Bub in Hundebox gequält: Schuldsprüche für Mutter und Komplizin

Bub in Hundebox gequält: Schuldsprüche für Mutter und Komplizin
Geschworene berieten sechs Stunden und verurteilten die Mutter zu 20 und die Anstifterin zu 14 Jahren Haft. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Die Stimmung war im Schwurgerichtssaal am Landesgericht Krems an der Donau an allen drei Prozesstagen angespannt. Es waren unglaubliche Vorwürfe, die gegen eine 33-jährige Mutter und ihre damalige 40-jährige Freundin erhoben worden waren. Letztendlich sprachen die Geschworenen die beiden Waldviertlerinnen nach langer Beratung in allen Anklagepunkten für schuldig. Die 33-jährige Hauptangeklagte, die ihren nunmehr 13-jährigen Sohn in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt haben soll muss 20 Jahre in Haft. Ihre Komplizin (40) für 14 Jahre. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

Versuchter Mord

Verurteilt wurde die Mutter wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung. Die Hauptfrage nach versuchtem Mord wurde von sieben der acht Geschworenen nach rund siebenstündiger Beratung bejaht, die beiden weiteren Punkte einstimmig.

Beitragstäterin 

Die ehemalige Freundin der Waldviertlerin, die Aufträge zu den Misshandlungen des Buben gegeben haben soll, wurde wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin belangt. Hier fiel das Votum der Laienrichter ebenfalls einstimmig aus.

Die Höhe der Strafen sei erforderlich, um deutlich vor Augen zu führen, dass die Beschuldigten „mit ihren Handlungen ein Leben fast zerstört hätten“, führte die vorsitzende Richterin aus. Auf psychischer Ebene sei der Bub, den es vorher gegeben habe, „auf jeden Fall zur Gänze zerstört“ worden. Die beiden Frauen müssen dem Kind zudem gemeinsam insgesamt 80.000 Euro bezahlen.

Das Martyrium, das ein 12-jähriger Bub im Jahr 2022 erleben musste, war selbst für langjährige Gerichtsberichterstatter nicht leicht mitanzuhören. 

Der Erstangeklagten (33) wird versuchter Mord, Quälen eines Minderjährigen sowie Freiheitsenziehung vorgeworfen. So soll sie ihren Sohn oft mehrere Stunden in eine Hundebox gesperrt haben. Sie bekennt sich teilschuldig. Ihrer damaligen 40-jährigen Freundin wird vorgeworfen, dass sie ihr Anweisungen dazu gegeben hätte.

Nachdem an den ersten beiden Tagen etliche Zeuginnen und Zeugen befragt wurden, trägt heute der Sachverständige Peter Hofmann das psychiatrische Gutachten vor. Danach stehen die Abschlussplädoyers auf dem Plan.

Tränen bei der Einvernahme

Zuvor werden aber die beiden Angeklagten noch einmal einvernommen. Der Mutter des Kindes fällt es schwer zu reden, sie weint immer wieder. Was sie jetzt zu ihrem Sohn sagen würde? "Dass es mir schrecklich leid tut, was passiert ist."

"Was hat ein Kind in einer Hundebox verloren?"

Auch die Zweitangeklagte weint in ihrer erneuten Einvernahme. Sie habe das Kind nur einmal in der Hundebox gesehen und habe es da sofort rausgeholt. „Was hat ein Kind auch nur eine Sekunde in einer Hundebox verloren?“, fragt die Richterin scharf. „Nichts“, sagt die Zweitangeklagte. "Ich habe sie nie angestiftet, den Buben einzusperren." Sie habe sich außerdem bei dem Buben und dem Vater des Kindes entschuldigt, dass sie nicht eingeschritten sei. 

Zwei der Geschworene lesen Chats zwischen den beiden Frauen vor. Die Zweitangeklagte wird gefragt, warum sie der Kindsmutter geschrieben hat, dass sie das Fenster ganz aufmachen soll, obwohl der Bub bereits gefroren hat. "Ich weiß, dass das ein Fehler war."

"Emotionale Störung" laut Gutachten

Der Sachverständige Peter Hofmann spricht im psychiatrischen Gutachten davon, dass die beiden Frauen eine symbiotische Beziehung gehabt haben. Die Kindsmutter habe zur Zweitangeklagten aufgesehen und sie deshalb gefragt, wie sie ihren Sohn erziehen könne. Nach dem Tod der Mutter der 33-Jährigen im Jahr 2019 seien ihre krankhaften Persönlichkeitszüge immer mehr in den Vordergrund getreten. 

