Nach Todesserie auf S4: 80 km/h und Section Control kommen
Der Druck auf Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) und das Klimaschutzministerium ist zu groß geworden. Für Freitagmittag wurde in Wien eiligst zu einem „Verkehrssicherheitsgipfel“ in Sachen Mattersburger-Schnellstraße S4 eingeladen.
Zusammen mit den zuständigen Landesräten aus Niederösterreich und dem Burgenland, den betroffenen Bürgermeistern entlang der Strecke sowie der ASFINAG wird nach einer Serie von tödlichen Unfällen über Entschärfungsmaßnahmen auf der Strecke diskutiert und ein Paket beschlossen.
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Wie das Ministerium Freitagnachmittag bekannt gab, wird die Asfinag einige Sofortmaßnamen den zuständigen Landesbehörden zur Prüfung vorlegen.
Zwischen Wiener Neustadt und Mattersburg soll auf einer Länge von 14 Kilometer eine "temporäre Mitteltrennung durch die Asfinag errichtet werden". Diese soll Frontalkollisionen in Zukunft weitgehend verhindern. Nach dem Sicherheitsausbau wird die temporäre Mitteltrennung durch eine vollwertige bauliche Mitteltrennung, wie sie auf Autobahnen üblich ist, ersetzt werden, heißt es dazu.
Die Mitteltrennwand auf der schmalen bestehenden Fahrbahn würde eine Temporeduktion notwendig machen. Nach behördlicher Prüfung würde - bis zur Fertigstellung des Sicherheitsausbaus - in dem Bereich ein Tempolimit von 60 km/h für Lkw und 80km/h für Pkw gelten. Die Geschwindigkeit soll durch eine Section Control überwacht werden.
Gewessler "tief betroffen"
„Die tragischen Unfälle, die sich entlang der S4 ereignet haben, machen mich tief betroffen. Verkehrssicherheit muss auf allen Ebenen oberste Priorität haben. Deshalb habe ich das Burgenland und Niederösterreich, die Asfinag und Gemeinden auch zum Arbeitsgipfel eingeladen. Denn nur gemeinsam können wir mit einer Reihe an Maßnahmen rasch die Verkehrssicherheit erhöhen. Ich appelliere, dass die zuständigen Landesbehörden die vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen rasch prüfen, um in die Umsetzung zu kommen“, sagt Gewessler.
Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl sagte nach dem Gipfel: „Aufgrund der folgenschweren Unfälle der vergangenen Wochen braucht es neben der raschen Umsetzung des geplanten Sicherheitsausbaus der S4, schon jetzt temporäre, sicherheitserhöhende Maßnahmen. Die Umsetzung der heute erarbeiteten Vorgehensweise erfordert umfassende Bemühungen aller Beteiligten, von Politik, Verkehrsbehörden und uns als Straßenbetreiber."
Die Bundesländer wollen außerdem noch alternative Lösungen geprüft wissen. „Wir müssen uns im Detail ansehen, wie dieser Plan in der Praxis umsetzbar ist und vor allem, ob er für die burgenländischen Pendlerinnen und Pendler eine brauchbare Gesamtlösung bringt. Zugleich fordern das Burgenland und NÖ auch noch alternative Varianten zu prüfen. Im Vordergrund muss stehen, schleunigst Maßnahmen zu setzen, die größtmögliche Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer bringt“, erklärt Landesrat Heinrich Dorner.
Verkehrsfluss nicht behindern
Der freiheitliche Verkehrslandesrat in NÖ, Udo Landbauer, hatte bereits im April einen Sicherheitsgipfel gefordert. „Es ist fahrlässig so viel Zeit verstreichen zu lassen. Ich habe kein Verständnis dafür, dass immer erst etwas passieren muss. Bei dem heutigen Gipfel habe ich klar gemacht, dass das Ministerium und die Asfinag alle Hebel in Bewegung setzen müssen, damit der Sicherheitsausbau so schnell wie möglich beginnen kann."
Für Landbauer ist klar, dass es bis zum tatsächlichen Baustart eine Lösung geben muss, die Frontalunfälle verhindert und zugleich den Verkehrsfluss nicht behindert. Daher braucht es eine Mitteltrennung.
Dieser Vorstoß in Sachen Tempobremse und Radarüberwachung kommt vom Ministerium völlig überraschend. Denn als die Stadt Wiener Neustadt zusammen mit Gemeinden entlang der S4 wie Katzelsdorf, Lanzenkirchen sowie den Bundesländern NÖ und Burgenland eine rasche Entschärfung forderte, hieß es aus dem Büro von Gewessler noch offiziell: "Der geplante Baubeginn ist frühestens mit 2025 festgelegt. Zwischenzeitliche Sofortmaßnahmen sind nach dem Bundesstraßengesetz 1971 (BStG) nicht vorgesehen."
