Mordfall Kührer: Forensiker hegt Zweifel an DNA-Spuren

Julia Kührer verschwand 2006
Ermittlungsleiter verteidigt die angestellten Untersuchungen. Für ihn sitzt der Richtige im Gefängnis.

Der Wiederaufnahmeantrag im Kriminalfall Julia Kührer wirbelt gehörig Staub auf. Anwalt Wolfgang Blaschitz will beweisen, dass mit Michael Kollitsch 2013 der Falsche wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde.

Blaschitz stützt sich dabei auf die Aussage mehrerer neuer Zeugen sowie auf die 71-seitige Tathergangsanalyse des Bundeskriminalamtes, die ein Jahr vor dem Fund von Julias Überresten in Kollitschs Erdkeller, verfasst wurde. Die darin enthaltene These: Julia Kührer war am 27. Juni 2006 zwischen 13.30 und 16 Uhr "zu Schaden gekommen". Es war der Tag, als Julia in Pulkau aus dem Schulbus ausstieg – und verschwand. Der Hauptverdächtige: Julias Ex-Freund Thomas S. Die Beziehung war gerade erst in die Brüche gegangen, Julia wollte sie dennoch retten. In seinem Beisein, so der Verdacht, soll Julia entweder durch eine Straftat oder einen Drogen-Unfall ums Leben gekommen sein. Indiz dafür: Das Handy von Thomas S. war zu dem Zeitpunkt in der Funkzelle Pulkau eingeloggt. Zudem erschien dem Analysten der "begründete Verdacht", dass die im Anschluss verschickten SMS von Thomas S. an Julia eine "Alibihandlung oder bewusst herbeigeführte Verschleierungshandlung" gewesen sein könnten.

Verdächtig erschien zudem, dass Thomas S. zu dem Zeitpunkt auffällig oft mit einem Freund in Kontakt stand. Was "den Verdacht begründet, dass die Spuren des Unfalls oder einer Straftat durch den herbeigerufenen Anton N. beseitigt worden sind".

Leiche im Keller

Nur ein Jahr später war das alles kein Thema mehr: Julia Kührers sterbliche Überreste wurden im Erdkeller des Hauses von Michael Kollitsch im Nachbarort Dietmannsdorf gefunden. Auf einer teils verbrannten Decke bei der Leiche fand sich die DNA des Verdächtigen.

Von der Tathergangsanalyse selbst war im Mordprozess kein Wort zu hören. Wobei: "Diese Gerüchte mit einem Drogen-Unfall gab es immer wieder", bestätigt auch Farid Rifaat, der Kollitsch damals verteidigte. "Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass konkret diese Analyse im Gerichtsakt war."

Für den damaligen Ermittlungsleiter und Chef des Cold-Case-Managements des Bundeskriminalamtes, Chefinspektor Kurt Linzer, sitzt der wahre Täter im Gefängnis. An seinen damaligen Ermittlungen hält er weiter und ohne Zweifel fest. "Der Inhalt dieser Analyse ist nicht neu, auch nicht überraschend. Das ist alles im Akt." Dass sie gerade jetzt ins Zentrum rückt, wertet er als "Versuch, das Bundeskriminalamt auseinander zu dividieren. Natürlich haben wir das alles entsprechend untersucht. Aber so eine Analyse hat keinerlei Anspruch auf Authentizität und keine Beweiskraft. Da geht es rein um die Möglichkeit, wie es gewesen sein könnte," erklärt Linzer im Gespräch mit dem KURIER.

Blaschitz hat neben der Analyse noch ein anderes Ass im Ärmel, und zwar die Aussage von Julias Bruder, Stefan Kührer, der Kollitsch für unschuldig hält.

Auch den DNA-Beweis auf der Decke will der Anwalt mit prominenter Hilfe zerpflücken. Laut dem Leiter des Instituts für Forensische Genetik (IFG) in Münster, Bernd Brinkmann, hält dieser Beweis einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.

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