Gerasdorf bei Wien: Schotter sorgt für tiefe Gräben
Von einem schlichten Streit um eine Schottergrube zu sprechen, würde zu kurz greifen. In Gerasdorf bei Wien geht es schon lange nicht mehr bloß darum, ob die Firma Kovanda, ein alteingesessener Familienbetrieb, Material abbauen darf. Nach einem vier Jahre andauernden Kampf zwischen der Unternehmerfamilie, der Stadtgemeinde und Bewohnerinnen und Bewohnern ist das Vorhaben ein Fall für die Gerichte geworden. Für die Beteiligten geht es um Rechtmäßigkeit, um die Zukunft, um Versorgungssicherheit – und letztendlich wohl auch um persönliche Enttäuschungen, die die Diskussionen mit sich gebracht haben.
Die Eckdaten: Kovanda will auf 4,9 Hektar Schotter abbauen, und zwar auf einem Areal am Rande der Stadt, das laut dem Mineralrohstoffgesetz dafür vorgesehen ist. Für die Familie ein Projekt mit einem klaren Vorteil: Das Abbaugebiet würde nur rund 700 Meter von der Betonmischanlage des Unternehmens entfernt und außerhalb aller Ortsteile liegen, es muss nur eine Straße überquert werden. Heimische Rohstoffe, kurze Wege, Arbeitsplatzsicherung in der Region – diese Argumente haben die Familie dazu bewogen, die Gründe zu kaufen.
Für die Gegner des Vorhabens, zu denen Bewohnerinnen und Bewohner ebenso zählen wie der gesamte Gemeinderat, wäre die Schottergrube jedoch ein Einschnitt in ihre Lebensqualität. Sie befürchten noch mehr Lärm, Staub und Verkehr im ohnehin schon dicht besiedelten und schadstoffbelasteten Stadtgebiet. Zudem würde die Abbauzone inmitten der fünf Ortsteile und im landwirtschaftlichen Kerngebiet der Region entstehen, die auch gerne als Naturerholungszone genutzt werden – von Menschen und Tieren gleichermaßen. Gründe, mit denen mittlerweile 5.100 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt werden könnten.
Viele Ängste
Zwei Seiten, zwei Perspektiven also. Derzeit liegt der Fall beim Landesverwaltungsgericht, das darüber entscheiden soll, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Schottergrube notwendig ist oder nicht. Denn abbauen dürfte Kovanda auf dem Areal bereits; das Unternehmen hat alle gültigen Bescheide dafür erhalten, einen weiteren Aufschub durch Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Nach ersten Arbeitsschritten im Frühjahr ruhen die Arbeiten aber, bis ein Urteil vorliegt.
Und dieses ist für die Gegnerschaft entscheidend, nämlich auch, was die zukünftige Nutzung des Abbaugebiets betrifft. Denn das Areal, auf dem Kovanda arbeiten möchte, liegt inmitten eines 88 Hektar großen Potenzialgebiets, das in den 60er-Jahren für den Kiesabbau vorgesehen wurde – lange bevor Gerasdorf ein stark wachsendes Siedlungsgebiet wurde.
„Falls Kovanda schürfen darf, dürfen auch alle anderen Interessenten in der Eignungszone schürfen und das wird Jahrzehnte dauern“, ist Christian Koza, Grünen-Umweltgemeinderat, überzeugt. Hinzu kommt die Befürchtung der Stadtpolitik und der Bürger, dass eine „Salamitaktik“ verfolgt werden könnte, also der stückweise Aufkauf des Gebiets, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu vermeiden.
Vorwürfe, über die Geschäftsführer Leopold Kovanda nur den Kopf schütteln kann. „Die neue Grube ist Teil eines langjährigen Plans, um unserem Geschäftsfeld weiter nachgehen zu können. Es geht hier nicht um Hamsterkäufe“, sagt er. Und er betont, als Familienunternehmen eine Verantwortung gegenüber der Region zu tragen, und zwar weit über das über das behördliche Maß – und der Maßstäbe vieler anderer Konzerne – hinaus; Kovanda setze auf Begrünung und die Schaffung neuer Lebensräume für die Natur, ebenso wie die Wiederverwertung von Altstoffen – was bei der neuen Schottergrube nicht anders wäre.
Harte Fronten
Wann das Landesverwaltungsgericht über eine Umweltverträglichkeitsprüfung entscheiden wird, ist offen. Was bleibt, sind tiefe Gräben zwischen den Beteiligten. „Wir würden gerne zeigen, dass die Vorwürfe der Gegner nicht wahr sind“, sagt Kovanda, und betont, dass seine Tür allen Interessierten offen stehe. Dieses Angebot sei aber, trotz oft jahrzehntelanger Bekanntschaft, bisher kaum genutzt worden.
Die Gegnerschaft hingegen sieht sich von Kovanda getäuscht. In einem Informationsschreiben an die Haushalte warf sie dem Unternehmer vor, mit seinen Umweltmaßnahmen lediglich eine PR-Kampagne zu verfolgen. Kovanda ließ dagegen rechtliche Schritte einleiten.
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