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Zum Gipfel am Freitag war Wiener Neustadt als Verkehrsknotenpunkt und Standort-Stadt an der Schnellstraße zur Verwunderung von Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) gar nicht erst eingeladen. Dennoch heißt es aus dem Rathaus, würde man jeden Schritt zu mehr Sicherheit im Sinne der Menschen natürlich begrüßen. "Ich hoffe, dass diese Maßnahmen tatsächlich so umgesetzt werden, wie kolportiert. Es freut mich, dass dies nunmehr auch die Frau Bundesminister und die Asfinag so sehen. Schade, dass für diese wichtigen Sofortmaßnahmen leider sehr viel wertvolle Zeit verloren gegangen ist, in der schwere Unfälle mit dramatischen Folgen geschehen sind", erklärt Schneeberger auf Anfrage des KURIER.
Resolution im Gemeinderat
Seitens der Stadt Wiener Neustadt seien derartige Sofortmaßnahmen schon im vergangenen Frühjahr mit einer Resolution des Gemeinderates gefordert worden. "Noch vor wenigen Tagen haben wir dazu eine Absage der Frau Bundesminister mit der lapidaren Begründung erhalten, dass Sofortmaßnahmen im Gesetz nicht vorgesehen sind", sagt Schneeberger. Umso mehr sei es für ihn unverständlich, dass beim heutigen Gipfel im Ministerium kein Vertreter der Stadt eingeladen ist.
Ziel des Treffens am Freitag ist laut Gewessler eine gemeinsame rasche Lösung im Sinne der Verkehrssicherheit: „Als Ministerium brauchen wir dazu die Länder, denn die haben die behördlichen Zuständigkeiten.“ Auf Bundesebene seien alle Verfahren bereits abgeschlossen. Offen seien noch einige Rechtsmaterien in den beiden Bundesländern. „Das Vorliegen der Genehmigungen ist Bedingung für den Baustart des Sicherheitsausbaus.“
Niederösterreichs LH-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) sieht Gewessler klar gefordert. „Ich erwarte mir von einer Verkehrsministerin, dass die Sicherheit auf der Straße an oberster Stelle steht. Die grüne Ministerin selbst hat den Stopp des Sicherheitsausbaus zu verantworten“, ließ der Landesparteichef der Freiheitlichen in einer schriftlichen Stellungnahme wissen. „Ich fahre mit der klaren Haltung nach Wien, den gefährlichen Stillstand zu beenden und den längst überfälligen Sicherheitsausbau umzusetzen.“
Auch der burgenländische Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner (SPÖ) betonte in einem Statement: „Es ist hoch an der Zeit, dass in den Sicherheitsausbau der S4 endlich Bewegung reinkommt und das Klimaschutzministerium über Maßnahmen zur raschen Umsetzung dieses so wichtigen Projekts reden will.“ Leider sei es bei dem Vorhaben zu „völlig unnötigen Verzögerungen“ gekommen, wie etwa in der Frage einer Umweltverträglichkeitsprüfung, kritisierte er. Wesentlich sei nun eine Beschleunigung des Verfahrens, damit weitere tragische Unfälle verhindert werden.
Bereits im Jahr 2019 war der 180 Millionen Euro teure Sicherheitsausbau eingereicht worden. Der vierspurigen Schnellstraße fehlt auf 14,3 Kilometern Länge zwischen Wiener Neustadt und Mattersburg eine Mittelleitschiene. Immer wieder kommt es deswegen zu verheerenden Frontalzusammenstößen, wenn ein Fahrzeug über die doppelte Sperrlinie in den Gegenverkehr gerät.
Ministerium trat auf die UVP-Bremse
Neben zahlreichen Einsprüchen der örtlich zuständigen Grünen, des Bad Sauerbrunner Bürgermeisters Gerhard Hutter (SPÖ), der Bürgerinitiative „Stopp Ausbau S4“ und Anrainern war auch Gewessler in dem Verfahren 2021 auf die Bremse getreten. Das Ministerium verlangte überraschend eine Umweltverträglichkeitsprüfung, blitzte damit aber beim Verwaltungsgerichtshof ab.
Die Asfinag sei derzeit dabei, noch offene Rechtsmaterien (Wasserrecht, Forstrecht und Naturschutzrecht) mit Niederösterreich und dem Burgenland zu klären. Die Genehmigungen seien Bedingung, eine Beschleunigung des Verfahrens daher nicht möglich. "Vorbehaltlich erneuter Beschwerdeverfahren gehen wir von einem realistischem Baubeginn im Herbst 2025 aus und daher mit einer Fertigstellung 2028", heißt es bei der Asfinag.
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