Wahlbeteiligung bei 10.566 Wahlberechtigten mit 66,7 Prozent nicht berauschend. Damals waren für ein Mandat 161 Stimmen notwendig. Die nicht besonders holde Stimmung der Politik gegenüber sowie das prognostizierte Schlechtwetter mit Sturm könnten die Wahlbeteiligung drücken. Was wiederum einen Vorteil für die kleinen Parteien mit sich bringen würde.
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