Eine Woche ist es her, dass die Verordnung über verpflichtende Ausreisetests in Wiener Neustadt in Kraft getreten ist. Die Auswirkungen für die Wirtschaft sind weit dramatischer, als man es im Rathaus befürchtet hat. Der Handel berichtet von Umsatzeinbußen von teilweise mehr als 50 Prozent gegenüber den schon deutlich abgeschwächten Vorwochen. „Gefühlt ist es ein vierter Lockdown“, sagt Christian Stagl, Center Manager des Fischaparks – mit 120 Geschäften und 900 Mitarbeitern größtes Einkaufszentrum in der Stadt.
Als vergangenen Mittwoch die Verordnung in Kraft getreten ist, sei auch ohne anfänglicher Polizeikontrollen das Geschäft „sofort eingebrochen“, so Stagl. „75 Prozent unserer Kunden kommen von auswärts. Nach den Pressemeldungen von Abriegelung und Straßensperren hat sich niemand mehr in die Stadt getraut.“ Es sei ein falsches Bild in der Öffentlichkeit entstanden. „In Wahrheit kann jeder, der einen negativen Test hat, ganz sicher und ruhig seine Einkäufe erledigen“, meint der Fischapark-Chef. Um Kunden die Scheu vor der Hürde des Testens zu nehmen, hat das Einkaufszentrum sofort zwei Teststationen eingerichtet. „Für uns ist es gerade die wirtschaftlich schwierigste Zeit der gesamten Pandemie“.
Wenn der stationäre Handel zu Ostern das zweite Mal nach Weihnachten das Kerngeschäft an die Online-Riesen verliere, sei es um die Existenzen vieler Unternehmen schlecht bestellt, fürchtet Stagl. Er hofft, dass das Schreckgespenst der Ausreisetests bald Geschichte ist, oder zumindest an Schrecken für die Kunden verloren hat.
Schlimmer geht es doch
So diplomatisch wie der Center Manager drücken sich aber einige Innenstadt-Unternehmer schon lange nicht mehr aus. Seit den verpflichtenden Eintrittstests für den Kosmetik- oder Friseurbesuch, ist das Geschäft von Peter Maurer „massiv eingebrochen“. Als der bekannte Friseur glaubte, schlimmer geht es eigentlich nicht mehr, wurde Wiener Neustadt zum Hochinzidenzgebiet erklärt. Dass man damit den Geschäftstreibenden den Todesstoß versetzen könnte, ist auch für ihn völlig unverständlich. „Ich habe mein Geschäft nur noch drei Tage die Woche, von Donnerstag bis Samstag geöffnet. Mehr Betrieb gibt es nicht mehr“, so Maurer.
Wer nicht unbedingt muss, würde derzeit die Stadt meiden. Ein Blick auf den Hauptplatz vor seinem Geschäft bestätigt die Aussage. Das Zentrum ist fast menschenleer. Seine Kritik richtet sich nicht nur an die Regierung, der er schwere Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie vorwirft. Auch von der Innung fühle er sich im Stich gelassen. Dort hätte man es verabsäumt, die Haus- oder Selbsttests für Besuche beim Friseur durchzuboxen. Die Interessensvertretung habe kläglich versagt, meint Maurer.
Dass so viele Auswärtige die Stadt meiden, ist für den Friseur fast unverständlich. Durch das mittlerweile überbordende Testangebot gibt es fast keine Wartezeiten an den Teststraßen. Wen die Nasentests bisher abschreckten, kann seit Donnerstag in den drei großen Teststraßen auch einen Nasenbohrer-Test, wie sie an den Schulen üblich sind, unter Aufsicht von Testpersonal ablegen. Eigentlich gibt es keinen Grund, nicht nach Wiener Neustadt zu kommen, sagt Maurer.
Homeoffice
Es sind aber anscheinend nicht nur die Auswärtigen, die weg sind. „Auch die Menschen, die hier gewöhnlich tagsüber arbeiten, fehlen“, sagt Gastronom Wolfgang Wilczek. Weil sie ihren Mitarbeitern das ständige Testen nicht zumuten wollen, dürften viele Betriebe, die die Möglichkeit dazu haben, wieder auf Homeoffice umgestellt haben. Die Warteschlangen vor Wilczeks Würstelboutique sind damit Geschichte. „Ich habe nur noch zu Kernöffnungszeiten offen. Der Umsatzverlust ist enorm“, sagt er.
Laut Auskunft der Stadt soll es für Umsatzverluste im Hochinzidenzgebiet einen extra Ausfallsbonus geben. Der Handel hofft, dass die Ausreisetests sofort enden, sobald die Inzidenz unter den Grenzwert von 400 gefallen ist. Am Donnerstag lag sie bei 515.
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