Durch eine emotionale Störung habe sie eine Einschränkung bei ihrem Bezug zur Realität erfahren. "Letztendlich zurechnungsfähig war sie in jedem Fall", sagt Hofmann. "Ich bin zum Schluss gekommen, dass diese Gesamtstörung eine schwerwiegende ist." Die Voraussetzung für eine Unterbringung in eine forensisch-therapeutische Psychiatrie liege vor.

Das, was dem Kind angetan wurde, grenze laut dem Gutachter an Folter.

Manipulativer Gesprächsstil

Bei der Zweitangeklagten kann der Gutachter eine klassische psychiatrische Erkrankung ausschließen. "Bei ihr kann man davon ausgehen, dass sie die Tragweite ihres Handelns einschätzen kann. Die Zurechnungsfähigkeit war immer gegeben.

Er könne einen klassischen manipulativen Gesprächsstil beobachten. "Sie bekommen nie eine konkrete Antwort. Außer sie fragen fünf mal nach."

Falls sich die Zweitangeklagte tatsächlich wie in der Anklage vorgeworfen verhalten hat, deute das eindeutig auf "innerlich große Abgründe" und "mangelnde Empathie" hin. 

Für beide Frauen beantragte die Staatsanwaltschaft Krems zusätzlich zum Strafausspruch eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch.

"Verschleierungsaktionen"

Im Schlussbericht spricht die Staatsanwältin vor allem darüber, dass das Verhalten nach der Tat klar gezeigt habe, dass sich die Frauen bewusst waren, was sie getan haben. Man habe Verschleierungsaktionen gesetzt, "unbeeindruckt davon, dass das Kind mit dem Tod kämpft". Die beiden Frauen hätten das Kind zerstört. "Sie haben den 12-Jährigen beinahe zu Tode gequält. Und das 'beinahe' war sehr nahe."

Während die Staatsanwältin ihr Schlussplädoyer vorträgt, weint die Zweitangeklagte fast durchgehend. Diese Tränen sieht der Opferanwalt der Angst vor Konsequenzen geschuldet. Eine Antwort auf die Frage des "Warum" habe man nicht bekommen. Er bittet die Kindsmutter abermals darum, zu erklären, warum sie all das getan habe. das Kind wisse, dass der Prozess heute stattfindet. Es wolle Gerechtigkeit.

Dass die Mutter, nachdem der Bub ins Krankenhaus gekommen ist, nach "Kindesmissbrauch Strafe Österreich" gegoogelt habe, zeige, dass sie zurechnungsfähig war, sagt der Opferanwalt. "Und wer nur halbwegs zurechnungsfähig ist, musste erkennen, dass das Kind im Sterben liegt."

Astrid Wagner, Verteidigerin der Kindsmutter, argumentiert, dass die 33-Jährige es nicht für möglich gehalten hätte, dass das Kind sterben könnte. Sie habe aber gerade noch rechtzeitig die Rettung gerufen. Daher sei die Hauptfrage nach dem versuchten Mord mit "Nein" zu beantworten.

Trotz der belastenden Chat-Nachrichten spricht Sascha Flatz, Verteidiger der Zweitangeklagten, davon, dass seine Mandantin eine fürsorgliche Mutter sei. Er vermutet in seinen Ausführungen Rache bei der Kindsmutter, die ihre ehemalige beste Freundin ebenso im Gefängnis sehen wolle und sie deshalb belaste. Er behauptet zudem, die 33-Jährige wäre in seine Mandantin verliebt gewesen. Als sie wegen ihres Sohnes bei der Zweitangeklagten ausziehen musste, habe sie dann den 12-Jährigen dafür bestraft.

Entschuldigungen von den Angeklagten

Bei ihrem Schlusswort schloss sich die Kindsmutter den Worten ihrer Verteidigung an. "Ich möchte mich in aller Form entschuldigen, dass ich ihm das angetan habe." Auch beim Vater des Kindes sowie ihrer Familie entschuldigt sie sich. Sie könne sich selbst nicht beantworten, warum sie das alles getan habe.

Auch die Zweitangeklagte entschuldigte sich bei dem Kind und der Familie. "Leider kann ich nicht mehr sagen."

Kommentare