Neuer Marchfelderhof-Chef: "Kein Tag ist Routine“
Falco, Freddie Mercury, Karl Spiehs, Bruno Kreisky, Liz Taylor, Richard Lugner, Lotte Tobisch – schier endlos ist die Liste prominenter Namen in den Gästebüchern des Marchfelderhofs in Deutsch-Wagram. Seit Jahrzehnten taucht das Lokal mit Platz für rund 280 Gästen nunmehr in der Societyberichterstattung auf – und das soll sich auch nach dem Tod von Gerhard Bocek, „der Galionsfigur“, nicht ändern. Er ist im Februar im Alter von 78 Jahren plötzlich verstorben.
Peter Grossmann will den Marchfelderhof als das weiterführen, wozu ihn Bocek seit dessen Übernahme von seinen Eltern in den 1970er-Jahren gemacht hat – einen Ort, der von „skurrilen und verrückten Ideen“ lebt, wie Grossmann sagt.
Dort wird etwa der Spargelfeinschmecker des Jahres gekürt (heuer trägt Hermann Nitsch den Titel, auch Franz Klammer oder Vera Russwurm hatten bereits die Ehre). Dort gibt es 150 Geigen, die von den Decken baumeln, Souvenirs und Geschenke von Promis, Politikern, Scheichs und Monarchen aus der ganzen Welt, Erinnerungen und Antiquitäten aus der k. u. k.-Zeit. Gäste können im Falco-Separee sitzen („Hier saß er immer mit seinen neuesten Errungenschaften“, erzählt Grossmann), auf Heinz Conrads Lieblingsplatzerl oder am Kaiserin Sisi-Tisch.
Praktikant bis Chef
Peter Grossmann führt seit dem Ableben von Bocek die Geschäfte, davor war er mit 50 Prozent beteiligt. Nach der Schule ist der gebürtige Waldviertler als Praktikant „den Eltern zuliebe und eigentlich aus Zufall“ hier gelandet. Ein Bekannter aus Heidenreichstein habe den Marchfelderhof damals seinem Vater empfohlen.
„Ich war zunächst das Mädchen für alles und sehr ehrfürchtig vor dem Betrieb – das bin ich auch heute noch“, erzählt der 58-Jährige. „Obwohl ich seit fast 40 Jahren dabei bin, bin ich jeden Tag vor dem Geschäft ein wenig nervös. Kein Tag ist Routine.“
Dabei sei es vollkommen egal, ob Promis angekündigt seien oder nicht. „Es ist kein großer Unterschied, ob Herr Huber seinen 50er feiert oder Frau Sarata ihren nächsten Geburtstag. Wir begegnen uns hier alle auf Augenhöhe“, versichert der Gastronom. Also ist jeder Gast König? „Bei uns ist jeder Gast Kaiser“, sagt Grossmann.
Der Mix des Publikums ist für ihn schön, „es kribbelt, wenn auf einem Tisch ein junges Pärchen sitzt, das ein bisschen nervös ist, weil es das erste Mal da ist, auf dem Nächsten der Generaldirektor und daneben ein Hausmeister mit seiner Gattin“. Und auch Bruno Kreisky soll bei einem Mittagessen im Marchfelderhof gesagt haben: „Hier erlebt man die richtige Demokratie“, erzählt Grossmann. Solcher Anekdoten kennt er viele, jeden Tag ist er im Lokal und begrüßt die Gäste.
Gesprächsstoff
„Früher habe ich mich mit Gerhard Bocek abgewechselt. Wir waren ein perfektes Team, ich vermisse ihn sehr.“ Seit 30 Jahren war klar, dass Grossmann einmal den Marchfelderhof übernehmen würde. „Ich wusste, was auf mich zukommt, aber es war dann doch plötzlich“, erzählt er.
Obwohl er wisse, wie das Geschäft funktioniert, dass „der Marchfelderhof davon lebt, im Gespräch zu bleiben“, sei es zu zweit einfacher. „Man ist bei Entscheidungen nicht alleine, teilt sich Misserfolge, aber natürlich auch die Freude bei Erfolgen“, sagt er. Im Moment habe er niemanden im Betrieb, der mit ihm ehrlich über seine „skurrilen Ideen“ spricht.
Obwohl diese in der Vergangenheit meist Bocek unterstellt worden seien, waren es auch oft Grossmanns. Kleines Beispiel: Als in der Pandemie nur jeder zweite Tisch besetzt werden durfte, hatte er die Idee, auf den unbesetzten schick gekleidete Schaufensterpuppen zu setzen. „Ich war mir nicht sicher, ob es total pervers oder genial ist. Da hat Bocek gesagt: ,Scheiße, wieso hab’ ich die Idee nicht gehabt?’ Und so haben wir es durchgezogen und es war ein Erfolg“, erzählt er.
Es sind zahlreiche Kleinigkeiten, von denen die Institution Marchfelderhof lebt – fast 30.000 solcher Kleinigkeiten, die es dort zu entdecken gibt. Aufgrund der Ausstattung und des Auftritts polarisiert das Lokal. „Entweder man liebt uns und würde sich für uns zerstückeln lassen – was eine Tausendschaft an Besuchern zum Glück tut – oder man sagt, das ist mir zu viel“.
Boceks Leitgedanken – „das originellste Restaurant Österreichs“ zu führen – hat Grossmann bereits übernommen. „Ich werde ihn allerdings sicher nicht imitieren“. Aber: „Die Show muss weitergehen“.
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